Maja Göpel: „Unsere Welt neu denken: Eine Einladung“ (Rezension)

Lb-Mhs. Bauer, Marl, Corona-Pandemie-Kritik, 07.04.2020
Am 7. April 2020 in den Zeitungen des Medienhauses Bauer, Marl
Rezension Maja Göpel ´Unsere Welt neu denken` beim Mhs, Bauer, Marl, 09.04,2020
Gebundene Ausgabe € 17,99,  E-Book € 16,99

Cover Maja Göpel

Klappentext: Maja Göpel ´Unsere Welt neu denkern`- Klappentext
Klappentext

Die Ereignisse überschlagen sich derart, dass Maja Göpels Buch überholt zu sein scheint. Als sie es schrieb – es erschien am 28. Februar 2020 –, war die Corona-Pandemie noch nicht ausgebrochen.

Nach heutiger Kenntnis ist das Virus erstmals Ende Dezember 2019 in einer chinesischen Großstadt von Fledermäusen und beim Handel mit lebenden Tieren auf Menschen übertragen worden. Es hat sich rapide zu einer Pandemie entwickelt und sich weltweit ausgebreitet.

Maja Göpels Buch ist dennoch hochaktuell. Die junge (* 1976) Transformationsforscherin, Politökonomin, Nachhaltigkeitswissenschaftlerin und Hochschullehrerin hat ein immenses Wissen, denkt systemisch und ökologisch. Sie hinterfragt die weltweiten Krisen in Umwelt und Gesellschaft: „Sie offenbaren, wie wir mit uns und dem Planeten umgehen, auf dem wir leben.“ Wenn wir diese Krisen meistern wollen, schreibt sie, „müssen wir uns die Regeln bewusst machen, nach denen wir unser Wirtschaftssystem aufgebaut haben. Erst wenn wir sie erkennen, können wir sie auch verändern – und unsere Freiheit zurückgewinnen.“

Maja Göpel ist weltweit vernetzt und in vielen internationalen wissenschaftlichen und politischen Gremien und auf Kongressen aktiv. Sie hat sich der von Greta Thunberg gegründeten Klimaschutzbewegung „ Fridays for Future“ angeschlossen und scheut sich nicht, auch auf der Straße, in Berlin vor dem Bundestag und in Washington vor dem Weißen Haus  zu demonstrieren.

Ihr Buch hat mir viele neue Erkenntnisse gebracht und lauter Aha-Erlebnisse.

Ihr Scharfsinn und ihr kritischer Blick, ihre ganzheitliche Sicht, ihre Fähigkeit, so zu schreiben, dass nahezu alle, die lesen können, sie verstehen, sogar Teenager, sind unübertroffen. Nur so können möglichst viele Menschen erreicht und motiviert werden.

Der Versand des Buches hatte sich durch die Corona-Kontaktsperre verzögert. Ich kenne die berechtigte Kritik an dem Konzern. Aber betrifft das nicht das gesamte kapitalistische System? Die Digitalisierung („KI“) könnte – das hält auch Maja Göpel*) für möglich – den Kapitalismus vollkommen transformieren und völlig neue Verhältnisse schaffen, demokratische.

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->  https://de.wikipedia.org/wiki/Maja_G%C3%B6pel

[Unsere Welt neu denken: Eine Einladung, Berlin 2020]

 

 

Jetzt aktualisiert bei allen Versandbuchhandlungen abrufbar: „Das Buch in der Wolke. Work in Progress“

Coverbild für "Das Buch in der Wolke"

 Klappentext:

„Book in Progress“? Dieses 14. E-Book soll nun wirklich das allerletzte sein. Ein Experiment. Ich bin 93 und kann den natürlichen Alterungsprozess nicht aufhalten, höchstens verzögern. Die Produktivität lässt, wie der Geschlechtstrieb, nach. Das Gehirn arbeitet langsamer.  Gedächtnis, Denken, Sprechen und Schreiben brauchen mehr Zeit. Das Langzeitgedächtnis ist besser als das kurzzeitige. Mir fallen Ereignisse, Erlebnisse, Begegnungen, Menschen und Orte und deren Namen ein, die mich irgendwann mal in meinem Leben beeindruckt haben müssen, längst vergessen sind oder überhaupt nicht existiert haben. „Dichtung und Wahrheit“. Goethe.

Zum Beispiel das Gedicht „Frühlingsglaube“ von Ludwig Uhland, das ich persifliert habe, obwohl ich es wahrscheinlich nie gekannt habe. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, ob wir es im Deutschunterricht „durchgenommen“ haben. Dennoch kam mir die Anfangszeile „Die linden Lüfte sind erwacht“ bekannt vor. Bei Wikipedia fand ich dann die Bestätigung, dass es dieses Gedicht tatsächlich gibt.

Ich werde bis zu meinem Lebensende oder solange ich sehen, denken und empfinden kann, Sehenswertes fotografieren, das Zeitgeschehen beobachten und kommentieren, literarisch arbeiten und die Produkte nach und nach in diesem E-Book publizieren.

Das Buch kann jetzt zum aktuellen Preis von € 0,99 auf ein Lesegerät oder einen PC hier heruntergeladen werden -> https://www.bookrix.de/_ebook-dietrich-stahlbaum-das-buch-in-der-wolke/

 

Heidi Beutin/Wolfgang Beutin: Fanfaren einer neuen Freiheit. Rezension von Hartmut Henicke

   Dieses Werk des Ehepaares Beutin ist die wichtigste Publikation zum Themenjahr 2018 „Weltkriegsende/Novemberrevolution“. Die Autoren haben es ihren nahestehenden, insbesondere verstorbenen wissenschaftliche Weggefährten gewidmet. Diese Geste bewegt, wenn man das Buch gelesen hat.

    Die Autoren bekennen ausdrücklich, sich dem Thema als Literatur- und Kunsthistoriker anzunähern. Sie tun das auf höchstem theoretisch-methodischem Niveau und gleichzeitig mit faszinierend souveräner literarischer Leichtigkeit. Dieses Buch liest sich so weg. Und es ist anregend, weil so gut nichts offen bleibt. Auch dort, wo wichtige Fragen „nur“ ansatzweise beantwortet oder tangiert werden, hallen als sie dem konzentrierten Leser wie die Reststrahlung des Urknalls als Denkimpulse nach. Auch darin reflektiert sich Kompetenz und Meisterschaft, wie in den souverän das Quellenmaterial tief durchdenkenden Antworten und Urteilen. Ihrer Absicht, die deutschen Intellektuellen im Kontext der Novemberrevolution zu zeichnen werden die Autoren virtuos gerecht. Dieses „Who‘s Who?“ der deuschen Novemberrevolution lässt keine soziale, politische und ideologische Richtung der Kategorie Intelligenz aus. Mit ihren umfangreichen Personendossiers haben Heidi und Wolfgang Beutin einen entscheidenden Teil des historischen Subjekts dieser Revolution und Gegenrevolution definiert, klassifiziert, teilweise meisterhaft psychologisiert, in soziale, politische und kulturelle Zusammenhänge gestellt. Ihre Arbeit hat hohen Quellenwert. Die Auswahl des Zitierten ist treffend wie die Wertung. Das Spannende dieser Studie ist die breite, logisch klassifizierte Differenzierung zwischen Revolution und Konterrevolution aber auch innerhalb der politischen Lager bzw. ideologischen Richtungen. Mit ihren Persönlichkeitscharakteristiken präsentieren die Autoren nicht nur ein breites Spektrum von Ansichten, die den Erkenntnisprozess eines historischen Umbruchs reflektieren, sondern auch Erfahrungen, spontane Gefühle reflektieren. Die Begegnung Rosa Luxemburgs und Tilla Darieux – eine marginale Sekunde im Epochenwechsel während des Innehaltens und doch so bezeichnend für das, was geschah. An dieser Stelle versteht der Leser den Titel des Buches.

