Stefan Klein: „Wie wir die Welt verändern – Eine kurze Geschichte des menschlichen Geistes“. Rezension

    Stefan Klein bürstet unsere Denkgewohnheiten gegen den Strich, so, dass uns die Haare zu Berge stehen, und wir anfangen, alles, was uns als selbstverständlich erscheint, zu hinterfragen.

    Sein Buch ist am 10.März erschienen. Ich las in der FR eine Rezension von Arno Widmann.

    Er schreibt: „Stefan Klein weckt meinen Widerspruchsgeist, er treibt mich zum Nachdenken. Aber vor allem liebe ich die Geschichten, die er erzählt. Zum Beispiel die von den Schimpansinnen Sarah und Sheba, die lernten, mit Symbolen umzugehen, mit ihnen zu rechnen und zu denken. Das ist eine großartige Passage. Sie ist es vor allem darum, weil Klein sich zwar die Zeit nimmt, uns die Experimente so genau zu erzählen, dass wir sie verstehen können, aber darüber keine Sekunde aus den Augen verliert, warum er es tut. (…) Und wie verändern wir die Welt? Klein hat kein Revolutionshandbuch geschrieben, keine Gebrauchsanweisung, wie wir die Welt verändern können. Sein Buch beschreibt, wie wir die Welt verändernd wahrnehmen, wie wir sie wahrnehmend verändern.“

   Er beschreibt die Intelligenz der Tiere, wie sie miteinander kommunizieren, Kultur entwickeln, lange bevor es Hominiden gab; wie sie Grund legende Techniken erfinden, die Basis für frühe Kunst und Wissenschaften und deren Anwendung bis zu Einstein, Freud, künstlicher Intelligenz, Roboter und Drohnen, die sich verselbständigen können.

    Er denkt in multikausalen Zusammenhängen, sieht alles mit allem verbunden: Mensch, Tier, die belebte und die unbelebte Natur.

S. FISCHER- Verlag, Frankfurt am Main. März 2021

272 Seiten. Illustriert. € (D)  gebunden 21,00,  eBook 16,99 €

Maja Göpel: „Unsere Welt neu denken: Eine Einladung“ (Rezension)

Lb-Mhs. Bauer, Marl, Corona-Pandemie-Kritik, 07.04.2020
Am 7. April 2020 in den Zeitungen des Medienhauses Bauer, Marl

Rezension Maja Göpel ´Unsere Welt neu denken` beim Mhs, Bauer, Marl, 09.04,2020
Gebundene Ausgabe € 17,99,  E-Book € 16,99

Cover Maja Göpel

Klappentext: Maja Göpel ´Unsere Welt neu denkern`- Klappentext
Klappentext

Die Ereignisse überschlagen sich derart, dass Maja Göpels Buch überholt zu sein scheint. Als sie es schrieb – es erschien am 28. Februar 2020 –, war die Corona-Pandemie noch nicht ausgebrochen.

Nach heutiger Kenntnis ist das Virus erstmals Ende Dezember 2019 in einer chinesischen Großstadt von Fledermäusen und beim Handel mit lebenden Tieren auf Menschen übertragen worden. Es hat sich rapide zu einer Pandemie entwickelt und sich weltweit ausgebreitet.

Maja Göpels Buch ist dennoch hochaktuell. Die junge (* 1976) Transformationsforscherin, Politökonomin, Nachhaltigkeitswissenschaftlerin und Hochschullehrerin hat ein immenses Wissen, denkt systemisch und ökologisch. Sie hinterfragt die weltweiten Krisen in Umwelt und Gesellschaft: „Sie offenbaren, wie wir mit uns und dem Planeten umgehen, auf dem wir leben.“ Wenn wir diese Krisen meistern wollen, schreibt sie, „müssen wir uns die Regeln bewusst machen, nach denen wir unser Wirtschaftssystem aufgebaut haben. Erst wenn wir sie erkennen, können wir sie auch verändern – und unsere Freiheit zurückgewinnen.“

Maja Göpel ist weltweit vernetzt und in vielen internationalen wissenschaftlichen und politischen Gremien und auf Kongressen aktiv. Sie hat sich der von Greta Thunberg gegründeten Klimaschutzbewegung „ Fridays for Future“ angeschlossen und scheut sich nicht, auch auf der Straße, in Berlin vor dem Bundestag und in Washington vor dem Weißen Haus  zu demonstrieren.

