Rede im Bundestag: Klimanotstand anerkennen

Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Die Bundestagsfraktion Die Linke bringt heute den Antrag ein, den Klimanotstand in Deutschland anzuerkennen und gleichzeitig endlich ein Klimaschutzgesetz vorzulegen, das geeignet ist, den Beitrag Deutschlands an der Erfüllung des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Genau das ist es, was wir jetzt brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist nicht irgendwie illusorisch oder sonst irgendwas. Vielmehr haben wir mittlerweile die Situation, dass fast 700 Städte weltweit den Klimanotstand ausgerufen haben.

(Karsten Möring (CDU/CSU): Das hilft auch viel!)

Wir haben die Situation, dass Kanada, Großbritannien und Irland den Klimanotstand ausgerufen haben. Gestern ist Frankreich dazugekommen. Das sind doch keine Pillepallestaaten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Was ist denn das?)

Gerade in diesem Augenblick umzingelt Fridays for Future den Deutschen Bundestag. Die jungen Leute sagen uns: Wir mahnen euch. Wir mahnen euch seit dem November des letzten Jahres. Ihr müsst was tun. – Aber wir haben hier im Deutschen Bundestag nicht beschlossen, was tatsächlich notwendig ist. Sie warten immer noch auf die notwendigen Gesetze. Das müssen wir ändern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD, Union und FDP, geben Sie sich einen Ruck. Stimmen Sie unserem Antrag zu, den Klimanotstand anzuerkennen. Das ist gar nicht so schwer.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Lukas Köhler (FDP): Notstandsgesetze gab es schon mal!)

Ich will Ihnen das einmal vor Augen führen. Wir hatten in dieser Woche Karen Raymond von Fridays for Future Indien hier zu Gast. Sie hat uns mit eigenen Worten berichtet, wie es in Indien aussieht: dass es über 1 000 Hitzetote gibt, dass es eine beispiellose Hitzewelle gibt, dass die Menschen in Indien mittlerweile um Wasser kämpfen. Dort gibt es in den Städten Kämpfe um Wasser. Stellen Sie sich das einmal vor. Wenn Sie das nicht berührt, denken Sie doch einmal darüber nach, dass das gar nicht so weit weg ist. Wir hatten im letzten Jahr in Berlin 500 Hitzetote, im Sommer 2018. Mittlerweile – ich weiß nicht, wer den Brandgeruch schon einmal gerochen hat – brennen die Wälder in Brandenburg wieder. Gestern gab es die Nachricht, dass die Wasservorräte in der Lausitz noch für zwei Monate reichen. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: für zwei Monate, also bis September 2019, wenn es nicht mal ordentlich regnet. Das ist deshalb eine problematische Situation, weil auch wir, die Bürgerinnen und Bürger hier in Berlin, von der Wasserversorgung in der Lausitz abhängig sind. Es geht um die Spree. Das heißt: Die Klimakrise und der Klimanotstand sind nicht irgendetwas, was weit weg ist, sondern das ist etwas, was uns direkt vor Ort betrifft. Deswegen müssen wir jetzt handeln.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es zeichnet sich ja ab, dass es da gar keine Entspannung geben wird. Dieser Sommer ist nur ein Vorgeschmack auf das, was uns auch hier in Deutschland in der Landwirtschaft, in der Handelspolitik, im Gesundheitswesen erreichen wird. Alle Voraussagen der Klimawissenschaftler werden nicht nur erfüllt, sondern sie werden übererfüllt. Es kommt tatsächlich schlimmer beim Meeresspiegelanstieg, bei der Erderwärmung oder beim Abschmelzen des Eises, als wir uns das vorstellen können. Das heißt, wir haben wenig Zeit zum Handeln. Was tut in dieser Situation die deutsche Bundesregierung? Sie bekommt den Kohleausstieg nicht richtig auf die Kette. Sie bekommt die Verkehrswende überhaupt nicht auf die Kette. Und die Energiewende: Wie sieht es da aus? Wir haben tatsächlich Probleme beim Zubau der Windenergieanlagen, beim Zubau im Bereich der erneuerbaren Energien. Das müsste doch eigentlich kommen, wenn wir tatsächlich die Energiewende machen wollen, wenn wir Klimaschutz machen wollen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann wird uns immer wieder erzählt: Ja, ihr habt ja gute Vorschläge, aber die Union hat doch Wirtschaftskompetenz. – Entspricht es denn Wirtschaftskompetenz, eine Situation zu haben, in der wir in der Solarbranche 80 000 Arbeitsplätze verloren haben,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

in der wir in der Windenergiebranche weiterhin Arbeitsplätze verlieren? Warum gehen denn die Kolleginnen und Kollegen der IG Metall morgen auf die Straße? Sie gehen morgen deshalb auf die Straße, weil ihre Arbeitsplätze beispielsweise in der Automobilindustrie und in den Zulieferbetrieben bedroht sind.

(Karsten Hilse (AfD): Wegen euch Deppen!)

In den nächsten zehn Jahren sind Hunderttausende Arbeitsplätze bedroht, weil diese Bundesregierung keine gute Klimapolitik macht,

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil sie keine gute Industriepolitik macht und weil sie keine gute Wirtschaftspolitik macht. Deshalb müssen wir jetzt handeln.

Hier schließen wir uns Herrn Söder an. Herr Söder sagt es nicht, weil er klug ist, sondern weil er ein Opportunist ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Söder spürt die Klimabewegung im Rücken. Er spürt doch den Atem von Extinction Rebellion, von Fridays for Future oder von Ende Gelände, den wir in der letzten Woche erlebt haben. Das merkt er doch alles, deshalb sagt er es. Deswegen sagen wir: Der Kohleausstieg 2038 ist viel zu spät.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle werden wir uns enthalten. Wir zweifeln nicht daran, dass ihr wirklich Klimaschutz machen wollt, nur zu diesem einen Punkt werden wir uns enthalten, weil wir sagen: Wir verstehen das taktische Moment, die Bundesregierung an dieser Stelle vorzuführen. Wir sagen aber, weil wir bei der Kohlekommission nicht eingebunden waren, weil wir die Ergebnisse nicht weit genug finden: Wir werden als Opposition sagen, was notwendig ist, und fordern, was notwendig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist aus unserer Sicht in diesem Punkt die Anerkennung des Klimanotstands. Wir sagen: Wir müssen endlich den Mut aufbringen, uns mit den Profiteuren dieser Klimakrise anzulegen. Wir Linke sagen: Wir wollen die Menschen und das Klima retten, nicht die Aktienkurse und nicht den Kapitalismus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Die Bundestagsfraktion Die Linke bringt heute den Antrag ein, den Klimanotstand in Deutschland anzuerkennen und gleichzeitig endlich ein Klimaschutzgesetz vorzulegen, das geeignet ist, den Beitrag Deutschlands an der Erfüllung des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Genau das ist es, was wir jetzt brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist nicht irgendwie illusorisch oder sonst irgendwas. Vielmehr haben wir mittlerweile die Situation, dass fast 700 Städte weltweit den Klimanotstand ausgerufen haben.