   Er hört die „Fanfaren einer neuen Freiheit“ im Hintergrund. Die Beutins vermessen ihren Forschungsgegenstand, die Intelligenz, nicht im Entferntesten mit den ideologischen Rastern, die sich aus der ideologischen Versteinerung nach den Weltkriegsrevolutionen insbesondere seit dem Ende der 1920er Jahre ergaben.

Dieses Buch ist das Elektrokardiogramm der Geisteshaltung im Deutschland des verlorenen Weltkrieges in aller psychologischen und ideologischen Sensibilität und Genauigkeit. Es spiegelt die subjektive Verfasstheit der Menschen dieses Landes, die den Aufbruch in die neueste Moderne antraten, die realen subjektiven Rahmenbedingungen der Erneuerungsalternative. Als Leser getraut man sich nicht einmal den überheblichen Gedanken, die Intellektuellen von den proletarisierten verelendeten Klassen abzuheben, zumal die Autoren eben auch die politisch ahnungslosen Intellektuellen, Künstler, Literaten meisterhaft zeichnen. Andererseits: Diejenigen namhaften bekannten, ach heute wieder vergessenen Persönlichkeiten, die in Beutins Buch den größten Epochenkonflikt des neuen Jahrhunderts reflektieren, waren allesamt keine Durchschnittsmenschen, sondern Denker, Künstler, Moralisten, Literaten, Journalisten, Politiker, Parteifunktionäre, einschließlich der politisch hochgebildeten Arbeiterbewegung, Reagierer auf die spontane Revolte qualifizierter kriegsmüder Matrosen, Soldaten und Proletarier. Diese Literaten, Philosophen, Wissenschaftler und Politiker aller Klassen mussten nicht nur das Geschehen interpretieren, sondern persönliche Entscheidungen treffen. Sie standen vor der epochalen praktischen Gestaltungsaufgabe, aus dem Regimezusammenbruch und der spontanen sich zur Revolution ausbreitenden Revolte eine historische tragfähige Zukunftsalternative zu denken und zu entwickeln, deren Parameter zum einen durch die Siegermächte vorgegeben waren und zum anderen von den Räten der Matrosen, Soldaten und Arbeiter, die gleichermaßen der intellektuellen Führung Deutschlands Angebote machten. Ihnen standen die gegenüber, die mit der alten zusammengebrochenen Welt unterzugehen drohten. Das waren jene unter den gebildet und erfahren Denkenden, die nicht über den Schatten ihrer Werte und Ansichten der Vergangenheit springen konnten. Zwischen Hoffnungen und Ängsten, Humanismus und Hass, Einsicht und Tradition schwankten die großen Geister der Nation, auch der elitären Klassen und Schichten. Harry Graf Kessler, Walter Rathenau, die Gebrüder Thomas und Heinrich Mann, Epochengestalten. Die Autoren benötigen nur Absätze, um dies deutlich zu machen.

   Beutins Arbeitsergebnis zeigt, an einem ungewöhnlich breiten Personenkreis, wie dieser dachte und agierte. Was die Autoren diesbezüglich präsentieren und kommentieren, hat erstrangige Bedeutung für das Verständnis des Missverhältnisses zwischen historisch materialistischer Analytik der kausalen gesellschaftlichen Zusammenhänge und der subjektiv differenzierten in der logischen Konsequenz dahinter zurückbleibenden Wahrnehmung und sich daraus ergebender Handlungsweise. Die Autoren reflektieren bis in die marxistische Linke hinein de facto die Folgen der im wilhelminischen Kaiserreich in den Köpfen seiner intellektuellen Elite gebrochenen Geistesgeschichte. Und auch im marxistisch linken Lager erkennen und benennen die Autoren deren Grenzen. Diese Abschnitte sind so stark, dass darauf näher eingegangen werden muss, auch wenn alle in diesem Buch behandelten theoretisch-methodischen Aspekte eine rezeptive Diskussion verdienen, was in diesem Rahmen nicht möglich ist und deshalb aber anempfohlen wird. Die Jahrhundertjubiläen sind noch nicht vorbei und die Rezeptionsthemen findet man in Beutins „Fanfaren“.

   Die Autoren spiegeln in erster Linie und mit Sympathie die Rationalisten, Idealisten, Illusionisten, Pazifisten und Linken. Und sie sehen diese mit anderen Augen als Volker Weidemann in seinem Buch „Träumer“ nicht als Spinner und konzeptionslose vom Volk zeitweilig geliebte Narren, sondern eben als moralischen Werten und einer humanistischen Ethik verpflichteten Literaten, von denen ohne politisches Herrschaftswissen und ökonomische Analytik nichts anderes verlangt werden kann als Charisma, selbstloses leidenschaftliches Engagement bis zur Hingabe, auch Fehler und Konzeptionslosigkeit. Politik, insbesondere in revolutionären Krisensituationen ist bis zur geordneten arbeitsteiligen Kooperation von neuen Führungskräften und Strukturen eine spontane sich allmählich organisierende vor allem emotionale Aktion. Aus dieser Aktion entwickelt sich aus der Leidenschaft auf der einen und der lähmenden Paralyse auf der anderen Seite erst allmählich die kühl, auch machiavellistisch kalkulierte strategisch-taktische Konzeption auf den sich polarisierenden ideologischen und Interessen gesteuerten Flügeln der Revolution. Den Autoren ist dies klar und wegen dieses Standpunktes bewerten sie die Revolutionsliteraten höher als der Autor der „Träumer“. Worin aber der darüber hinausgehende Wert dieses Buches besteht, ist die sehr akzentuierte Differenzierung der marxistischen Linken. Die Autoren stützend sich dabei auf die Biografie-, und Sachthemen-Experten, wie die Bezugnahmen im Anmerkungsapparat erkennbar machen. Aber in der Kernaussage darf von der Eigenleistung der Autoren ausgegangen werden. Die Charakterisierung der Erkenntnisgrenzen Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs gehört, wie schon zuvor im Falle Kessler, Rathenau, Manns u.a. zu den stärksten erkenntnistheoretischen Leistungen, auch wenn Rosa Luxemburg betreffend, der Rezensent Einwände geltend macht, die sich vor allem auf die bei Eberhard Kolb zitierten „Grundannahmen in der sozialistischen Lehre“ beziehen. Auch wenn Rosa Luxemburg gleichfalls diesen Grundannahmen aufsaß, war ihre Geschichtsauffassung keinesfalls diesem eher Kautskyanischen und russischen Gesellschaftsphilosophieverständnis als dem Labriolas Philosophie der Praxis im Sinne der Feuerbachthesen näher. Wie schwer der Zusammenhang von Erkenntnistheorie und Geschichtsphilosophie, politischer Ökonomie und Politik in der Aktion im Krisenmoment wirkt, erfährt die Menschheit in jedem neuen Konflikt. Dass selbst die theoretisch weitsichtigsten Köpfe in den Momenten versagten, in denen sie sich den Sternen so nahe wähnten, ist vielleicht ein Grund, neu über theoretisch begründeten Pragmatismus oder Machiavellismus nachzudenken. Dass die Gegenrevolution, die in diesem Buch in dieser Hinsicht unterbelichtet ist, was dem keinen wirklichen Abbruch tut, aber immerhin daran gemahnt, dass Lassalle als erster das Problem erkannt hatte, sei hier angemerkt. In diesem Zusammenhang sollen von den vielen theoretisch-methodisch anregenden Fragen nur noch vier aufgegriffen werden sollen.