Ihr Buch hat mir viele neue Erkenntnisse gebracht und lauter Aha-Erlebnisse.

Ihr Scharfsinn und ihr kritischer Blick, ihre ganzheitliche Sicht, ihre Fähigkeit, so zu schreiben, dass nahezu alle, die lesen können, sie verstehen, sogar Teenager, sind unübertroffen. Nur so können möglichst viele Menschen erreicht und motiviert werden.

Der Versand des Buches hatte sich durch die Corona-Kontaktsperre verzögert. Ich kenne die berechtigte Kritik an dem Konzern. Aber betrifft das nicht das gesamte kapitalistische System? Die Digitalisierung („KI“) könnte – das hält auch Maja Göpel*) für möglich – den Kapitalismus vollkommen transformieren und völlig neue Verhältnisse schaffen, demokratische.

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->  https://de.wikipedia.org/wiki/Maja_G%C3%B6pel

[Unsere Welt neu denken: Eine Einladung, Berlin 2020]

 

 

»Alt werden und jung bleiben. Eine kleine Philosophie des Alterns« – Neueste Fassung abrufbar

Die neueste Fassung ist jetzt abrufbar!

Coverbild von Stahlbaums 13. eBook

Meine Frau hat nochmals gegengelesen und ich habe ein paar Fehler korrigiert.

Vollkommen überarbeitet und mit weiteren Kapiteln ergänzt:

Mein letztes, das 13. eBook mit Notizen, Berichten, Aphorismen, Kurzprosa und zeitkritischen Aufzeichnungen kann hier → https://www.bookrix.de/_ebook-dietrich-stahlbaum-alt-werden-und-jung-bleiben/ für 4,99 € erworben und auf jeden PC und jedes Lesegerät heruntergeladen werden.

»Alt werden und jung bleiben. Eine kleine Philosophie des Alterns –
Notizen, Berichte, Aphorismen, Kurzprosa und zeitkritische Aufzeichnungen eines alten Mannes«

 Klappentext:

     Ich alter Mann (+–93…) könnte sagen: “Mich geht das nichts mehr an. Ich habe mein Leben gelebt. Macht doch, was ihr wollt!“

Das will ich nicht, denn solange ich anderen Menschen, jungen und alten, Mut machen kann, den Widrigkeiten des Alltags zu widerstehen und das gegenwärtige Weltgeschehen rational, nüchtern und vernünftig zu betrachten, ohne depressiv zu werden, kann ich mich nicht wegducken.

Deshalb sage / schreibe, berichte ich, was ich erlebt habe, gehbehindert und mit einem “Klotz am Bein“, einem Urinbeutel mit Bauchkatheder, wie ich damit umgehe, und sage / schreibe, was ich wahrnehme und denke, z. B. über  Religionen, Kirchen, „Künstliche Intelligenz“ (KI), Greta Thunberg und Mutter Teresa. Auch der Humor kommt nicht zu kurz.

Ein Erlebnis, das mich sehr bewegt hat, war der unerwartete Besuch eines vietnamesischen Freundes aus Hanoi und seiner Frau. Dazu Fotos und Facebook-Beiträge auf Vietnamesisch. Sein Vater war Việt Minh-Soldat und hat 1953-54 in Dien Bien Phu gegen die französische Kolonialarmee gekämpft. Ich war am 5. und 6. Dezember 1953 als Dispatcher in der Stabskompanie des 1. Bataillons der französischen Fremdenlegion (1. BEP) ebenfalls in Dien Bien Phu.

Die Vergangenheit ist nach meinem Verständnis stets gegenwärtig und wirkt in die Gegenwart hinein. Auch das versuche ich in diesem eBook zu vermitteln.

In einem Nachtrag ein paar Worte über seine Entstehung mit einer Würdigung meines Freundes Wolfgang Beutin (seit 1962), seiner Frau Heidi und ihres Sohnes Lorenz Gösta.