(Karsten Möring (CDU/CSU): Das hilft auch viel!)

Wir haben die Situation, dass Kanada, Großbritannien und Irland den Klimanotstand ausgerufen haben. Gestern ist Frankreich dazugekommen. Das sind doch keine Pillepallestaaten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Was ist denn das?)

Gerade in diesem Augenblick umzingelt Fridays for Future den Deutschen Bundestag. Die jungen Leute sagen uns: Wir mahnen euch. Wir mahnen euch seit dem November des letzten Jahres. Ihr müsst was tun. – Aber wir haben hier im Deutschen Bundestag nicht beschlossen, was tatsächlich notwendig ist. Sie warten immer noch auf die notwendigen Gesetze. Das müssen wir ändern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD, Union und FDP, geben Sie sich einen Ruck. Stimmen Sie unserem Antrag zu, den Klimanotstand anzuerkennen. Das ist gar nicht so schwer.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Lukas Köhler (FDP): Notstandsgesetze gab es schon mal!)

Ich will Ihnen das einmal vor Augen führen. Wir hatten in dieser Woche Karen Raymond von Fridays for Future Indien hier zu Gast. Sie hat uns mit eigenen Worten berichtet, wie es in Indien aussieht: dass es über 1 000 Hitzetote gibt, dass es eine beispiellose Hitzewelle gibt, dass die Menschen in Indien mittlerweile um Wasser kämpfen. Dort gibt es in den Städten Kämpfe um Wasser. Stellen Sie sich das einmal vor. Wenn Sie das nicht berührt, denken Sie doch einmal darüber nach, dass das gar nicht so weit weg ist. Wir hatten im letzten Jahr in Berlin 500 Hitzetote, im Sommer 2018. Mittlerweile – ich weiß nicht, wer den Brandgeruch schon einmal gerochen hat – brennen die Wälder in Brandenburg wieder. Gestern gab es die Nachricht, dass die Wasservorräte in der Lausitz noch für zwei Monate reichen. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: für zwei Monate, also bis September 2019, wenn es nicht mal ordentlich regnet. Das ist deshalb eine problematische Situation, weil auch wir, die Bürgerinnen und Bürger hier in Berlin, von der Wasserversorgung in der Lausitz abhängig sind. Es geht um die Spree. Das heißt: Die Klimakrise und der Klimanotstand sind nicht irgendetwas, was weit weg ist, sondern das ist etwas, was uns direkt vor Ort betrifft. Deswegen müssen wir jetzt handeln.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es zeichnet sich ja ab, dass es da gar keine Entspannung geben wird. Dieser Sommer ist nur ein Vorgeschmack auf das, was uns auch hier in Deutschland in der Landwirtschaft, in der Handelspolitik, im Gesundheitswesen erreichen wird. Alle Voraussagen der Klimawissenschaftler werden nicht nur erfüllt, sondern sie werden übererfüllt. Es kommt tatsächlich schlimmer beim Meeresspiegelanstieg, bei der Erderwärmung oder beim Abschmelzen des Eises, als wir uns das vorstellen können. Das heißt, wir haben wenig Zeit zum Handeln. Was tut in dieser Situation die deutsche Bundesregierung? Sie bekommt den Kohleausstieg nicht richtig auf die Kette. Sie bekommt die Verkehrswende überhaupt nicht auf die Kette. Und die Energiewende: Wie sieht es da aus? Wir haben tatsächlich Probleme beim Zubau der Windenergieanlagen, beim Zubau im Bereich der erneuerbaren Energien. Das müsste doch eigentlich kommen, wenn wir tatsächlich die Energiewende machen wollen, wenn wir Klimaschutz machen wollen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann wird uns immer wieder erzählt: Ja, ihr habt ja gute Vorschläge, aber die Union hat doch Wirtschaftskompetenz. – Entspricht es denn Wirtschaftskompetenz, eine Situation zu haben, in der wir in der Solarbranche 80 000 Arbeitsplätze verloren haben,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

in der wir in der Windenergiebranche weiterhin Arbeitsplätze verlieren? Warum gehen denn die Kolleginnen und Kollegen der IG Metall morgen auf die Straße? Sie gehen morgen deshalb auf die Straße, weil ihre Arbeitsplätze beispielsweise in der Automobilindustrie und in den Zulieferbetrieben bedroht sind.

(Karsten Hilse (AfD): Wegen euch Deppen!)

In den nächsten zehn Jahren sind Hunderttausende Arbeitsplätze bedroht, weil diese Bundesregierung keine gute Klimapolitik macht,

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil sie keine gute Industriepolitik macht und weil sie keine gute Wirtschaftspolitik macht. Deshalb müssen wir jetzt handeln.

Hier schließen wir uns Herrn Söder an. Herr Söder sagt es nicht, weil er klug ist, sondern weil er ein Opportunist ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Söder spürt die Klimabewegung im Rücken. Er spürt doch den Atem von Extinction Rebellion, von Fridays for Future oder von Ende Gelände, den wir in der letzten Woche erlebt haben. Das merkt er doch alles, deshalb sagt er es. Deswegen sagen wir: Der Kohleausstieg 2038 ist viel zu spät.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle werden wir uns enthalten. Wir zweifeln nicht daran, dass ihr wirklich Klimaschutz machen wollt, nur zu diesem einen Punkt werden wir uns enthalten, weil wir sagen: Wir verstehen das taktische Moment, die Bundesregierung an dieser Stelle vorzuführen. Wir sagen aber, weil wir bei der Kohlekommission nicht eingebunden waren, weil wir die Ergebnisse nicht weit genug finden: Wir werden als Opposition sagen, was notwendig ist, und fordern, was notwendig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist aus unserer Sicht in diesem Punkt die Anerkennung des Klimanotstands. Wir sagen: Wir müssen endlich den Mut aufbringen, uns mit den Profiteuren dieser Klimakrise anzulegen. Wir Linke sagen: Wir wollen die Menschen und das Klima retten, nicht die Aktienkurse und nicht den Kapitalismus.

