Psychosomatik – abgeleitet von Psyche : Seele, seelisch-geistiges Leben (WAHRIG, Fremdwörter-Lexikon, dtv 2000) , auch (Lebens)Hauch, Atem, Seelenleben, Gemütsverfassung (KLUGE, EWB, 2002) und Soma (lat.-griech.): Leib, Körper – ist die Wissenschaft von den Beziehungen zwischen „Seele“ und Körper.
Wenn einer einen besonders guten Witz erzählt, gerät unser Zwerchfell in Bewegung und der Unterbauch beginnt zu wackeln. Herz und Lunge werden durchblutet, Leber, Magen und Milz stimuliert und die Därme massiert. Wohlbefinden stellt sich ein und so manche Beschwernis verschwindet für eine Weile. Wenn ein Arzt nach langer, aufwändiger Untersuchung zu dir sagen würde: „Haben Sie nichts bemerkt? Sie haben lauter Metastasen! Es sieht schlimm mit Ihnen aus!“, dann würde, falls du das glaubst, dein Zwerchfell sich zusammenziehen und derart verkrampfen, dass dir der Atem stockt…
So ist es auch beim Placebo-Effekt. Eigentlich sind es Binsenwahrheiten, Zusammenhänge die (fast) jede/r kennt. Es sind psychosomatische Erkenntnisse, die Mitte des 19. Jh. von der materialistischen Medizin aus der Wissenschaft verdrängt worden sind. Allein der gute, alte Hausarzt, der, ohne nach seinem Verdienst zu fragen, sich für seine Patienten noch Zeit nahm, hat dieses Wissen bis in die 30-er Jahre des 20. Jh. bewahrt und angewendet.
Die Psychosomatik ist also bei uns eine junge Wissenschaft. Zuerst in den USA, dann seit den 60er Jahren auch in Deutschland gelehrt und gezielt praktiziert, wurde sie erst 1970 als vollgültiges Lehrfach anerkannt. Zwanzig Jahre zuvor hatte Alexander Mitscherlich die erste psychosomatische Uni-Klinik in Deutschland mitbegründet.
Im Schatten der Apparate- und Pharma-Medizin hat die Psychosomatik heute kaum eine Chance, gefördert und weiter entwickelt zu werden. Dabei haben bis zu 80% aller organischen Krankheiten psychosoziale Ursachen! Auch ein großer Teil von Unfällen könnte vermieden werden, zum Beispiel durch permanentes Achtsamkeitstraining, wie es seit dem 6. Jh. im Zen-Buddhismus üblich ist. Es sind materielle Interessen, die der Psychosomatik im Wege sind.
Andererseits wusste man schon vor mehr als 2500 Jahren aus einer Seelenlehre Geld zu schlagen. Es war die vedische, hinduistische Lehre von einer unvergänglichen, einer Ewigen Seele und deren Wanderung, die beim Tod den Leib eines Menschen verlässt und „einen anderen Körper erlangt.“ „Wie ein Mann abgetragene Kleider ablegt und andere, neue anzieht, so legt auch die Seele die abgetragenen Körper ab und geht in andere, neue ein“, heißt es in einem Upanischaden-Text. Die Wiedergeborenen sahen sich dann, entsprechend ihren Sünden oder Verdiensten, zum Beispiel als Götter im Himmel oder als Ratten in der Unterwelt wieder.
Die indischen Brahmanenpriester machten sich diesen Wiedergeburtsglauben zunutze. Sie zelebrierten – vergleichbar mit der heutigen Seelenmesse – einen Totenkult und kassierten dafür viel Geld. Gotama Buddha hat ihre „Narrenlehre“ und alle esoterischen Praktiken mit deutlichen Worten kritisiert, ebenso den Reichtum der Brahmanen und das Kastenwesen, ein Feudalsystem:
»„Auch ich, Mönche, gewahre kein Gut, dessen Besitz unvergänglich, beständig, ewig, unveränderlich wäre und immerdar derselbe bliebe. Huldigt ihr wohl, Mönche, dem Glauben an eine (ewige) Seele, durch welchen diejenigen, die dem Glauben an eine (ewige) Seele huldigen, nicht in Kummer, Jammer, Leid, Verzweiflung und Mühsal geraten sollen? Seht ihr, Mönche, einen (solchen) Glauben an eine (ewige) Seele (…)?“
„Nein, das gibt es nicht, Herr!“
„Gut, Mönche! Auch ich, Mönche, glaube nicht an eine (ewige) Seele (…) Auch ich hänge nicht an einer (solchen) Lehrmeinung (…)“«
(Majjhimanikaya 22)
Die so oft missverstandene Wiedergeburtslehre des Buddha bezieht sich nicht auf einzelne Personen, sondern auf den „psychosomatischen“ und auf den ganz natürlichen Lebens-Prozess des Entstehens und Vergehens. Das ist Samsara, der Kreislauf des Daseins. Er endet und beginnt im Komposthaufen. Überall da, wo Tod und Leben ineinander übergehen.
[Aus: Es ist gut, Zweifel zu haben… → http://www.bookrix.de/_ebook-dietrich-stahlbaum-8222-es-ist-gut-zweifel-zu-haben-8230-8220/ ]
[…] Siehe auch → https://stahlbaumszeitfragenblog.wordpress.com/2015/08/12/wenn-die-seele-durch-den-koerper-geistert-… […]
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[…] Hierzu auch → https://stahlbaumszeitfragenblog.wordpress.com/2015/08/12/der-placebo-efekt/ → https://stahlbaumszeitfragenblog.wordpress.com/2015/08/12/wenn-die-seele-durch-den-koerper-geistert-… […]
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[…] Ich habe mich unter anderem mit dem gesamten Spektrum der Tiefenpsychologie befasst und dadurch trotz erkenntnistheoretischer Vorbehalte zu allen analytischen Verfahren viel über menschliches Verhalten gelernt und einiges dazu publiziert, z. B. »Wenn die Seele durch den Körper geistert: Psychosomatik« […]
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