   Erstens: Problematisch mit Blick auf die faschistische Diktatur, wenn auch nicht ganz abwegig im Hinblick auf die frühzeitige parallele Konterrevolution ist die revolutionstheoretische Interpretation des Staatsrechtlers Hugo Preuß durch die Autoren im Hinblick auf den engeren nationalen Revolutionszyklus in Anlehnung an die Französische Revolution und dessen missverständlicher Hinweis auf die Militärdiktatur als notwendige Zurückführung der radikalen Revolution auf ihr objektives Maß. (S. 35) Im Kontext mit dem nachfolgenden Abschnitt, der „Die Konterrevolution“ thematisiert, ist das einst von Friedrich Engels als allgemeingültig gezeichnetes Revolutionsschema falsch. Denn es gab in der deutschen Novemberrevolution kein radikal verfolgtes utopistisches Ziel, dass durch zeitweilig überhöhte Radikalität durch einen Thermidor auf das objektive Revolutionsziel zurückgeführt werden musste. Im Gegenteil: Selbst Spartakus verfolgte sozioökonomisch wie staatspolitisch mit der Rätedemokratie allein ein konsequent radikaldemokratisches Ziel. Und auch die Rätemacht war keinesfalls a priori eine kommunistische Machtstruktur. Sie wurde von Anfang an, weil situationsbedingt, partiell selbst im bürgerlichen Lager adaptiert. Die Soldatenräte prägten wegen ihrer sozial heterogenen Zusammensetzung ohnehin den klein- und bürgerlichen Charakter der Revolution und mehr noch die rechtskonservative nationale Bürgerrätebewegung eben den nichtproletarischen. Doch allein die verschwindende Minderheit der rätekommunistischen Linken als marginalen Ausdruck revolutionärer Radikalität zu bagatellisieren und damit deren Überbewertung durch die konservative Rechte zur Begründung gegenrevolutionärer Brutalität als hinterhältige Meinungsmanipulation zu bewerten, ist wissenschaftlich nicht korrekt. Von der Spartakusgruppe bis in die USPD hinein und auch über diesen Parteirahmen hinaus, wie die Beutins u.a. mit dem Beispiel Rathenaus zeigen, wurden die „bolschewistischen“ Sowjets tatsächlich als Vorbild bzw. Modernisierungsvariante verstanden. Bremen und Bayern bewiesen, den radikalrevolutionären Charakter des Rätegedankens, wie die Autoren kenntlich machen. Vom Gegenrevolutionären Standpunkt war die Bekämpfung des „Bolschewismus“ deshalb logisch konsequent. Daran ändert die Selbstentmachtung des Zentralrates der Arbeiter und Soldatenräte gar nichts. Auch wenn die deutschen Rätevorwiegend als basisdemokratischer Ansatz bewertet werden, enthalten sie wie die Autoren unter Berufung auf die seinerzeitigen Akteure zeigen, systemveränderndes Potenzial, wie auch die Räterepubliken aber auch der Rätekommunismus im Gegensatz zum Parteikommunismus beweisen. Leider fokussieren sich die Autoren ideologieanalytisch allein auf den Antisemitismus und Rassismus der Rechten. Das Wesentliche war aber die Adaption des Sozialismus in seiner nationalen Mutation.

   Nationalsozialismus ist war der offensive Ausdruck der historischen Defensive. Obgleich der Name Eduard Stadtler auf der Seite der Konterrevolution viermal erwähnt wird, bleibt diese Person als einer der wichtigsten ideologischen Repräsentanten und Aktivisten der Rechten unterbelichtet. Stadtler der Initiator, Agitator und Organisator des Präfaschismus schaffte es nicht zuletzt mit seinen Erfahrungen im revolutionären Russland, den Spitzen der deutschen Wirtschaft 500 Mio Reichsmark für die Kriegskasse der Gegenrevolution abzunehmen. Seine Vorträge und Schriften verdienen als historische Quelle Aufmerksamkeit. Als Inspirator des Mordes an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hat er wohl die treffendste Charakteristik der von rechts wahrgenommenen Gefährlichkeit der intellektuellen linken Führungskräfte und damit auch des Kräfteverhältnisses von Revolution und Konterrevolution gegeben.

   Zweitens: Die Auseinandersetzung der Autoren mit dem Verratsvorwurf gegen die regierende Führung der Mehrheitssozialdemokratie, denen schon von linken Zeitgenossen ein bürgerlicher Standpunkt zugeschrieben wird, von dem aus sie gar keinen Verrat begehen konnten, scheint in diesem Sinne zwar argumentativ plausibel, ist aber logisch nur eine andere Lesart des Verratsvorwurfs. Denn es war nun einmal die Sozialdemokratische Führung, die ihre eigene programmatisch erklärte „soziale Revolution“ verriet. Theoretisch scheinen auch 100 Jahre danach wichtige Probleme immer noch unklar zu sein, was keinesfalls den Autoren Beutin angelastet werden kann. Berücksichtigt man allerdings das marxistisch induzierte Erfurter Parteiprogramm steht staatsrechtlich dahinter nichts anderes als eine bürgerlich-parlamentarische Demokratie mit sozialem Charakter, auch sehr weitgehenden Sofortforderungen, die noch nie erfüllt wurden. Dieses Ziel hat die MSPD-Führung ebenso wenig verraten, wie der Parteivorsitzende Ebert, der seinen Parteifreund Scheidemann dafür wütend rüffelte, weil dieser mit der Ausrufung der Republik der Nationalversammlung zuvorkam. Eberts tradiert stures weltfremdes Demokratieverständnis verkannte, dass die elementaren tatsächlichen systemischen Veränderungen von der revolutionären Aktion und nicht von den parlamentarischen Gremien hervorgebracht werden. Die deutsche Revolution war von Anfang an mit dem Defizit einer unglaublichen Leichtgläubigkeit und Illusion gegenüber der Gegenrevolution belastet. Das zeigte sich sowohl in der Delegierung der revolutionären Beseitigung der materiellen Grundlagen des preußischen Ancien régimes (Großgrundbesitz, Beamten- und Militärapparat) vom Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte an die Nationalversammlung wie an der Rückgabe des beschlagnahmten Büros der Antibolschewistischen Liga durch die revolutionären Matrosen. Und das Sozialisierungsprojekt war de facto mit dem Stinnes-Legien-Pakt erledigt.

   Drittens: Eduard Bernstein prognostizierte 1899 in seiner theoretischen Grundlegung des Reformismus den Marx’schen Begriff „Diktatur des Proletariats“ als Charakterisierung des künftigen Staatstyps mit folgendem bedenkenswerten knappen Absatz: „Die Diktatur des Proletariats heißt, wo die Arbeiterklasse nicht schon starke eigene Organisationen wirtschaftlichen Charakters besitzt und durch Schulung und Selbstverwaltungsköper einen hohen Grad von geistiger Selbständigkeit erreicht hat, die Diktatur von Klubrednern und Literaten. Ich möchte denjenigen, die die Unterdrückung und Schikanierung der Arbeiterorganisationen und Ausschluss der Arbeiter aus der Gesetzgebung und Verwaltung den Gipfel der Regierungskunst erblicken, nicht wünschen, einmal den Unterschied in der Praxis zu erfahren. Ebenso wenig würde ich es für die Arbeiterbewegung selbst wünschen.“ (Bernstein, Voraussetzungen des Sozialismus… Dietz Berlin 1991 [1899], S.206 f.) dieses Resümé, ob als Vorwegnahme einer vorgeblich im proletarischen Interesse mit revolutionärem Terror durchgesetzten parteirichtungsideologischen Minderheitenrevolution und ihrer verheerenden Folgen oder als blanquistische Fehlinterpretation der Marx/Engels‘schen Schlussfolgerungen aus Pariser Kommune, entspricht de facto der Luxemburgschen Kritik an der Russischen Revolution zwei Jahrzehnte später.