Vielen Dank.

Die Angst der regierenden Parteien, von den Grünen überflügelt zu werden. Leserbriefe

Leserbrief an das Medienhaus Bauer, Marl*), und an die Frankfurter Rundschau:

Zu „Die Klima-Hysterie schadet“ von Annegret Zessin vom 19. Juni 2019

Warum bieten Sie Frau Zessin hier so viel Platz für einen Leserbrief, mit dem sie die bekannten halbwahren, vor fake News und Gehässigkeit strotzenden Ansichten von Pegida und der AfD verbreitet?

   Auch ich übe Kritik an den Grünen, aber ich werde meine ehemaligen Parteifreunde nicht in die Pfanne hauen, sondern mich an die Fakten halten, die ich besser kenne als Frau Zessin, Pegida und die AfD.

   Bei den regierenden Altparteien herrscht große Angst, von den Grünen überflügelt zu werden. Denn jetzt werden von den cleveren „Ökos“, die unter dem Druck einer neuen, internationalen Jugendbewegung die sozialistische Komponente der LINKEN in ihr Vokabular übernommen haben und medienwirksam alle Altparteien in den Schatten stellen, die wichtigsten politischen Probleme auf die Tagesordnung gesetzt.

  Geschickt setzen sie neue, unverbrauchte Gesichter kluger, wissenschaftlich und rhetorisch kompetenter, moralisch integrer und philosophisch gebildeter junger Männer und vor allem Frauen ein, um Zustimmung zu gewinnen.       

   Übersehen wird dabei, dass auch die Grünen ihre Widersprüche nicht gelöst haben, Parteispenden von der Wirtschaft erhalten (in den Jahren 2013 bis 2015 u. a. 495.460,78 EURO von BMW und der Fam. Quandt/Klatten, 444.999,94 von Daimler, 751.136 von der Allianz. Quelle: Lobbypedia) Das macht sie von der Wirtschaft abhängig und lässt vom Pazifismus einer Petra Kelly (1947-1992) nichts mehr übrig.

  Man könnte es realpolitisches Wellenreiten nennen.

  Aber der internationale Aufstand junger Menschen, die sich um ihre Zukunft betrogen sehen, wenn nicht nur geredet, sondern sofort gehandelt wird, wird auch den Grünen das Taktieren austreiben. 

—–

*) Medienhaus Bauer. Am 24. Juni 2019 leicht gekürzt veröffentlicht.

– Frankfurter Rundschau: Kursiver Text. Am 25. Juni 2019 ungekürzt veröffentlicht.

Farbenspiele: DIE LINKE, die Grünen und die neue, internationale Jugendbewegung

DIE LINKE, die in der Öffentlichkeit auch von den Medien als eine von Senioren dominierte und zerstrittene (Altherren-) Partei wahrgenommen und dargestellt wird, als eine Partei ohne wesentlichen Einfluss auf die wichtigsten politischen Probleme, – sie sind nicht einmal in ihrem ganzen Ausmaß erkannt worden, analysiert worden, diskutiert worden und werden jetzt von den Grünen, die unter dem Druck einer neuen, internationalen Jugendbewegung die sozialistische Komponente unseres Programms in ihr Vokabular übernommen haben und medienwirksam alle Altparteien in den Schatten stellen, auf die Tagesordnung gesetzt, unterstützt von namhaften Wissenschaftler*innen und Künstler*innen.

Geschickt setzen sie neue, unverbrauchte Gesichter kluger, wissenschaftlich und rhetorisch kompetenter, moralisch integrer und philosophisch gebildeter junger Männer und vor allem Frauen ein, um Zustimmung zu gewinnen. Übersehen wird dabei, dass auch die Grünen ihre Widersprüche nicht gelöst haben, Parteispenden von der Wirtschaft erhalten, von ihr abhängig und vom Pazifismus einer Petra Kelly (1947-1992) weit entfernt sind. Man könnte es realpolitisches Wellenreiten nennen.

Aber der internationale Aufstand junger Menschen, die sich um ihre Zukunft betrogen sehen, wenn nicht nur geredet, sondern sofort gehandelt wird, wird auch den Grünen das Taktieren austreiben.

Die Logik der Linken

Kommentar des Herrn M. F. aus Velbert-Neviges zum vorigen Beitrag (28. 03. 2018) :

„Die Linke toleriert einerseits die immensen Kosten für Einwanderung nach Deutschland und beklagt sich aber gleichzeitig über die wachsende Armut in Deutschland. Ich kann mich nur wundern, mit welcher „Logik“ diese Partei an die sozialen Probleme in Deutschland herangeht.“

Lieber M.,

Sie haben mit Ihrem Kommentar das Thema meines Beitrags verfehlt. Deshalb und nachdem ich andere Kommentare von Ihnen gelesen habe, werde ich den Eindruck nicht los, dass Sie von den Linken nicht mehr und nichts anderes wissen als das, was in den Massenmedien verbreitet wird. Kennen Sie überhaupt das Parteiprogramm der Linken? Oder macht es Ihnen zu viel Mühe, es zu lesen. Es hat in der hier verlinkten Fassung ja immerhin 79 Seiten. Wenn Sie logisch denken können, wird es Ihnen sicherlich nicht schwerfallen, die Logik der Linken in ihrem Programm zu erkennen und zu verstehen.

Ich wünsche Ihnen bunte Ostern und etwas mehr Sonne!