Das Buch „wächst“. Hinzu gekommen sind:

ein ergänzender Kommentar des ehemaligen VHS-Direktors Richard Paetzold zum Geschichtswerk »100 Jahre Volkshochschule Recklinghausen« seines nachfolgenden Kollegen Jürgen Pohl.

Paetzold erwähnt die kulturpolitischen Aktivitäten der VHS, des Kulturamtes, der Ruhrfestspielverwaltung und des DGB in den 74er und 80er Jahren.

VHS-Gruppen sahen die Eigeninszenierungen der Ruhrfestspiele, die Kunstausstellungen und diskutieren mit Theaterfachleuten. Daran waren partei- und bildungspolitisch interessierte Bürger*innen ebenso wie Arbeiter*innen beteiligt.

1974 saßen acht Arbeiter*innen auf dem Podium, darunter Mitglieder der DKP. Sie prangerten sozial- und kulturpolitische Missstände an und bestanden auf dem demokratischen Recht aller, eben auch der „Malocher*innen“, aktiv am Kulturleben teilzunehmen, es mitzugestalten.

Hiernach folgen

ein Beitrag über Deutsche mit „Migrationshintergrund“, Einwanderer seit dem Mittelalter, zwei konträre Krankengeschichten und zum Schluss „Gemischtes und Gereimtes“ (mit einigen Fotos).

Probleme aussitzen und verdrängen, existenzielle Fragen nicht beantworten: Bundesregierung in der Bredouille

Die Recklinghäuser Zeitung berichtete am 11. 06. 2019 unter der Schlagzeile „Die Fehler der Konzerne“: „Zehntausende Stellen sollen in NRW wegfallen. Unter Druck durch Globalisierung und Digitalisierung haben die Firmen Fehler gemacht.“

Auf dieses Problem, eigentlich auf einen ganzen Komplex von Problemen habe ich vor einem Jahr im Februar in einem Leserbrief an das Medienhaus Bauer, Marl, und an die Frankfurter Zeitung aufmerksam gemacht und die Verantwortung dafür vor allem der GroKo zugeschrieben. Beide Leserbriefe wurden, in wesentlichen Punkten gekürzt, abgedruckt. Und es erschien auch keine Reaktion darauf. Hier der Text:

                                 Eine Runderneuerung mit gravierenden Mängeln.
Die GroKo und ihr Vertrag

Leserbrief an das Medienhaus Bauer, Marl, und an die Frankfurter Rundschau zum GroKo-Vertrag vom 7. Februar 2018:

Eine weitere Groko? Das wäre eine Runderneuerung mit gravierenden Mängeln: Zum Beispiel fehlen im Koalitionsvertrag Hinweise auf die negativen Folgen der Digitalisierung. Existentielle Fragen, die sich daraus ergeben, werden nicht beantwortet. (Kapitel IV.5. „Digitalisierung“ und V.1. „Gute Arbeit“ (S. 37, 50 im Entwurf).

Nach einer Umfrage des IT-Verbands Bitkom unter 500 deutschen Unternehmen werden in Deutschland rund 3,4 Millionen Stellen allein in den kommenden fünf Jahren weg fallen, weil Roboter oder Algorithmen die Arbeit übernehmen. (FAZ, 02.02.2018) Viele Aufgaben können heute leicht zerlegt und über Internetplattformen verteilt werden – ohne feste Arbeitsverträge.

Ein Manager der Plattform Crowdflower: „Bevor es das Internet gab, wäre es sehr schwierig gewesen, jemanden zu finden, der zehn Minuten für einen arbeitet und den man, nachdem er diese zehn Minuten gearbeitet hat, wieder entlassen kann.“ (ZEIT ONLINE, 21.1.2016)

Heimarbeit auf Abruf – wo sie am billigsten ist, in Asien zum Beispiel.

Unter der Digitalisierung am meisten leiden werden jedoch Menschen, die dort heute noch unsere Schuhe und Kleidung, Smartphones, Spielzeug etc. anfertigen. Die Automatisierung wird sie massenhaft arbeitslos machen.
Gravierend sind auch die sozialpsychologischen Folgen: Immer mehr Berufstätige werden an Burn-out, Erschöpfungssyndromen, stressbedingten Erkrankungen, an sozialer Entfremdung und Isolation leiden.