    Viertens: Die Autoren haben mit ihren „Fanfaren der Freiheit einen bemerkenswerten Ansatz für die Bewältigung der Vereinigung von revolutionärer Spontaneität und intellektuellem Potential im Zusammenbruchsaugenblick gewählt und gefunden. Und sie machen sich die Darstellung des Problems nicht mit den Stereotypen des Klassenstandpunktes leicht, die den Intellektuellen nach leninistischer Lesart in den Pro- und Konterrevolutionär teilen. Sie stellen aber am Ende trotz ihres wichtigen Rückgriffs auf frühere Geschichtsepochen bis zurück in die Antike dennoch nicht die Gretchenfrage, mit der das Problem der Spaltungen sowohl in der modernen Kapital- und Lohnarbeitsgesellschaft, der Intelligenz aber auch innerhalb des sozialdemokratischen bzw. kommunistischen Lagers sowie speziell der intellektuellen Linken im engeren Sinne erklärt werden kann: nämlich die erkenntnistheoretische und damit philosophische Frage nach der historische materiellen Determiniertheit und wechselseitigen Beeinflussung aller Gesellschaftserscheinungen und dem daraus resultierenden permanenten konkret-praxisorientierten Erkenntnis- und fortwährendem Theorieentwicklungsprozess im Gegensatz zum ideellen, von humanistischen und bürgerlichen Freiheitswerten bestimmten. Umso höher ist die marginale Bezugnahme der Autoren auf diesen Aspekt in der Einleitung (S. 15 unten) zu bewerten, die beweist, dass die Autoren sich dessen bewusst sind!

   In den weltanschaulichen Auseinandersetzungen der Gegenwart, in der mehr denn je pluralistisch fragmentarische Unverbindlichkeit gegen mystische und populistische Manipulation wirkungslos verteidigt wird, geht es in Wirklichkeit um einen wissenschaftlichen Blick auf die Geschichte. Die enorme Schwierigkeit dessen ist historisch erklärbar. Erkenntnistheoretisch musste von der Liquidierung des heidnisch materialistischen Denkens seit der Zerstörung der Bibliothek von Alexandria bis zur Neuentdeckung des Materialismus durch die intelligentesten Köpfe des aufklärerischen und klassischen Bürgertums, vor allem durch die Hegelsche dialektische Veredelung des Materialismus Feuerbachs nicht nur eine eineinhalb Jahrtausende platonische Denktradition überwunden werden, um die wissenschaftliche Kontinuität zum antiken Denken wieder herzustellen. Zugleich musste die im Gefolge der Rezeption dieser dialektisch-historisch-materialistischen Denkrevolution durch permanente Weiterentwicklung gegen deren Vulgarisierung und bürgerliche Revision angegangen werden. Für diesen Kraftakt fehlten schlicht die fähigen intellektuellen Köpfe nicht zuletzt wegen der fehlenden strukturellen Bildungsvoraussetzungen. Für den Kapitalismus, ob in seiner aktiengesellschaftlichen oder kommunistisch drapierten staatskapitalistischen Variante ist wissenschaftliche Gesellschaftserkenntnis eine existenzielle Bedrohung.

Heidi Beutin / Wolfgang Beutin: Fanfaren einer neuen Freiheit. Deutsche Intellektuelle und die NovemberrevolutionVerlag: wbg Academic in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) (1. August 2018)
• Gebundene Ausgabe: 308 Seiten, EUR 49,95
• ISBN-10: 3534270452
• ISBN-13: 978-3534270453

Wilhelm Neurohr: Der politisch denkwürdige Juni 2018

Welch ein aufwühlender politischer Monat, so ist zum Sommeranfang am 21. Juni 2018 festzustellen, zeitgleich mit der Bilanz der deutschen Koalitionsregierung, die genau 100 Tage im Amt ist. Selten war das Politikversagen weltweit so dramatisch wie in diesem denkwürdigen Monat, manches kaum wahrgenommen im Schatten der kommerziellen Fußball-WM. Dabei ist der Monat Juni noch nicht zu Ende und wird noch mancherlei mehr an politisch Skandalösem darbieten in diesem politisch heißen Sommer:

Asylpolitik

Während die Diskussionen um die Zurückweisung von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen in Deutschland zu einer anhaltenden Regierungskrise führen, geht es im Juni auf dem europäischen Sondergipfel zur Migrationspolitik – 100 Tage vor dem interkulturellen „Tag des Flüchtlings“ – vorrangig um die beschämende Frage, ob inhumane Flüchtlingspolitik national oder europäisch organisiert wird, entgegen dem internationalen Recht und den allgemeinen Menschenrechten.“Diese ganze Debatte ist auf eine Weise verroht, die ich erschreckend finde“, kommentiert der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold. Zuvor hatten Italien und Malta 629 Flüchtlinge an Bord des Rettungsschiffes „Aquarius“, darunter schwangere Frauen und Kinder, zurückgewiesen, bis sich Spanien erbarmte, sie 1500 km weiter, in Valencia, an Land zu lassen.

Flüchtlingsdrama

Zur gleichen Zeit verkündet der UN-Flüchtlingshochkommissar den traurigen Rekord, wonach durch Krisen und Konflikte in der Welt noch nie so viele Menschen auf der Flucht gewesen sind: Über 16 Millionen Menschen insgesamt, fast 45.000 täglich, davon die Hälfte Kinder. Die größte Bürde der Flüchtlingsaufnahme trägt nicht Europa oder Deutschland – das nur auf dem 59. Platz aller 200 betrachteten Staaten liegt – sondern Libanon und die Türkei. 45% der Flüchtlinge suchen Schutz in Afrika und im mittleren Osten, 31% in Europa (davon 17% in der Türkei) sowie 21 % in Asien. Mit 3 Mio. am geringsten ist im weltweiten Vergleich mit Abstand die Quote der Flüchtlingsaufnahme in den USA, die bis zum Juni sogar Kinder von Migranten von ihren Familien trennte. Im Juni haben die USA unter Trump den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verlassen, der sich um die Verteidigung die Einhaltung der Menschenrechte bemüht. Laut Trump ist der UN-Menschenrechtsrat „die Jauchegrube der politischen Voreingenommenheit“.

Hungersnöte

Auch die bisherigen Erfolge der Welthungerhilfe bei der Halbierung der Zahl der Hungernden erleidet wieder Rückschläge durch die aktuellen Krise und Kriege und den Klimawandel: Laut „Globalisierungsreport“, den die Bertelsmann-Stiftung im Juni vorlegte, profitiert die Bevölkerung in den Industrieländern als Wohlstandsgewinner am meisten von der Globalisierung. Hingegen ist die Zahl der Hungernden weltweit auf 815 Millionen Menschen wieder angestiegen. Die Bekämpfung der Ursachen für Hunger und Flucht geht kaum voran, auch nicht die Abmilderung des voranschreitenden Klimawandels.

Klimawandel

Vor der internationalen Klimakonferenz in Berlin Mitte Juni muss die deutsche Umweltministerin ebenso wie die Kanzlerin kleinlaut eingestehen: Das Land verpasst  deutlich seine Klimaschutzziele. Statt, wie angekündigt, den CO-2-Ausstoß  bis 2020 um 40% zu senken, erreicht das Land nur eine Reduktion um 32% gegenüber 1990. Während die Klimaziele in weiter Ferne geraten, wurden im Juni auch viele Regionen in Deutschland im Juni von schweren Unwettern heimgesucht. Außerdem verurteilte der EU-Gerichtshof am 21. Juni Deutschland wegen Verletzung des EU-Rechtes angesichts der zu hohen Nitrat-Belastung des Grundwassers, weil die Bundesregierung zu wenig dagegen unternommen hatte.