DIE LINKE, Demokratischer Sozialismus, Utopien. Eine Replik

Der »Demokratische Sozialismus« im Programm der Linken wird von einem Sozialdemokraten als Utopie abgetan. „Der politische Kampf für einen demokratischen Sozialismus kann“, behauptet er, „nur zum Verfall der Demokratie und zum Bürgerkrieg in Deutschland führen.“

Selbst wenn humanistische Ideen nicht voll und ganz realisiert werden können oder verfälscht und pervertiert werden wie Buddhas widerspruchsfreie, als authentisch geltende Lehre, der Pali- Kanon, wir würden, gäben wir sie auf, uns selber aufgeben:

Der Stein des Sisyphus rollt immer wieder bergab.
Aber besteht unser Menschsein nicht darin,
dass wir ihn auch immer wieder den Berg hinauftragen,
damit er nicht unten liegen bleibt?

[In Anlehnung an Camus, Le mythe de sisyphe. Essai sur l`absurde]

„Utopie ist `Denken nach Vorn` (Ernst Bloch) als `die Kritik dessen, was ist, und die Darstellung dessen, was sein soll`“ (Max Horkheimer)

Utopien sind Platons »Staat«, die «Politeia« (4. Jh. v.u.Zr.), Thomas Morus` »Utopia« (1516), Kants »Zum ewigen Frieden« (1795/96). Das waren keine wirkungslose Spinnereien.

„Regieren heißt voraussehen.“ (Robert Jungk) Danach können wir mit Robert Habeck sagen: „Wir haben in Wahrheit keine Regierung“ ,   „sondern ein zusammen getackertes Bündnis von Parteien…“, das, statt die systemischen Übel bei den Wurzeln zu packen, den status quo verwaltet.

Politik verstanden als soziales Handeln, welches das Zusammenleben von Menschen so regelt, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Resolution 217 A (III) vom 10.12.1948) formuiert ist.

Heute sind, auch in Deutschland, tiefgreifende Veränderungen des Wirtschafts- und Sozialsystems nötig, um den Menschenrechten Geltung zu verschaffen. Die Koalitionäre der SPD sind dazu nicht fähig und nicht willens, denn die Partei ist vom Wohlwollen und von den Wohltaten der zum Teil transnationalen und globalen Banken und Konzernen ebenso abhängig wie die CDU/CSU und die FDP. Sie ist Teil des neoliberalen Systems. Der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ (GG. Art….) ist nur noch eine Leerformel.

Es ist kein Zufall, dass der entfesselte Kapitalismus gleich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der übrigen europäischen realsozialistischen Staaten seinen Anfang nahm und in das von ihr hinterlassene Machtvakuum stieß.

Dadurch sind fast alle Demokratien ausgehöhlt worden und nur noch formal vorhanden. Die Bundesrepublik ist da keine Ausnahme. In den westlichen Gesellschaften dominiert, wie überall, wo der Kapitalismus herrscht, Konsumismus und Egozentrismus. Im Kapitalismus sind die Sinne des Menschen auf den Sinn des Habens verkümmert (K. Marx, E. Fromm).

Trotzdem sollten wir die Möglichkeit, eine sozialistische Gesellschaft durch einen sozialökologischen Umbau der Produktions- und damit auch der Lebensverhältnisse in vielen kleinen konkreten Schritten zu verwirklichen, nicht ausschließen. Denn wir können heute nicht mehr voraussagen, was morgen geschieht. Trumps infantile Extravaganzen und die Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Roboter und andere neue zivile und militärische Technologien machen eine Prognose unmöglich. Die Digitalisierung kann aber auch eine globale Demokratisierung in Gang setzen.

Die Schüler*innen-Poteste gegen Trump und die Waffenlobby haben gezeigt, wie das geht.

Lorenz Gösta Beutin*, DIE LINKE, im Bundestag: „..ohne dass nur eine Glühbirne im Lande flackert!“

Der Ausstieg aus Kohle, aus Öl, aus Gas ist machbar ohne Wohlstandsverlust, Stromausfälle oder Deindustrialisierung. Wirtschaftsministerium und Bundesnetzagentur haben vorgerechnet, dass mindestens 7 Gigawatt Kohlekraft vom Netz gehen können. Sofort, ohne dass nur eine Glühbirne im Lande flackert. Die neue Wirklichkeit ist längst nicht mehr so, wie es die Querfront der Klimaschutzverweigerer von AfD, FDP, Union und Groko-SPD immer wieder an die Wand malt.

[Fraktion DIE LINKE. im Bundestag , 21.11.2017]

*Es ist die erste Rede des am 24. September 2017 in den Bundestag gewählten Landessprechers der Linken in Schleswig Holstein.

 

Neuerscheinung: »Verschiedene Ansichten. Neue zeitkritische Beiträge« von Dietrich Stahlbaum

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Klappentext:

Auch für den 90-Jährigen ist es eine „Selbstverständlichkeit, das Zeitgeschehen kritisch zu begleiten und im Netz mitzudebattieren.“ Dies ist nun sein 10. eBook, Fortsetzung des neunten mit Beiträgen des letzten Jahres (2016) zu den gleichen Themen (aktuelle Politik, Globalisierung, Kolonialismus, Krieg und Pazifismus, Flüchtlinge, Fluchtursachen, alte und Neue Rechte, ihr Rassismus, ihre Ängste; philosophische Betrachtungen…) Dazu: Die Arier.  Der folgenschwere Missbrauch eines Begriffes durch Rassisten, Verschwörungstheorien; Entwicklungshelfer – ein Afrika-Fest in Bild und Text, Wer war Martin Luther?… – Rezension eines außergewöhnlichen Buches und ein Zeitungsbericht zu Stahlbaums 90.

Der Autor: geboren 1926, aufgewachsen in einem völkisch deutsch-nationalen Milieu, militaristisch erzogen, faschistisch indoktriniert. „Hitlerjugend“, Militär, I944-45 an zerbröckelnden Fronten, 1949-54 bei der Fallschirmtruppe der französischen Legion in Algerien und Vietnam. Heimkehr als Kriegsgegner. Engagement in Bürgerinitiativen und in der Friedens- und Ökologiebewegung. Berufe: u. a. Fabrikarbeiter, Buchhändler, Verlagsangestellter, Bibliothekar. Publikationen: Prosa, Lyrik, Essays, Reportagen etc. Ein Roman, ein „Lesebuch“, Print- und eBooks.