Die Digitalisierung wird unsere gesamte Arbeits- und Lebenswelt völlig verändern, auch den Menschen; sie wird vor allem die heranwachsenden Generationen vor Probleme stellen, die nicht mehr zu lösen sind.

Währenddessen driftet unsere Gesellschaft immer weiter auseinander. Eine weitere GroKo wird das nicht ändern. Denn mit den kleinen, systemimmanenten Korrekturen ihres Programms kann sie ihrer Klientel Sand in die Augen streuen, aber nicht die politischen Voraussetzungen für eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen in Deutschland schaffen.

Am 15. Februar in der Frankfurter Rundschau und am 21. gekürzt in den Zeitungen des Medienhauses Bauer. Herausgenommen wurden die meines Erachtens ebenso wichtigen Sätze „Viele Aufgaben können heute leicht zerlegt und über Internetplattformen verteilt werden – ohne feste Arbeitsverträge.“

Ein Manager der Plattform Crowdflower: „Bevor es das Internet gab, wäre es sehr schwierig gewesen, jemanden zu finden, der zehn Minuten für einen arbeitet und den man, nachdem er diese zehn Minuten gearbeitet hat, wieder entlassen kann.“ (ZEIT ONLINE, 21.1.2016)

Heimarbeit auf Abruf – wo sie am billigsten ist, in Asien zum Beispiel.

Unter der Digitalisierung am meisten leiden werden jedoch Menschen, die dort heute noch unsere Schuhe und Kleidung, Smartphones, Spielzeug etc. anfertigen. Die Automatisierung wird sie massenhaft arbeitslos machen.

DIE LINKE, Demokratischer Sozialismus, Utopien. Eine Replik

Der »Demokratische Sozialismus« im Programm der Linken wird von einem Sozialdemokraten als Utopie abgetan. „Der politische Kampf für einen demokratischen Sozialismus kann“, behauptet er, „nur zum Verfall der Demokratie und zum Bürgerkrieg in Deutschland führen.“

Selbst wenn humanistische Ideen nicht voll und ganz realisiert werden können oder verfälscht und pervertiert werden wie Buddhas widerspruchsfreie, als authentisch geltende Lehre, der Pali- Kanon, wir würden, gäben wir sie auf, uns selber aufgeben:

Der Stein des Sisyphus rollt immer wieder bergab.
Aber besteht unser Menschsein nicht darin,
dass wir ihn auch immer wieder den Berg hinauftragen,
damit er nicht unten liegen bleibt?

[In Anlehnung an Camus, Le mythe de sisyphe. Essai sur l`absurde]

„Utopie ist `Denken nach Vorn` (Ernst Bloch) als `die Kritik dessen, was ist, und die Darstellung dessen, was sein soll`“ (Max Horkheimer)

Utopien sind Platons »Staat«, die «Politeia« (4. Jh. v.u.Zr.), Thomas Morus` »Utopia« (1516), Kants »Zum ewigen Frieden« (1795/96). Das waren keine wirkungslose Spinnereien.

„Regieren heißt voraussehen.“ (Robert Jungk) Danach können wir mit Robert Habeck sagen: „Wir haben in Wahrheit keine Regierung“ ,   „sondern ein zusammen getackertes Bündnis von Parteien…“, das, statt die systemischen Übel bei den Wurzeln zu packen, den status quo verwaltet.

Politik verstanden als soziales Handeln, welches das Zusammenleben von Menschen so regelt, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Resolution 217 A (III) vom 10.12.1948) formuiert ist.

Heute sind, auch in Deutschland, tiefgreifende Veränderungen des Wirtschafts- und Sozialsystems nötig, um den Menschenrechten Geltung zu verschaffen. Die Koalitionäre der SPD sind dazu nicht fähig und nicht willens, denn die Partei ist vom Wohlwollen und von den Wohltaten der zum Teil transnationalen und globalen Banken und Konzernen ebenso abhängig wie die CDU/CSU und die FDP. Sie ist Teil des neoliberalen Systems. Der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ (GG. Art….) ist nur noch eine Leerformel.