Rüstungsspirale

Weitaus mehr Ehrgeiz entwickelt die deutsche Regierung in der Rüstungspolitik: Deutschland ist wieder als viertgrößter Waffenexporteur im Wert von 6 bis 7 Mrd. Euro bei der Rüstung ganz vorn, vor allem mit fragwürdigen Importen in Länder außerhalb der Nato und EU, so vermeldeten die Medien im Juni. Zugleich plant die Waffenschmiede Rheinmetall aufgrund einer Gesetzeslücke den Bau einer Panzerfabrik in der Türkei, um von dort aus Exportbeschränkungen umgehen zu können und damit ein Milliardengeschäft zu machen mit Rüstungsverkäufen auch in Spannungs- und Krisengebiete.

Bis 2020 will die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen 25 Mrd. € mehr für die Bundeswehr. Der Wehretat ist schon jetzt der zweitgrößte im Bundeshaushalt mit 41,5 Mrd. im kommenden Jahr und angestrebter Steigerung auf 60 Mrd. € jährlich. Und eine Milliarde Euro werden nach dem Willen der Regierungskoalition laut Bundestagsbeschluss vom Juni zusätzlich mobilisiert für die Anschaffung von umstrittenen Kampfdrohnen aus Israel für die deutsche Bundeswehr im Rahmen eines gemeinsamen europäischen Rüstungsprojektes „Eurodrohne“. In einer gemeinsamen Erklärung von CDU- und SPD-Politikern unternahmen diese zudem einen Vorstoß, die parlamentarischen Mitbestimmungsrechte des Bundestags bei europäischen militärischen Auslandseinsätzen künftig zu beschneiden.

Friedensforscher bedauerten im Juni, dass keine der Atommächte weltweit auf nukleare Abrüstung hinarbeite, sondern die Modernisierung ihrer Atomwaffen in Angriff nehmen. Die neun Atomstaaten besitzen zusammen ca. 15.000 Atomwaffen. Sollte der nordkoreanische Diktator tatsächlich der erste und einzige sein, der in seinem Deal mit Donald Trump die nukleare Abrüstung schrittweise beginnt?

Armutsbekämpfung

Derweil fehlt angeblich das Geld für die Armutsbekämpfung auch im reichsten EU-Land Deutschland, denn im Juni vermeldet der Dachverband der „Tafeln“ zum 25-jährigen Jubiläum, dass 1,5 Mio. bedürftige Menschen, vor allem Senioren als Armutsrentner und Hartz-IV-Empfänger nebst Asylsuchenden, auf die Armenspeisung angewiesen sind, weil ihnen kaum noch Geld zum Leben verbleibt. Derweil kämpfen die Gewerkschaften weiterhin für auskömmliche Einkommen und Renten und fordern einen weitergehenden Kurswechsel von der Regierung, um die vernachlässigte soziale Frage wieder in den Mittelpunkt zu stellen.

Kirchenfinanzierung

Hingegen wurden nach Meldung der Humanistischen Union vom Juni 2018 als Staatsleistung an die beiden großen reichen Kirchen in Deutschland steigende Geldzahlungen der Bundesländer in Rekordhöhe von 538 Mio. € geleistet, das sind 14. Mio. € mehr als im Vorjahr, unabhängig von Kirchensteuer und zusätzlich zu den Zahlungen für kirchliche Dienste (Kindergarten und Altenheime), also für die Kirchenverwaltung und die beamtenähnlichen Gehälter der obersten kirchlichen Würdenträger (Erzbischöfe, Bischöfe, Weihbischöfe und Domvikare). Seit Gründung der Bundesrepublik sind trotz Trennung von Kirche und Staat somit insgesamt rund 16 Mrd. € in die Taschen der Kirchenfunktionäre geflossen statt zugunsten der bedürftigen Armen ausgegeben zu werden.

Parteienherrschaft

Doch die Sorgen der christlichen und sozialen Regierungsparteien sind vorrangig andere, sie gelten nämlich dem eigenen Wohlergehen ihrer Parteien: Im Juni machten die Fraktionen von SPD und CDU/CSU auf Initiative der SPD – deren Zustimmungswerte laut Umfragen im Juni auf 17% sanken – die steuerlichen Zuschüsse für die Wahlkampf- und Parteienfinanzierung deutlich zu erhöhen, nämlich um 15%, das sind 25 Mio. € und damit eine Anhebung auf 190 Mio. € – ohne im Gegenzug die Parteienfinanzierung durch Interesse geleitete Spenden aus der Wirtschaft einzudämmen. Angesehene Juristen halten das für verfassungswidrig. Das Ganze geschah handstreichartig im Eilverfahren ohne Einbindung der Oppositionsparteien kurz vor dem ablenkenden Start der Fußballweltmeisterschaft. Hingegen nehmen der Lobbyismus und die Intransparenz bei der politischen Einflussnahme immer mehr zu, ebenso die Nebentätigkeiten und der bedenkliche Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft ohne Karenzzeiten, wie die Organisationen Lobbycontrol, Abgeordentenwatch oder Transparency International beklagen. Auch dadurch geht die Politik zugunsten der Wohlhabenden und zu Lasten der Benachteiligten ungebrochen weiter.

Reichtumssteigerung

Im Juni wurde bekanntgegeben, dass weltweit die Zahl der über 18 Millionen Dollar-Millionäre, deren Vermögen die Marke von 70 Billionen Dollar überschritten hat. im Vorjahr um fast 10% gestiegen ist, Insbesondere der Börsenboom und steigende Immobilienpreise vermehrten deren Vermögen um insgesamt 5,2 Billionen Dollar, das ist ein Plus von 7,6%. Die 62 reichsten Menschen der Welt besitzen nach einer Studie der Hilfsorganisation Oxfam so viel wie die 3,6 Mrd. ärmsten Menschen.

Und die Schere geht auch in Deutschland immer weiter auseinander. Hier verfügten  1.364.600 Menschen über ein anlagefähiges Vermögen von über 1 Mio. Dollar, das waren gut 84.000 Personen mehr als im Jahr zuvor.

Mit ein paar kleinen Steuererleichterungen für die Mittelschicht, einer nur teilweise wirksamen Mindestlohnregelung und geringfügigen Kindergelderhöhungen etc. packt die „große Koalition“ diese auch in Deutschland besonders ausgeprägte Schieflage nicht wirklich an, da sie eine wirksame Reform der Vermögens.-und Erbschaftssteuer weiterhin ablehnt.

Europakrise

Ein Jahr vor der Europawahl 2019 in der kriselnden EU, bei der ein Rechtsruck in ganz Europa zu befürchten ist, werden trotz der Vorstöße des französischen Staatspräsidenten Macron wirklich notwendige Reformen für ein sozialeres und demokratischeres Europa, trotz Priorität in den deutschen Koalitionsvereinbarungen und einzelner kleiner Schritte, nicht erkennbar. Lediglich die Hürden für kleinere Parteien sollen nach deutschen Vorstellungen bei der Europawahl durch eine Sperrklausel erhöht werden, damit die etablierten Parteien unter sich bleiben können. Bei allen anderen europäischen Vorhaben gibt es derzeit eine Kakophonie. Allein beim Aufbau einer „Militärunion“ scheint derzeit die europäische Zusammenarbeit gut zu funktionieren.