INHALT:

Verschiedene Ansichten – – Warum feiert heute der Nationalkonservatismus Urständ in Europa? – – Gesamtkultur, Menschheitskultur – – „Fremde“ Kulturen und Verhaltensweisen – – Historische Fluchtursachen – – Deutsche Auswanderer, deutsche Kolonialherrschaft – – PEGIDA, AfD und CO. verbreiteten verschwörungstheoretische Übertreibungen – – „Völkisch“ – – Muslimvereine – – Araberinnen – – Die Arier. Der folgenschwere Missbrauch eines Begriffes durch Rassisten – – Verschwörungstheorien. Eine WDR-Sendung und kritische Anmerkungen – – Multi-ethnischer Staat in Syrien? – – Zur Klimaerwärmung – – Afrika-Fest am 11.Juni 2016 auf dem Schulbauernhof in Recklinghausen (Bild und Text) – – Pazifisten – – Raus aus der NATO? Die Friedensbewegung im „Kalten Krieg“. Wortprotokoll einer Diskussion (1983) – – Der Gewalt (in uns) ein Ende setzen – – Das zurück gegebene Schwert. Eine vietnamesische Legende – – Barack Obama – – Herz und Hirn – – Frauen, die für Gleichberechtigung kämpfen – – Der SPD ist die soziale Kompetenz verloren gegangen – – Wer war Martin Luther? Was hat er gelehrt? Was hat er gewollt? Rezension – –  90 Jahre mitten im Strom der Zeit. Ein Lebensbericht

*  *   *

Dietrich Stahlbaum:  »Verschiedene Ansichten- Neue zeitkritische Beiträge«                   BookRix-eBook  2017, 11658 Wörter, € 3,99, ISBN: 978-3-7396-9350-7

Das eBook kann für € 3,99 auf Ihren Computer oder ein Lesegerät heruntergeladen werden.

Lorenz Gösta Beutin: Realistisch ist, für die ganz andere Gesellschaft zu kämpfen

Lorenz Gösta Beutin
Lorenz Gösta Beutin

Kandidaturrede auf der Vertreter*innenversammlung der Linken Schleswig Holstein zur Wahl der Landesliste zur BTW 2017 für Platz 2:

Liebe Genossinnen und Genossen,

gestern habe ich mit vielen anderen Menschen in Kiel gegen einen Auftritt von Beatrix von Storch demonstriert. Es ist richtig, gegen die AfD auf die Straße zu gehen. Wir dürfen niemals zulassen, dass Rassismus zur Normalität wird.

Aber machen wir uns nichts vor, der Erfolg der AfD kommt nicht aus dem Nichts. Er hat seine Ursachen in der Agenda-Politik, in prekären Arbeitsverhältnissen, in der Kürzungs- und Verarmungspolitik der letzten Jahrzehnte. Diese Politik haben alle Parteien mitgetragen, außer uns, und darauf können wir stolz sein.

Vermeintlich sind die Antworten der Rechten die einfacheren Lösungen. Doch Hass und Menschenfeindlichkeit vertiefen die gesellschaftliche Krise. Um die AfD, Pegida und co. wirksam zu bekämpfen, müssen wir die Angst in unserer Gesellschaft bekämpfen. Wir müssen der Angst den Boden entziehen.

Deshalb setzen wir bei der kommenden Bundestagswahl gegen die Politik der Angst unser Programm der Hoffnung, der Zukunft. Wir können uns nicht leisten, dass jedes fünfte Kind in Armut lebt, dass Rentner*innen arbeiten gehen müssen, dass Alleinerziehende von Hartz IV gedemütigt werden, das Menschen 40 Stunden arbeiten und trotzdem nicht von ihrem Lohn leben können. Wir sind die Partei, die sagt, dass der Zustand unserer Gesellschaft keine Naturkatastrophe ist, sondern Ergebnis politischer Entscheidungen. Und diese Politik kann, sie muss geändert werden.

Aber wo Armut ist, da ist auch Reichtum. Deshalb ist der Wandel, den wir brauchen, ein radikaler. Er ist radikal, weil er an die Wurzel geht. Wir sagen: Die Reichen, die Lobbygruppen, die Unternehmensverbände haben über unsere Verhältnisse gelebt. Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten. Wir brauchen endlich wieder eine Vermögenssteuer, einen höheren Spitzensteuersatz, eine gerechte Erbschaftssteuer. Und natürlich Weg mit Hartz IV und her mit einer sanktionsfreien Mindestsicherung. Wir machen uns auf, um die Macht dem 1 Prozent zu nehmen und sie den 99 Prozent zu geben.

Nein, ich rede hier keine Volksgemeinschaft herbei. Wir brauchen den Meinungsstreit, die Vielfalt in unserer Gesellschaft, das Ringen um den richtigen Weg. Aber wie sagte Brecht: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Wir müssen den Menschen ihre Ängste nehmen, für eine Gesellschaft kämpfen, in der alle Menschen sicher und gut leben können. Der Kampf um eine gerechte Gesellschaft ist der Kampf um die Grundlagen unserer Demokratie.

Und die Demokratie, die wir meinen, ist nicht die Demokratie, die uns Merkel, Steinmeier und Gabriel verkaufen wollen. Mit ihren Weltordnungskriegen haben sie vorgegeben, die Demokratie verteidigen zu wollen. Die Bilanz ihres Krieges gegen den Terror: 1,3 Millionen zivile Todesopfer in Irak, Afghanistan und anderswo, Stand März 2015. Nein, es ging dabei um Einflusssphären, um Macht und Rohstoffe. Wenn es um Demokratie ginge, würden sie nicht mit Diktaturen wie Saudi-Arabien oder Qatar paktieren, nicht mit Eritrea oder der Türkei windige Deals schließen.

Tatsächlich kommen seit dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise immer weniger Geflüchtete zu uns. Aber nicht deshalb, weil sich die Europäische Union endlich an die wirksame Bekämpfung der Fluchtursachen gemacht hätte. Nein, weil die Menschen tausendfach im Mittelmeer sterben, die Machen des Zauns um die Festung Europa noch enger gezogen worden sind. Wir sind die, die Geflüchteten Willkommen geheißen haben, wir sind die, die ehrenamtlich geholfen haben, wir sind die, die die Festung Europa schleifen wollen.