Es ist kein Zufall, dass der entfesselte Kapitalismus gleich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der übrigen europäischen realsozialistischen Staaten seinen Anfang nahm und in das von ihr hinterlassene Machtvakuum stieß.

Dadurch sind fast alle Demokratien ausgehöhlt worden und nur noch formal vorhanden. Die Bundesrepublik ist da keine Ausnahme. In den westlichen Gesellschaften dominiert, wie überall, wo der Kapitalismus herrscht, Konsumismus und Egozentrismus. Im Kapitalismus sind die Sinne des Menschen auf den Sinn des Habens verkümmert (K. Marx, E. Fromm).

Trotzdem sollten wir die Möglichkeit, eine sozialistische Gesellschaft durch einen sozialökologischen Umbau der Produktions- und damit auch der Lebensverhältnisse in vielen kleinen konkreten Schritten zu verwirklichen, nicht ausschließen. Denn wir können heute nicht mehr voraussagen, was morgen geschieht. Trumps infantile Extravaganzen und die Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Roboter und andere neue zivile und militärische Technologien machen eine Prognose unmöglich. Die Digitalisierung kann aber auch eine globale Demokratisierung in Gang setzen.

Die Schüler*innen-Poteste gegen Trump und die Waffenlobby haben gezeigt, wie das geht.

Seehofers Biertisch- und Weißwurstdisput

„Historiker: Islam hat hiesige Kultur geprägt“

Mit Blick auf die Äußerungen des neuen Innenministers Horst Seehofer (CSU) hat der Mittelalterhistoriker Michael Borgolte den Beitrag des Islams zur hiesigen Kultur betont. Dieser Beitrag sei „geradezu grundlegend“, sagte der emeritierte Mediävist der Berliner Humboldt-Universität dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Es waren Araber und Syrer muslimischen Glaubens, die große Teile der Werke antiker griechischer Naturwissenschaft und Philosophie retteten, übersetzten und kommentierten und diese damit der lateinischen Welt des westlichen Europa überlieferten.“

Der wissenschaftliche Aufbruch des hohen Mittelalters, der die Voraussetzungen für die moderne Welt geschaffen habe, beruht nach Ansicht Borgoltes auf diesen Leistungen muslimischer Gelehrter. Deutschland als Teil des westlichen Europas habe dem Islam seit dem Mittelalter „Unschätzbares“ zu verdanken, sagte der Historiker, der auch mit der Gründung des Instituts für Islamische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität beauftragt ist.

[Aus: Islam-Debatte: »Experten warnen und widersprechen Seehofer« in: MIGAZIN 19.03.2018

„Historiker: Islam hat hiesige Kultur geprägt“

Diese Überschrift ist irreführend und wohl kaum ein wörtliches Zitat von Prof. Borgolte. Darauf deutet das Zitat im Text: „Es waren Araber und Syrer muslimischen Glaubens, die große Teile der Werke antiker griechischer Naturwissenschaft und Philosophie retteten, übersetzten und kommentierten und diese damit der lateinischen Welt des westlichen Europa überlieferten.“

Ich habe Jim al-Kahlil: »Im Haus der Weisheit….« gelesen und kann bestätigen, dass die Ansichten des Autors auf jahrelanger intensiver Quellenforschung beruhen und in einem umfangreichen Anhang belegt werden. Dazu ein Leserbrief, 2014 veröffentlicht:

„Das Christliche Abendland“ – eine Legende (Leserbrief)

Im 8. Jahrhundert entstand in Bagdad eine von Muslimen initiierte und finanzierte Übersetzungsbewegung, an der auch Juden und Christen beteiligt wurden. Dort wurde nahezu das gesamte Wissen und Denken der damaligen Zeit zusammengetragen und ins Arabische übersetzt, um es kritisch bewerten, weiterentwickeln und anwenden zu können. So sind die philosophischen und naturwissenschaftlichen Werke (Mathematik, Geometrie, Astronomie, Medizin, Technik) aus dem antiken Griechenland, aus Persien und Indien über das islamische Spanien in das von Analphabeten und Halbalphabeten beherrschte „Abendland“ gelangt.*)