Der vielgelobte Reformer Emmanuel Macron entpuppt sich im Juni n seinem eigenen Land in der Sozialpolitik als „neoliberaler Hardliner“, der die Bevölkerung und die Gewerkschaften auf die Straßen treibt. Im Juni äußerte er sich kritisch zu dem „kostspieligen, ungenießbaren und ineffizienten“ sozialen System der Beihilfen und Existenzminima. Die Armen müssten sich nach seiner Auffassung anstrengen und mit mehr Genügsamkeit und Erziehung angeleitet werden, sich selber in Eigenverantwortung aus der (quasi individuell verschuldeten) Armut zu befreien. Deshalb will er die Staatsausgaben bis 2022 um 60 Mrd. € kürzen, insbesondere die die diversen Sozialleistungen und Beihilfen – die Armen als lästiger Kostenfaktor. (Das erinnert an die abfälligen Äußerungen und „erzieherischen Maßnahmen“ seinerzeit von Kanzler Schröder und Wirtschaftsminister Clement in Deutschland gegenüber den „faulen“ Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern bei der Einführung von Hartz IV mitsamt den Sanktionsregeln).

Steuergeschenke

Mit dieser Gesinnung lässt sich kaum ein sozialeres und solidarischeres Europa mit einer steuerlichen Korrektur der ungerechten Armuts-Reichtums-Verteilung in Deutschland und Europa aufbauen, trotz aller Lippenbekenntnisse für eine europäische „Sozialunion“ unlängst in Göteborg. Für diese bedürfte es hinreichender Steuereinnahmen von den Reichen und Konzernen, die weiterhin begünstigt und geschont werden.

Zusammen mit Macron will jedoch der deutsche Finanzminister Olaf Scholz, unterstützt von seinem „Goldman-Sachs-Staatssekretär Jörg Kulies, die verkündete Einführung einer Transaktionssteuer nur auf den Handel von Aktien und einigen Anleihen beschränken, nicht aber von Derivaten. Damit wird die Steuer zu einer bloßen Alibi-Steuer oder zu einem Etikettenschwindel mit Einnahmen von nur 5 bis 7 Mrd. Euro statt erzielbaren 40 bis 50 Mrd. €, wie der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold kritisiert. Zudem hält Scholz an Schäubles Politik der „schwarzen Null“ eisern fest, statt überfällige Investitionen im nötigen Umfang zu ermöglichen.

Handelskrieg

Nach dem Motto seiner Lieblingsautorin Ayn Rand – „Egoismus ist eine Tugend, denn es gibt kein Gemeinwohl, und Altruismus ist ein Übel, das Nationen zerstören kann“ – hat US-Präsident Donald Trump mit seinen protektionistischen Strafzöllen einen internationalen Handelskrieg begonnen, der im Juni zu Gegenreaktionen fast aller Wirtschaftsnationen weltweit und auch der EU geführt hat und dessen Folgen nicht absehbar sind. Zugleich wird seit Juni das Heil des freien Handels in der Wiederbelebung der unfairen und umstrittenen Freihandelsverträge TTIP „light“, CETA, Jefta, TiSA, EPA usw,. gesehen, die gerade von der Zivilgesellschaft teilweise ausgebremst oder abgemildert worden sind. Am Ende wird es nur Verlierer geben und keine Gewinner.

Durch den chauvinistischen Nationalismus weltweit werde der Weltfrieden bedroht, sagte im Juni der scheidende UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad alHussein, in Genf: „Zu viele Regierungen mit selbstsüchtigen und kaltschnäuzigen Führungspersonen täuschten Unterstützung für gemeinsame Ziele vor, kämpften aber nur für eigene Interessen“.

Dieselskandal

Die eigenen Interessen und diejenigen ihrer Aktionäre standen auch im Vordergrund der deutschen Automobilkonzerne, ohne Rücksicht auf die Interessen der Kunden und Käufer oder auf die Gesundheit der von Schadstoffen belasteten und gesundheitlich gefährdeten Menschen – allen voran VW mit staatlicher Beteiligung des Landes Niedersachsen. Nun endlich sind im Juni die millionenfachen Betrügereien nicht als bloße „Schummeleien“, sondern als Menschen gefährdende Straftaten angesehen worden, mit Milliarden-Strafzahlungen, Haftbefehlen und Untersuchungshaft sowie staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die Automanager und Konzernbosse, die zuletzt noch millionenschwere Boni und Gehälter für ihre Geschäftspolitik kassierten – ähnlich wie bei der kriminellen Deutschen Bank, die mittlerweile am Abgrund steht.

Doch die allzu engen Verflechtungen zwischen Autoindustrie und deren Lobby mit den Spitzenpolitikern der Bundes- und Landesregierung bis hinauf zur Kanzlerin haben immer noch nicht dazu geführt, die technischen Nachrüstungen der Dieselautos rechtlich anzuordnen – obwohl die verantwortlichen Minister und Behördenchefs sich dabei hart an der Grenze der „Strafvereitelung im Amt“ bewegen. Solange weiterhin die Menschen in den verkehrsreichen Städten mit Stickoxiden gesundheitlich gefährdet werden, verletzen die Politiker auch ihrem Amtseid, Schaden vom Volk anzuwenden. Dazu gehört schon eine gehörige Portion Skrupellosigkeit und Abgebrühtheit in der lobbyhörigen Regierungszentrale der GroKo, die vielleicht den Sommer nicht mehr übersteht. Einen Toten gibt es schon, glaubt man dem Journalisten Jakob Augstein, der meint, die SPD sei schon tot, sie habe es nur noch nicht gemerkt…

Wilhelm Neurohr

21. 06. 2018

DIE LINKE, Demokratischer Sozialismus, Utopien. Eine Replik

Der »Demokratische Sozialismus« im Programm der Linken wird von einem Sozialdemokraten als Utopie abgetan. „Der politische Kampf für einen demokratischen Sozialismus kann“, behauptet er, „nur zum Verfall der Demokratie und zum Bürgerkrieg in Deutschland führen.“

Selbst wenn humanistische Ideen nicht voll und ganz realisiert werden können oder verfälscht und pervertiert werden wie Buddhas widerspruchsfreie, als authentisch geltende Lehre, der Pali- Kanon, wir würden, gäben wir sie auf, uns selber aufgeben:

Der Stein des Sisyphus rollt immer wieder bergab.
Aber besteht unser Menschsein nicht darin,
dass wir ihn auch immer wieder den Berg hinauftragen,
damit er nicht unten liegen bleibt?

[In Anlehnung an Camus, Le mythe de sisyphe. Essai sur l`absurde]

„Utopie ist `Denken nach Vorn` (Ernst Bloch) als `die Kritik dessen, was ist, und die Darstellung dessen, was sein soll`“ (Max Horkheimer)

Utopien sind Platons »Staat«, die «Politeia« (4. Jh. v.u.Zr.), Thomas Morus` »Utopia« (1516), Kants »Zum ewigen Frieden« (1795/96). Das waren keine wirkungslose Spinnereien.

„Regieren heißt voraussehen.“ (Robert Jungk) Danach können wir mit Robert Habeck sagen: „Wir haben in Wahrheit keine Regierung“ ,   „sondern ein zusammen getackertes Bündnis von Parteien…“, das, statt die systemischen Übel bei den Wurzeln zu packen, den status quo verwaltet.

Politik verstanden als soziales Handeln, welches das Zusammenleben von Menschen so regelt, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Resolution 217 A (III) vom 10.12.1948) formuiert ist.

Heute sind, auch in Deutschland, tiefgreifende Veränderungen des Wirtschafts- und Sozialsystems nötig, um den Menschenrechten Geltung zu verschaffen. Die Koalitionäre der SPD sind dazu nicht fähig und nicht willens, denn die Partei ist vom Wohlwollen und von den Wohltaten der zum Teil transnationalen und globalen Banken und Konzernen ebenso abhängig wie die CDU/CSU und die FDP. Sie ist Teil des neoliberalen Systems. Der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ (GG. Art….) ist nur noch eine Leerformel.