Die „Flüchtlingskrise“ kann nur gelöst werden, wenn endlich an die Bekämpfung der Fluchtursachen gegangen wird. Das sind die Kriege dieser Welt, die Waffenexporte, die globale Ungleichheit, die Umweltzerstörung, die Bedingungen zur Produktion unserer Konsumgüter. Die Krise beginnt nicht irgendwo da draußen, die Krise beginnt hier. Hier, in diesem Land, auch in Schleswig-Holstein, finden wir die Hebel, die Krise zu stoppen. Stopp der Rüstungsproduktion, Stopp der Unterstützung autoritärer Regime, Schluss mit den deutschen Auslandseinsätzen. Soziale Sicherheit, eine gerechte Verteilung der Güter dieser Welt sind die Grundlage für Frieden und Menschenwürde.

Wer mich kennt, weiß, dass ich ohne Wenn und Aber für eine konsequente, linke Politik kämpfe. Antifaschismus und Frieden sind für mich die Eckpfeiler meiner Politik, es sind auch die Grundsätze, bei denen wir uns vor Kompromissen hüten sollten, wollen wir nicht den Wesenskern unserer Partei verraten.

Was uns aber gelingen muss: Wir müssen neben unseren Grundsätzen den Gebrauchswert unserer Politik erklären. Wir müssen deutlich machen, warum eine starke LINKE einen Unterschied macht. Wir müssen um Mehrheiten für unsere Inhalte ringen. Wenn ich von Mehrheiten spreche, meine ich auch gesellschaftliche Mehrheiten. Wir müssen aufzeigen, wie die gute Rente für alle funktionieren kann, warum die Bürger*innenversicherung ein wirksames Instrument gegen die Zweiklassenmedizin ist, warum Investitionen in die Infrastruktur sich letztlich für die gesamte Gesellschaft auszahlen.

Die Basis für unseren Erfolg haben wir längst gelegt. Wir sind aktiv in Vereinen, Verbänden und Initiativen, beim Kampf gegen TTIP und CETA, gegen den Pflegenotstand oder für gute Löhne und gute Arbeit in den Gewerkschaften. Wir sind längst eine Partei nicht nur in Bewegung, sondern in den Bewegungen.

Deshalb bringen wir in den Parlamenten auch die Anfragen und Positionen unserer Bündnispartner*innen ein. Wir müssen die Stimme derjenigen sein, die keine Stimme mehr haben bei der Regierenden. Uns geht es nicht ums Wohlwollen der wirtschaftlich Mächtigen oder der Medien. In erster Linie geht es uns darum, die zu erreichen, mit denen wir an Infoständen diskutieren, bei Haustürgesprächen oder Veranstaltungen. Die noch glauben, dass eine ganz andere Politik möglich und notwendig ist.

Nun habe ich in letzter Zeit ab und an die Befürchtung gehört, wenn ich in den Bundestag ginge, Marianne in den Landtag, stünde der Landesverband kopflos da. Ich glaube, das ist etwas zuviel der Ehre. Der Kopf des Landesverbandes sind wir alle gemeinsam. Aber ich habe auch in meiner Bewerbung geschrieben, ich bleibe mindestens bis zum November, bis zur Neuwahl des Landesvorstands Landessprecher. Gemeinsam mit Euch möchte ich einen offensiven, phantasievollen Wahlkampf führen. Als Teil eines starken Landesvorstands möchte ich die Konstituierung und die ersten Schritte unserer künftigen Landtagsfraktion begleiten, für die enge Anbindung an die Partei sorgen. Ein starkes Ergebnis bei den Landtagswahlen wird für uns Grundlage sein, dass wir in Schleswig-Holstein auch bei den Bundestagswahlen gut abschneiden. Es ist insgesamt eine der zentralen Grundlagen für die Zukunft unserer Partei.

Und nach der Bundestagswahl möchte ich gemeinsam mit Euch diskutieren, wie wir als Bundestagsabgeordnete dazu beitragen können, den Landesverband zu stärken, indem wir verstärkt Themen aus Schleswig-Holstein in den Bundestag tragen, indem wir mit den Wahlkreisbüros linke Strukturen stärken. Und einen speziellen Vorschlag habe ich: Ich möchte gerne ein mobiles Wahlkreisbüro einrichten, gemeinsam mit den anderen Abgeordneten, das wechselnd von unseren Mitarbeiter*innen besetzt wird. Mit einem kleinen Bus soll es mobil Sprechstunden ermöglichen auch in den Regionen, wo wir sonst nicht so häufig hinkommen. Wir müssen nicht nur unsere Stärken stärken, wir müssen uns auch darum kümmern, dass linke Politik auch in den Regionen präsenter wird.

Auf Facebook schrieb gestern jemand, wir würden nur populistische Politik machen. Wenn populistisch bedeutet zu sagen, was ist, so mag das sein. Unsere Aufgabe ist es, klar und verständlich zu sprechen. Jemand, den andere als großen Politiker feiern, hat mal gesagt, wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Andere sagen, unsere Politik sei nicht realistisch. Nun frage ich Euch: Ist es realistisch zu behaupten, wer arbeiten will, findet Arbeit? Ist es realistisch, dass es allen gut geht, wenn es nur der Wirtschaft gut geht? Dass eine Politik des Sparens und der Privatisierung Wohlstand bringe? Haben die deutschen Auslandseinsätze in Afghanistan und anderswo, die deutschen Rüstungsexporte Frieden gebracht?

Nein, die, die uns erzählen wollen, was Realismus ist, sind auf der ganzen Linie gescheitert. Ihre Politik ist illusionär und weltfremd. Das Gegenteil all ihrer Behauptungen ist wahr geworden. Ihre Versprechen waren gesprochene Verbrechen. Diese Politik des Immer-weiter-so hat jeglichen Realitätssinn, jede Glaubwürdigkeit verloren.

Realistisch ist eine Politik, die ganz anders ist, als die bestehende. Realistisch ist eine Politik, die für Freiheit und Gleichheit für alle Menschen, ohne Unterschied, eintritt. Realistisch ist Menschenfreundlichkeit, ist Solidarität. Nicht wir sind die Träumer, sie sind die Träumer, die noch immer an die seeligmachende Wirkung des Kapitalismus glauben.