Der bekannteste von diesen war ein fränkischer König namens Karl, der zwar lesen, aber trotz aller Bemühungen nicht schreiben konnte. Seine Gier nach Macht, Reichtum und Ruhm trieb ihn von einem Krieg zum anderen, trieb ihn zu äußerster Grausamkeit bis zum Massenmord von „Heiden“, die sich einer Zwangschristianisierung verweigerten. Zum Dank dafür krönte ihn am 25. Dezember des Jahres 800 u. Z. der Papst zum Kaiser. Im „christlichen Abendland“ feiert man ihn heute noch als den „Vater Europas“ und nennt ihn Karl der Große! – **)

Liebe Muslimas und Muslime, es ist ein Agnostiker und Atheist, der auch euch an die Blütezeit des Islams erinnert. Am Anfang des Korans heißt es: „iqra!“ (Lies, bilde dich!). Heute, im 21. Jahrhundert, bedarf es, um Wissen und Weisheit zu erlangen, einer säkularen und universellen Bildung – jenseits aller Religionen.

*) Quellen: Jim al-Kahlil: »Im Haus der Weisheit. Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur«, S. Fischer Verlag, 3. Aufl. 2012 und Rolf Bergmeier: »Christlich-abendländische Kultur. Eine Legende. Über die antiken Wurzeln, den verkannten arabischen Beitrag und die Verklärung der Klosterkultur«, Alibri-Verlag 2014. **) Arte-Doku-Film, 27.12.2014

Dietrich Stahlbaum, Recklinghausen

Am 30. 12. 2014 leicht gekürzt in der Frankfurter Rundschau und am 31. 12. 2014 in den Zeitungen des Medienhauses Bauer vollständig veröffentlicht.

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Die Frage, was kulturell zu Deutschland gehört und was nicht, ist heute, im 21. Jahrhundert, obsolet; sie ist absurd und infolgedessen falsch.
Minister Seehofer hat da einen Biertisch- und Weißwurstdisput befeuert, den auch ein Bergbauernbub nur belächeln kann, wenn er ein Laptop und ein Smartphone besitzt und benutzt, um Weltmusik zu hören und an der globalen Kultur teilzuhaben, – um sich Wissen, Bildung anzueignen.
Das war noch im 19. Jahrhundert fast ausschließlich ein Privileg der „Eliten“, der Wohlhabenden und der ganz Reichen. Sie konnten an Universitäten lernen und lehren, sich die Weltliteratur erschließen und auf großen Reisen die Vielfalt der Kulturen erkunden.
Heute können alle, die nicht auf den Kopf gefallen sind und nicht in prekären Verhältnissen leben, sich eine weltumfassende und allseitige Bildung aneignen. Voraussetzung dazu sind Interesse und Weltoffenheit. Dies gehört zu den positiven Seiten der Digitalisierung.

BUCHTIPP: Jean Ziegler: Der schmale Grat der Hoffnung. Meine gewonnenen und verlorenen Kämpfe und die, die wir gemeinsam gewinnen werden

Klappentext:

Seit vielen Jahren setzt sich Jean Ziegler im Auftrag der Vereinten Nationen mit all seinen Kräften für die Menschen ein, die Frantz Fanon die Verdammten der Erde genannt hat. Zunächst als UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, dann als Vize-Präsident des Beratenden Ausschusses des Menschenrechtsrats kämpft er gegen Hunger und Unterernährung, für Menschenrechte, für Frieden.

Von diesen Kämpfen, seinen Erfolgen – aber auch den Niederlagen – berichtet Jean Ziegler aus unmittelbarer Erfahrung, beleuchtet die imperialen Machenschaften hinter den demokratischen Kulissen, analysiert die Strategien der Beutejäger des globalisierten Finanzkapitals. In Sieg und Niederlage fragt sich der unversöhnliche Zeitzeuge angesichts der mörderischen Spiele der Mächtigen dieser Welt: Was können wir tun, damit die von Roosevelt und Churchill inspirierte Vision einer Weltorganisation politische Praxis wird und die Vereinten Nationen instand gesetzt werden, den Frieden, die Menschenrechte und den Völkern der Welt ein Existenzminimum zu sichern?