Es ist kein Zufall, dass der entfesselte Kapitalismus gleich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der übrigen europäischen realsozialistischen Staaten seinen Anfang nahm und in das von ihr hinterlassene Machtvakuum stieß.

Dadurch sind fast alle Demokratien ausgehöhlt worden und nur noch formal vorhanden. Die Bundesrepublik ist da keine Ausnahme. In den westlichen Gesellschaften dominiert, wie überall, wo der Kapitalismus herrscht, Konsumismus und Egozentrismus. Im Kapitalismus sind die Sinne des Menschen auf den Sinn des Habens verkümmert (K. Marx, E. Fromm).

Trotzdem sollten wir die Möglichkeit, eine sozialistische Gesellschaft durch einen sozialökologischen Umbau der Produktions- und damit auch der Lebensverhältnisse in vielen kleinen konkreten Schritten zu verwirklichen, nicht ausschließen. Denn wir können heute nicht mehr voraussagen, was morgen geschieht. Trumps infantile Extravaganzen und die Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Roboter und andere neue zivile und militärische Technologien machen eine Prognose unmöglich. Die Digitalisierung kann aber auch eine globale Demokratisierung in Gang setzen.

Die Schüler*innen-Poteste gegen Trump und die Waffenlobby haben gezeigt, wie das geht.

Wilhelm Neurohr: „SPD-Minister der GroKo blockieren erneut wichtige UN-Initiative“

Leserbrief an das Medienhaus Bauer zu der aktuellen Blockade des UN-Paktes für Menschenrechte durch die Bundesregierung:

 „SPD-Minister der GroKo blockieren erneut wichtige UN-Initiative“

Einen Vorgeschmack darauf, was uns von der nochmaligen GroKo in wichtigen politischen Fragen an skandalösen Fehlentscheidungen erwartet, lieferten uns nun zum zweiten Mal die dort zuständigen SPD-Minister mit der erneuten Blockade eines wichtigen UN-Abkommens für die Menschenrechte.

Zur Erinnerung: Erst im vorigen Jahr hatte die GroKo unter dem federführenden SPD-Wirtschaftsminister und späteren Außenminister Sigmar Gabriel  – zusammen mit den Atommächten und den NATO-Staaten – die Unterzeichnung des UN-Atomwaffenverbotsvertrages verweigert und boykottiert, der am 7. Juli 2017 von 122 UN-Mitgliedsstaaten feierlich unterzeichnet wurde. Mit der Ablehnung eines Oppositionsantrages der Grünen und Linken im Bundestag für die Unterzeichnung hatten die Regierungsparteien CDU und SPD sich sogar den bloßen Verhandlungen bei den UN verweigert und obendrein eine Protestnote erwogen, um sich die „Option der nuklearen Teilhabe“ offenzuhalten.  Damit stellten sie sich auch gegen den Willen der Bevölkerung, denn laut Umfragen sprachen sich 70% der Deutschen für das Verbotsabkommen für Atomwaffen aus. Die Initiatoren bei der UN, das involvierte zivilgesellschaftliche Bündnis ICAN, erhielt sogar im Dezember 2017 dafür den Friedensnobelpreis. Alles das interessierte die SPD-Minister der GroKO nicht, deren eigener  Friedennobelpreisträger Willy Brandt als überlebensgroße Statue in der Parteizentrale thront (und sich wahrscheinlich im Grab umdrehen würde…)

Denn nun hat die nur geschäftsführende Bundesregierung, namentlich die zuständigen SPD-Ressortminister in ihren letzten Amtstagen vor der Regierungsneubildung ein weiteres wichtiges Abkommen der Vereinten Nationen abgelehnt.  Mit dem unterschriftsreifen UN-Pakt sollten verbindliche Menschenrechtsnormen für transnationale Konzerne und Unternehmen festgelegt werden, um die Menschen in ärmeren Ländern vor Ausbeutung, Landvertreibung, Korruption oder Bedrohung ihrer Gewerkschaftsvertreter  zu schützen.  Doch SPD-Außenminister Gabriel, unterstützt von dem Ressort Justiz unter SPD-Minister Heiko Maas, dem Ressort Arbeit und Soziales unter SPD-Ministerin Andrea Nahles (designierte SPD-Vorsitzende) sowie dem CSU-geführten Entwicklungsministerium lehnten das einhellig ab. Sie  beharren im Interesse der eigenen Wirtschaft  auf bloße „freiwillige Selbstverpflichtungen“ der Konzerne, die bisher so gut wie nie wirklich funktioniert  haben, wie die vielen skandalösen Menschenrechtsverletzungen der jüngsten Zeit zeigen. Offensichtlich haben  die Konzernlobbyisten wieder einmal Gehör bei unserer Regierung gefunden, zu Lasten der oft rechtlosen Arbeitnehmer und Betroffenen in den ärmeren und teils korrupten Ländern.

Offenbar sind für die SPD-Spitzenpolitiker in einer „marktkonformen Demokratie“ sogar die Menschenrechte „verhandelbar“. Jedenfalls wollen Sie auch die anderen EU-Länder auf diese Verhandlungslinie bringen. Wir ahnen nun, was sie unter „inhaltlicher Neuausrichtung sozialdemokratischer Politik“ verstehen oder missverstehen. Wenn die Parteibasis bei ihrer Forderung nach „inhaltlicher und personeller Neuausrichtung“ ihre Parteioberen dafür nicht abstraft, dann wird wohl die älteste Partei Deutschlands durch die Wähler insgesamt weiter abgestraft werden.

Wilhelm Neurohr, Haltern am See. NRW

BUCHTIPP: Jean Ziegler: Der schmale Grat der Hoffnung. Meine gewonnenen und verlorenen Kämpfe und die, die wir gemeinsam gewinnen werden

Klappentext:

Seit vielen Jahren setzt sich Jean Ziegler im Auftrag der Vereinten Nationen mit all seinen Kräften für die Menschen ein, die Frantz Fanon die Verdammten der Erde genannt hat. Zunächst als UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, dann als Vize-Präsident des Beratenden Ausschusses des Menschenrechtsrats kämpft er gegen Hunger und Unterernährung, für Menschenrechte, für Frieden.

Von diesen Kämpfen, seinen Erfolgen – aber auch den Niederlagen – berichtet Jean Ziegler aus unmittelbarer Erfahrung, beleuchtet die imperialen Machenschaften hinter den demokratischen Kulissen, analysiert die Strategien der Beutejäger des globalisierten Finanzkapitals. In Sieg und Niederlage fragt sich der unversöhnliche Zeitzeuge angesichts der mörderischen Spiele der Mächtigen dieser Welt: Was können wir tun, damit die von Roosevelt und Churchill inspirierte Vision einer Weltorganisation politische Praxis wird und die Vereinten Nationen instand gesetzt werden, den Frieden, die Menschenrechte und den Völkern der Welt ein Existenzminimum zu sichern?

Nicht zuletzt übermittelt uns der unbeirrbare Streiter für Recht und Gerechtigkeit mit diesem lebendigen, leidenschaftlichen und sehr persönlichen Buch eine Botschaft der Hoffnung

C. Bertelsmann Verlag (13. März 2017), gebundene Ausgabe: 320 Seiten – EUR 19,99

ISBN-10: 3570103285 ·  ISBN-13: 978-3570103289

Siehe auch: Jean Ziegler „Der planetarische Klassenkampf ist in der Endphase“

Der Soziologe und Autor Jean Ziegler über die „kannibalische Weltordnung“ und die „Proto-Faschisten der AfD“.  Interview in der Frankfurter Rundschau vom 27.03.2017.