Mit all unseren Projekten, mit unserem gesamten Programm stehen wir ein für eine andere Gesellschaft, die Ausbeutung, Konkurrenz und Umweltzerstörung überwindet. Wir sind ganz konkret und nah an den Menschen und wissen gleichzeitig, wofür wir brennen, wofür wir gemeinsam kämpfen, für den demokratischen Sozialismus. Er beschreibt unseren Weg und unser Ziel. Gemeinsam mit Euch will ich im nächsten Jahr bei der Landtags- und bei der Bundestagswahl für eine starke Linke kämpfen. Nicht aus der Defensive heraus, sondern selbstbewusst, weil wir gemeinsam für unsere Sache brennen.

Lorenz Gösta Beutin

[Email vom  30.11.2016]

VATERLAND, ein historisch belasteter Begriff, und der Neonationalismus (AfD, PEGIDA, NPD etc.)

In seiner Rede nach der Wahl zum Bundespräsidenten am 23. 05. 1999  sagte Johannes Rau: „Ich will nie ein Nationalist sein, aber ein Patriot wohl. Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet.“

30 Jahre vorher hat ein anderer Bundespräsident und Sozialdemokrat auf die Frage, ob er diesen Staat denn nicht liebe, geantwortet: „Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau; fertig!“ Gustav Heinemann laut SPIEGEL vom 13. Januar 1969

Es gibt hier also grundverschiedene Auffassungen, wenn wir davon ausgehen können, dass Heinemann sehr wohl gewusst hat, der Begriff PATRIOTISMUS ist historisch belastet und mit dem Staatsbegriff gleichgesetzt worden.

Hierzu mein Essay »Des Deutschen Vaterland“ – Eine zeitgemäße Betrachtung«

„Dulce et decorum est pro patria mori.“ Süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben sang der römische Dichter Horaz. Er starb allerdings als alter Mann im Jahre acht vor unserer Zeitrechnung vermutlich im Bett. Auch wir sollten sterben: “für Führer, Volk und Vaterland”. Spätestens 1945. (Da hatte ich gerade mal 19 Jahre gelebt.)

„Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an!“ ließ ein deutscher Dichter einen Schweizer rufen: Schiller den Tell.

“Was ist des Deutschen Vaterland?“ fragte 1913 ein anderer Deutscher in einem Gedicht: E. M. Arndt.

“Mit Gott und Vaterland“ stand auf einem Kreuz aus weißem Blech, das auf Anordnung Friedrich Wilhelms III. ab 1813 jeder Landwehrmann an seiner Mütze tragen musste. Auf dem Koppelschloss stand lediglich: “Mit Gott“.

Max von Schneckenburger hingegen, dem das Mutterland offenbar mehr bedeutet hat, beschwichtigte seine Landsleute 1840: “Lieb Vaterland, magst ruhig sein.“

Und in den 1870er Jahren beschimpfte der deutsche Kaiser (oder war es Bismarck?) die Sozialdemokraten als “vaterlandslose Gesellen”, weil bei ihnen die Kriegstreiberische Politik der deutschen Herrenkaste auf Ablehnung stieß.

Ein „Vaterland“ ist ebenfalls die französische Fremdenlegion, auch wenn ich das nicht so empfunden habe, 1949-54, ein Vaterland „Vaterlandsloser“: “LEGIO PATRIA NOSTRA“ (Die Legion ist unser V.) …

Volltext oben verlinkt!

Mehr hierzu in diesem Blog unter dem Stichwort NATIONALISMUS

In der Frankfurter Rundschau fragt Stephan Hebel nach den Erscheinungsformen und Motiven der neuen Rechten:

„Nationalistische Denke ist nicht länger tabu. Die Mitte der Gesellschaft verliert sich im Ressentiment und schimpft nicht auf die Elite, der man doch so gerne angehören würde. Das Feindbild sind die Schwachen und Fremden.

Deutschland bewegt sich, und zwar nach rechts. Pegida ist sicher nicht die stärkste Bewegung, aber an Einfluss auf die öffentlichen Debatten hat sie manche Initiative mit breiterer Basis deutlich überrundet – begleitet von Wahlerfolgen ihrer Geistesverwandten von der AfD.

´Wir sind das Volk´ rufen sie in Dresden, als gäbe es im ´Volk` nicht mindestens ebenso viele Willkommensbefürworter wie Abschottungspropheten. Und sie verkehren den im Kern emanzipatorischen Ruf von 1989 ins Gegenteil…“

Volltext: Neue Rechte: Angst vor der Konkurrenz von „unten“

Das trifft sicherlich nicht auf alle Wähler/innen der AfD und Teilnehmer/innen an den Montags-Friedenswinter-Demonstrationen und nicht auf alle zu, die bei PEDIGA mitlaufen. Viele von ihnen sind Menschen, die sich von der Politik übergangen fühlen, Angst haben, von den Flüchtlingen überflutet zu werden und, ohne viel nachzudenken, denen folgen, die ihnen die einfachsten Problemlösungen bieten.

Stephan Hebel meint auch nicht sie, sondern die „geistigen Brandstifter und Anführer der Neonationalen“ mit „geschlossenen rassistischen Weltbildern“, die Wortführer von AfD, PEGIDA und den Montagsdemos, und folgert:

„Wer sich aber deren große Gefolgschaft erklären will, kommt mit dem Verweis auf verbreiteten Rassismus allein nicht weiter. Es ist zwar richtig, dass Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus oder Homophobie auch in der ´Mitte der Gesellschaft`  nie ausgestorben waren: Seit Jahren beziffern Studien das Potenzial an ´gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit` auf etwa 20 Prozent.“ Und fragt: „Aber wie konnten sich solche Strömungen in eine offen agierende Bewegung verwandeln, wie sich zu einer zumindest momentan erfolgreichen Partei formieren?“

Stephan Hebel  begnügt sich nicht mit schnellen Antworten, geht diesen Fragen auf den Grund und zitiert Soziologen, Historiker und andere Wissenschaftler/innen wie Cornelia Koppetsch: „Viele ´ganz normale Bürger´ hätten `die Spielregeln des Neoliberalismus längst verinnerlicht und erwarten nun auch von anderen Wettbewerbsgeist, Bereitschaft zur Selbstoptimierung und Disziplin. Wer sich dem nicht unterwirft, wird ausgegrenzt. (…) Man schimpft nicht mehr auf die Eliten, sondern möchte am liebsten selbst dazu gehören und grenzt sich nach unten ab.` Und ´unten´, da sind unter anderem ´die Fremden`.“