Nicht zuletzt übermittelt uns der unbeirrbare Streiter für Recht und Gerechtigkeit mit diesem lebendigen, leidenschaftlichen und sehr persönlichen Buch eine Botschaft der Hoffnung

C. Bertelsmann Verlag (13. März 2017), gebundene Ausgabe: 320 Seiten – EUR 19,99

ISBN-10: 3570103285 ·  ISBN-13: 978-3570103289

Siehe auch: Jean Ziegler „Der planetarische Klassenkampf ist in der Endphase“

Der Soziologe und Autor Jean Ziegler über die „kannibalische Weltordnung“ und die „Proto-Faschisten der AfD“.  Interview in der Frankfurter Rundschau vom 27.03.2017.

Die kulturelle Globalisierung, der „Islam als Geburtshelfer Europas“ und Deutschlands Kleinbürgertum

Die kulturelle Globalisierung gibt es ebenso lange wie die wirtschaftliche: Kulturgüter (Kunst, Wissen, religiöse Vorstellungen, Wertvorstellungen, Philosophien), ganze Kulturen z. B. aus Asien gelangten bereits seit 115 vor unserer Zeitrechnung auf Handelswegen nach Europa (Seidenstraße) und haben die so genannte christlich-abendländische Kultur mitgeprägt. Ebenso arabische Muslime https://stahlbaumszeitfragenblog.wordpress.com/2015/08/14/das-christliche-abendland-eine-legende-leserbrief/

Während im 9. Jahrhundert, als Karl, der heute zu Unrecht als “der Große“ gefeiert wird, massenweise Sachsen abschlachten ließ, und im Abendland ein geozentrisches Weltbild herrschte, die Erde als Scheibe angenommen wurde, wussten Araber, Muslime, längst, dass nicht die Erde Mittelpunkt des Universums ist, sondern die Sonne. Damals gab es eine arabisch-muslimische Hochkultur, die im Laufe der Jahrhunderte auf den heutigen Zustand heruntergekommen ist. Später „vermittelten [Muslime] den Christen die Errungenschaften antiker und orientalischer Gelehrsamkeit“. „Der Islam“ gilt heute „als Geburtshelfer Europas.“

Grundlagen heutiger Wissenschaften und des philosophischen Denkens in Europa, in Deutschland stammen von Arabern, z. B. unser Zahlensystem. Wir rechnen in arabischen Ziffern. In unserer Sprache gibt es viele Worte, die aus dem Arabischen abgeleitet sind: Admiral, Alkohol, Arsenal, Magazin, Matratze… bis Zenit und Ziffer. Unsere Kultur hat viele außereuropäische Wurzeln. Daran sollten wir uns erinnern.

Kulturen, die sich nicht öffnen und weiterentwickeln, die in ihren Traditionen verharren, verkümmern, sterben ab. Schützenvereinen und anderen Traditionsverbänden, die Althergebrachtes pflegen, fehlt der Nachwuchs. Die Jugend ist größtenteils multikulturell interessiert und hat über alle ethnischen und nationalen Grenzen hinweg Freundschaften geschlossen. Viele sind mit wachen Sinnen durch die Welt getrampt und gereist, haben fremde Kulturen kennengelernt, ihren Horizont erweitert, sich Fremdes vertraut gemacht, sich weitergebildet und vermitteln ihre Erfahrungen an andere.
Menschen, die überschaubare Gruppen mit gleichen Werten bilden, werden immer weniger, weil es zumeist Alte sind oder ohne Bildung, „bildungsferne“. Denn seit die Studenten und Professoren, die Achtundsechziger, durchgesetzt haben, dass auch Arbeiterkinder studieren konnten, und Volksuniversitäten gegründet haben, ist unser Bildungssystem für alle offen, das Bildungsniveau erheblich gestiegen und damit auch der Wunsch, die engen Grenzen der durchschaubaren, kleinbürgerlichen Welt zu überwinden.
Nicht allen, die aus dem Kleinbürgertum stammen, ist das gelungen. Es gibt Professoren, Juristen, Fachärzte, Ingenieure, hochqualifizierte Techniker, welche die kleinbürgerliche Mentalität ihrer Eltern übernommen haben und bei PEGIDA, AfD & CO ihre politische Heimat gefunden haben, denn hier versammelt sich das gesamte Kleinbürgertum, schätzungsweise noch 15 % der deutschen Bevölkerung.