Reinhard Merkel: Syrien – Der Westen ist schuldig

Syrien – Der Westen ist schuldig

Wie hoch darf der Preis für eine demokratische Revolution sein? In Syrien sind Europa und die Vereinigten Staaten die Brandstifter einer Katastrophe. Es gibt keine Rechtfertigung für diesen Bürgerkrieg.

von Reinhard Merkel

Der Westen, wenn diese etwas voluminöse Bezeichnung gestattet ist, hat in Syrien schwere Schuld auf sich geladen – nicht, wie oft gesagt wird, weil er mit seiner Unterstützung des Widerstands gegen eine tyrannische Herrschaft zu zögerlich gewesen wäre, sondern im Gegenteil: weil er die illegitime Wandlung dieses Widerstands zu einem mörderischen Bürgerkrieg ermöglicht, gefördert, betrieben hat. Mehr als hunderttausend Menschen, darunter Zehntausende Zivilisten, haben diese vermeintlich moralische Parteinahme mit dem Leben bezahlt. Und es werden viel mehr sein, wenn dieser Totentanz irgendwann ein Ende findet.

Diese Strategie ist eine Variante dessen, was seit der Invasion des Irak vor zehn Jahren „demokratischer Interventionismus“ heißt: das Betreiben eines Regimewechsels mit militärischen Mitteln zum Zweck der Etablierung einer demokratischen Herrschaft. Im Irak besorgten die Invasoren das eigenhändig. Der Kriegsgrund wurde, wie wir wissen, zwischendurch umstandslos ausgewechselt: Waffen hin oder her – jedenfalls befreie man ein unterdrücktes Volk. Auch dieses Ziel rechtfertige den Angriff.

Die verwerflichste Spielart

Was in Syrien geschieht, ist eine dem Anschein nach mildere Form des Eingriffs, da sie den Sturz des Regimes dessen innerer Opposition überlässt, die von außen nur aufgerüstet – und freilich auch angestiftet – wird. In Wahrheit ist sie die verwerflichste Spielart: nicht so sehr, weil sie neben dem Geschäft des Tötens auch das Risiko des Getötetwerdens anderen zuschiebt. Eher schon, weil sie die hässlichste, in jedem Belang verheerendste Form des Krieges entfesseln hilft: den Bürgerkrieg.

Jedenfalls übernehmen die Intervenierenden die vermeintliche und absurde Rolle von Unschuldigen. Es ist ein suggestives Herabsetzen der Legitimationsschwelle für das eigene Handeln vor den Augen der Welt: Wir sind es nicht, die in Syrien töten; wir helfen nur einem unterdrückten Volk. So lässt sich offenbar eine Aura des Moralischen erschleichen. Rätselhaft ist, dass dies ohne nennenswerten Widerspruch gelingt.

Soweit ich sehe, ist schon die Grundfrage kaum gestellt, geschweige denn beantwortet worden: die nach der Legitimität der bewaffneten Rebellion in Syrien. Bei welchem Grad der Unterdrückung darf der berechtigte Widerstand gegen dessen Herrschaft zum offenen Bürgerkrieg übergehen? Und war diese Schwelle in Syrien erreicht, als die Unruhen begannen?

Die Lebens- und Leidenskosten

Denn war sie es nicht, dann war das Anheizen des Aufstands von außen verwerflicher noch als dieser selbst. Wie selbstverständlich scheint man vorauszusetzen, der legitime innere Widerstand gegen einen Diktator wie Assad schließe stets die Erlaubnis zur Gewalt ein. Aber das ist falsch. Diskutabel wäre es allenfalls, wenn dabei nur das Verhältnis der Rebellierenden zu ihrem Unterdrücker und dessen Machtapparat im Spiel wäre. Dann ginge es allein um eine Art kollektiver Notwehr, und deren Rechtfertigung mag, je nach Art der attackierten Diktatur, ohne weiteres begründbar sein…

→  http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/syrien-der-westen-ist-schuldig-12314314-p5.html?printPagedArticle=true#pageIndex_5

Warum kandidiert Prof. Dr. Christoph Butterwegge für das Amt des Bundespräsidenten? Wer ist Butterwegge?

 Agenda der Solidarität für eine inklusive Gesellschaft

Prof. Dr. Christoph Butterwegge ist der Kandidat der LINKEN für das Amt des Bundespräsidenten

Am 12. Februar 2017 wählt die 16. Bundesversammlung einen neuen Bundespräsidenten. Die Bundesversammlung ist ein nichtständiges Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland, dessen einzige Aufgabe es ist, den Bundespräsidenten zu wählen. Die 16. Bundesversammlung besteht aus den 630 Mitgliedern des Deutschen Bundestages und einer gleichen Zahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden – insgesamt also aus 1.260 Mitglieder. DIE LINKE ist durch 94 Mitglieder in der 16. Bundesversammlung vertreten. Professor Christoph Butterwegge bewirbt sich für DIE LINKE um das Amt des Bundespräsidenten.

Beweggründe von Christoph Butterwegge für die Bewerbung um das Bundespräsidentenamt

Mit meiner Kandidatur möchte ich die Öffentlichkeit für soziale Probleme sensibilisieren, denn obwohl die Gesellschaft immer stärker auseinanderfällt, nimmt das Establishment diesen Polarisierungsprozess nicht oder falsch wahr. Außerdem möchte ich der weiteren Zerstörung des Wohlfahrtsstaates durch neoliberale Reformen entgegentreten – gerade wird die Privatisierung der Autobahnen und damit ein neuerlicher Höhepunkt der Ökonomisierung und Kommerzialisierung aller Lebensbereiche vorbereitet – sowie jenen Teilen der Bevölkerung eine politische Stimme geben, die immer stärker ausgegrenzt werden. weiterlesen

Pressekonferenz mit Christoph Butterwegge

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie den Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch am 21. November 2016 hat Christoph Butterwegge über die Beweggründe für seine Bewerbung gesprochen. Hier das Video.

Links

www.christophbutterwegge.de

www.linksfraktion.de/…/bundesversammlung-2017

Rückblick: Christoph Butterwegge im DISPUT

https://www.die-linke.de/die-linke/wahlen/bundespraesidentenwahl-2017/

 

Deutsche Auswanderer, deutsche Kolonialherrschaft

Es sollte daran erinnert werden, dass auch Deutsche, die, weil sie politisch oder religiös verfolgt wurden oder aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen in Gruppen ausgewandert sind, einen Teil ihrer Heimat mitgenommen haben, ihre Gewohnheiten, ihre Kultur: ihre Sprache, ihre Religion, ihre Sitten und Gebräuche, ihre Architektur. Und überall, wo sie sich gruppenweise angesiedelt haben, haben deutsche Immigranten sich nicht an die vorgefundenen Verhältnisse angepasst, sich integriert oder gar assimiliert, sondern – nach heutigem Sprachgebrauch – Parallelgesellschaften gebildet, vor allem in den USA (Bsp. Germantown, heute ein Vorort von Philadelphia), in Afrika, in Afrika, in Russland.

Und erinnern wir uns an die gewaltsame Besitznahme, an den Landraub deutscher Kolonisatoren besonders in Afrika, wo die indigene Bevölkerung teilweise von Deutschen betrogen, enteignet, vertrieben, ermordet oder versklavt und zwangschristianisiert worden ist und wo purer Rassismus geherrscht hat. →  https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Kolonien#Strukturbedingungen_in_den_deutschen_Kolonien

Das hat sich im kollektiven Gedächtnis von Nachfahren der „Eingeborenen“ traumatisch eingeprägt.