In der Weimarer Zeit stand der bürgerliche deutsch-völkische Nationalismus/Patriotismus in der Tradition des Kaiser-Reiches und ebnete dem so genannten Nationalsozialismus den Weg zur Macht. Heute erleben wir eine ähnliche Entwicklung. Und es sind nicht nur Mittelstandsbürger, die in ihrer Existenz gefährdet, sich nach einem starken Mann und einem starken, nämlich autoritären, im Grunde undemokratischen Staat sehnen, sondern auch viele, vor allem junge Menschen in prekären Verhältnissen, die zum ersten Mal überhaupt und dann die AfD gewählt haben und nicht die einzige Partei, die konsequent für eine soziale Wirtschafts- und Finanzpolitik eintritt und sich nicht kaufen lässt.

Der anachronistische  Antikommunismus steckt heute noch in vielen Köpfen und tabuisiert alles, was sich im politischen Spektrum links einordnet oder eingeordnet wird. Das Übrige besorgen die systemkonformen, mehr oder minder opportunistischen, vom Kapital abhängigen Medien, indem sie DIE LINKE dadurch klein halten, dass sie diese Partei aus dem demokratischen Disput und der Meinungsbildung nahezu ganz ausschließen.

Die linksliberale Frankfurter Rundschau ist eine der wenigen Ausnahmen. Eine Zeitung, die umfassend informiert und durch eine Vielfalt von Ansichten zur eigenen Meinungsbildung geradezu herausfordert.

 

Die DKP: ein Relikt aus dem 19. / 20. Jahrhundert

Sie ist auf rd. 4000 Mitglieder zusammengeschrumpft. Auch das Parteivermögen schwindet dahin, seit es kein Geld mehr aus der DDR gibt. Da soll nun wohl DIE LINKE das Überleben der DKP sichern. Die neue LINKE, wohlgemerkt.
Die DKP ist ein Relikt aus dem 19./20. Jahrhundert. Die Ideologie und zentrale Aussagen ihres Programms sind antiquiert. Die Zielsetzung ist höchst fragwürdig.

Ein Blick auf das Programm:

»Die sozialistische Gesellschaftsordnung setzt die Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse im Bündnis mit den anderen Werktätigen voraus. Sie gründet sich auf das gesellschaftliche Eigentum an allen wichtigen Produktionsmitteln, an den Finanzinstituten und Naturressourcen. (…)
An die Stelle der chaotischen, auf Profitinteressen ausgerichteten, von Krisen geschüttelten kapitalistischen Konkurrenzwirtschaft tritt eine nach wissenschaftlichen Kriterien gemeinschaftlich und verantwortungsbewusst geplante, von Solidarität getragene Produktionsweise. Der Sozialismus beseitigt die kapitalistischen Klassenprivilegien und überwindet im Zuge des Aufbaus der neuen Gesellschaft die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.«
[DKP-Parteiprogramm. III. Der Sozialismus – die historische Alternative zum Kapitalismus. Das sozialistische Ziel.]

Solches erinnert an Verlautbarungen der SED und ihrer „staatlichen Organe“. An Reden, Schriften, Transparente, Plakate in der DDR. Während ich das lese, höre ich Walter Ulbricht sprechen.
„Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse“ ? In Deutschland? In Europa? Wo ist diese Elite? Und die „anderen Werktätigen“ ? Das ist doch wohl die große Mehrheit aller in Handwerk und Fabrik abhängig Berufstätigen. Oder gehören Computerspezialisten, Büro- und kaufmännische Angestellte, Kleinhändler, der Schulhausmeister etc. dazu? Hochschullehrer/innen und StudentInnen? Lenins „nützliche Idioten“: die linken Intellektuellen? -Schriftsteller und Künstler, sie schaffen Werke, ja.

„Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse“. Das ist eine andere Formulierung für »Errichtung einer „Diktatur des Proletariats.“« Was bedeutet das? Es bedeutet Klassenkampf und Zerstörung der Demokratie.
Da es dieses „Proletariat“ („Prekariat“ ist etwas anderes) heute jedoch in Deutschland kaum noch gibt, ist alle Angst vor der DKP unbegründet.

„…Im Zuge des Aufbaus der neuen Gesellschaft…“ (DKP-Programm) und „Umbau der Gesellschaft“ (Christel Wegner)

Gesellschaftliche, politische Prozesse laufen nicht so mechanisch ab wie in den Theorien Lenins und Stalins. Der DIAMAT / HISTOMAT ist ein mechanistisches und reduktionistisches Denkmodell.
Der Misserfolg der DKP – die fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung – ist nicht nur auf ein „vom Klassenfeind manipuliertes falsches Bewusstsein“ zurückführen, sondern vor allem auf das Verhalten dieser Partei zu den Völker- und Menschenrechtsverbrechen der Sowjetunion [Ungarn, Polen, Tschechoslowakei] und auf abschreckende Beispiele von Menschenverachtung und Unmenschlichkeit in der DDR [Stichworte: Mauerbau, STASI, Verfolgung der Dissidenten].
Eine parlamentarische Zusammenarbeit der Linkspartei mit der DKP nützt allein den Parteien (und ihrer Klientel), die der neuen Linken schaden wollen. Das haben die Hamburger Wahlergebnisse gezeigt. Wahlergebnisse entscheiden nun mal in einer parlamentarischen Demokratie über die Einflussmöglichkeiten von Parteien auf die Politik. Ohne DIE LINKE hätten sich SPD und Grüne keinen Zentimeter von ihrem asozialen, neoliberalistischen Kurs wegbewegt.

Diese Kritik soll nachdenklich machen, nicht verletzen. Ich kenne DKP-Mitglieder, die sich uneigennützig sozial und sozialpolitisch engagieren. Es sind Menschen, die ich sehr schätze.

Mehr zu diesem Thema:
»Ursachen für das Scheitern des Sozialismus« auf der Seite „Politik“ im ZEITFRAGENFORUM I
http://www.dietrichstahlbaum.de

Von blog.de (25. 02. 2008) übernommen.