Dieses hat offensichtlich nicht bemerkt, dass weltoffene Muslimas und Muslime, Araber/innen und Türk/inn/en, sich in Deutschland längst integriert haben, ohne ihre Wurzeln zu kappen, und dabei sind, ihre Religion zu reformieren, den Islam von allen Menschen verachtenden Moralvorstellungen und Praktiken frei zu machen. Vieles davon stammt gar nicht aus dem Koran und der ursprünglichen Lehre, manches aus der Bibel, vom Christentum und ist dem Apostel Paulus zuzuschreiben.

Davon abgesehen hat der Islam für die meisten in Deutschland lebenden Muslime und Muslimas längst nicht die Bedeutung, die ihnen beigemessen wird. Sie sind säkular orientiert. Viele Immigranten und deren Nachkommen, auch Flüchtlinge haben sich ganz von der Religion getrennt. Nicht wenige von ihnen sprechen und schreiben besser deutsch als manche AfD-Wähler und PEGIDA-Demonstranten.

Wilhelm Neurohr: „Paradigmenwechsel von langer Hand vorbereitet“ (Bundeswehr-Weißbuch)

Leserbrief zum Schwerpunktthema der taz vom 13. Juli 2016

Die im neuen Bundeswehr-Weißbuch vorgesehene völlige Abkehr Deutschlands (und der EU) vom einstigen Vorrang der Friedens- und Abrüstungspolitik hin zur Aufrüstungs- und Militärpolitik kommt nicht überraschend. Dieser Paradigmenwechsel, der auch unverblümt und grundgesetzwidrig die militärische Sicherung von Rohstoffen und Handelswegen quasi als Wirtschaftskriege einbezieht,  ist von langer Hand vorbereitet und auch längst Bestandteil des GASP (der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU) mit Verankerung im EU-Verfassungsentwurf und jetzigen Lissabon-Vertrag der EU.

Ganze Passagen des neuen Bundeswehr-Weißbuches (und zuvor auch die Reden auf der Münchener Sicherheitskonferenz) lesen sich wie eine Abschrift des dem zugrunde liegenden sicherheitspolitischen Konzeptes der Bertelsmann-Stiftung, das diese bereits im Jahr 2000 mit der Arbeitsgruppe „Venusberg Group“ für die EU  – und für die besondere Rolle Deutschlands bei der Verabschiedung als Zivilmacht –  erarbeitet hat („Enhancing the European Union as an international Securtity Acta“). Die Europäische Rüstungsagentur, später in „Verteidigungsagentur“ EDA umgetauft, sorgt bereits seit Jahren für die Einhaltung der Aufrüstungsverpflichtungen der einzelnen EU-Staaten. Und die US- und NATO-Administration forderte bereits vor 8 Jahren: „Die deutsche Bundeswehr müsse das Töten lernen und sich an tote Soldaten gewöhnen“(General Rune Solberg 2008).

Längst ist die Bertelsmann-Tochter VAW-Arvato daraufhin mit der Erarbeitung von militärisch-technischen Dokumentationen für die Bundeswehr beauftragt und mit militärischen E-Government-Strategien. Sie sieht es nach eigenen Aussagen  – also keine „Verschwörungstheorien“ – zudem als ihren publizistischen Auftrag an, gesellschaftspolitische Akzeptanz für diesen militärischen Paradigmenwechsel zu erzielen und dabei offen zu bekennen, dass es hierbei nicht um „humanitäre Friedenseinsätze“ geht. Dies alles ist nur möglich, weil die Friedensbewegung verstummt ist und die Bevölkerung sich längst an die Militarisierung der Außenpolitik gewöhnt hat. Europa als Friedensprojekt und Friedensnobelpreisträger und Deutschland mit seiner angestrebten militärischen Führungsrolle entwickelt sich zum „Imperium der Schande“ (Jean Ziegler).

Wilhelm Neurohr