Angela Merkel – 16 Jahre Bundeskanzlerin. Eine Bilanz

„Regiere den großen Staat, wie man kleine Fische brät.“

Laotse: Tao Te King. Seidentexte von Mawangdui

Angela Merkel regiert seit 16 Jahren die Bundesrepublik Deutschland. Wie ist es möglich, den Staat durch solche Turbulenzen zu lenken, wie wir sie erlebt haben, ohne zu straucheln? Regiert sie, „wie man kleine Fische brät“? „Weise, gemäß dem Dao“: so, dass „sich die Kräfte ohne Reibungsverlust und ohne verzehrende Spannung“ „entfalten“ können?

Die Wirklichkeit ist prosaisch: Ihr wird Opportunismus vorgeworfen. Sie nutze alle Privilegien, die sie seit ihrer Jugend als Kulturbeauftragte“ (A. Merkel) in der sozialistischen Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) hatte. Es sei „normal“ gewesen, „viele Jahre in der FDJ Mitglied gewesen zu sein.“

Merkel: „Ich habe mir ein Leben als Wissenschaftlerin ausgesucht. Ich habe mir ein Studium ausgesucht, damit ich nicht so viele Kompromisse eingehen musste.“

„Doch welche Kompromisse“, fragen Kritiker, „ging sie in ihrer Vergangenheit dann tatsächlich ein? Erledigte sie für die Staatssicherheit vielleicht doch die ein oder andere Gefälligkeit im Gegenzug für ihren beruflichen Aufstieg und die Sicherheit vom Staatsapparat in Ruhe gelassen zu werden?“

[Quelle: Welt am Sonntag, 19. Juni 2005]

Angela Merkel hat ihre Sozialisation in der DDR erfahren und wurde vom Elternhaus, von der Gesellschaft und vom politischen System geprägt. Dementsprechend war sie angepasst und ging, karrierebewusst, schon damals den Weg des geringsten Widerstandes.

Das kann ich nachvollziehen: Ich war als Pimpf, dann als „Hitlerjunge“ (HJ), immer in Führungspositionen, habe eine Offizierskarriere angestrebt und wurde erst dezidierter Pazifist, nachdem ich an zwei Kriegen teilgenommen hatte, von Juli bis 45 am Zweiten Weltkrieg und von 1951 bis 1954 als Parachutist in der französischen Fremdenlegion am Indochinakrieg.

Ihr Politikstil wird im Wesentlichen von ihrem naturwissenschaftlichen Beruf bestimmt. Sie ist Physikerin, da zählen Zahlen, Daten und Fakten – die exakte Analyse. Eine Grundvoraussetzung für alle Entscheidungen. Die andere: sich von einem Team kompetenter Berater*innen aus allen wichtigen Ressorts und aus den unterschiedlichsten politischen Lagern zu umgeben.

Drei Beispiele:

Peter Altmaier, katholisch-konservativ, seit dem 14. März 2018 Bundesminister für Wirtschaft und Energie, ein in vielen innen- und außenpolitischen Funktionen erfahrener Beamter.

Maja Göpel, eine junge (* 1976) Transformationsforscherin, Politökonomin, Nachhaltigkeitswissenschaftlerin und Hochschullehrerin.

Sie hat ein immenses Wissen, denkt systemisch und ökologisch. Sie hinterfragt die weltweiten Krisen in Umwelt und Gesellschaft: „Sie offenbaren, wie wir mit uns und dem Planeten umgehen, auf dem wir leben.“ Wenn wir diese Krisen meistern wollen, schreibt sie, „müssen wir uns die Regeln bewusst machen, nach denen wir unser Wirtschaftssystem aufgebaut haben. Erst wenn wir sie erkennen, können wir sie auch verändern – und unsere Freiheit zurückgewinnen.“

Mehr über sie und ihr Buch „Unsere Welt neu denken: Eine Einladung„ im Zeitfragenblock unter 

https://stahlbaumszeitfragenblog.wordpress.com/?s=Maja+G%C3%B6pel

Christian Drosten, Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie ,„der nichts beschönigt und nichts dramatisiert. Der abwägt und korrigiert, der sagt, wenn er etwas nicht weiß oder am Vortag zu kurz gedacht hat. [Der Stern am 17. März 2020]

Die Kanzlerin hat die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, zu erkennen, was andere Menschen fühlen und denken.  (Empathie) Und sie hat Mitgefühl.

Dies zeigt sich in den Talkrunden und bei der Videoschalte mit Bürger*innen, die mit den Corona-Beschränkungen große Probleme haben, auch als sie seit 1915 rund 800 000 Flüchtlinge in der BRD aufnahm; die meisten von ihnen waren Syrier.

Sie hat einen ganzheitlichen Ansatz, aber sie überschreitet nicht die Grenzen des Systems, dem sie verhaftet bleibt. Sie will den Kapitalismus zwar reformieren und kontrollieren, menschlicher gestalten und scheitert daran, denn im Kapitalismus zählt allein der Profit, und der geht über Leichen.

Das beweisen die deutschen Waffenexporte in alle Welt, in Kriegs- und Krisengebiete. „Die hemmungslose Lieferung von Waffen in Spannungs- und Kriegsgebiete zeigt, dass nicht einmal die immer wieder viel beschworene Kontrolle von Rüstungsexporten funktioniert. Denn „während die UNO zum weltweiten Waffenstillstand aufruft, um die Coronavirus-Pandemie zu bekämpfen, gießt die Bundesregierung mit ihren Kriegswaffen in Krisengebiete weiter Öl ins Feuer“, erklärt Sevim Dagdelen.´Wir brauchen einen sofortigen Waffenexportstopp und eine Umstellung der Rüstungsindustrie auf zivile Güter wie beispielsweise medizinische Geräte. Es ist Zeit, für das Leben statt für den Tod zu produzieren. Ziel muss es sein, dass in Zukunft kein Arbeitsplatz in Deutschland mehr vom Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern abhängig ist.`“ [Geschäft mit Kriegswaffen boomt. Nachricht von Sevim Dagdelen, MdB DIE LINKE am 16. Juli 2020]

Hier fehlt der Bundeskanzlerin der Mut und – ich vermute – auch der Wille, sich gegen Parteigenossen, die für die Rüstungslobby arbeiten, durchzusetzen und auf Parteispenden der Rüstungsindustrie zu verzichten.

Rüstungslobby im Bundestag

Einige Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Bundestags sind auch im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT). Bis vor kurzem gaben das aber nicht alle an, wie die Neue Westfälische Zeitung berichtet.

In dem Verein, der als Lobbyorganisation der Rüstungsindustrie gilt, seien neben anderen Mitgliedern des Verteidigungsausschusses auch (…) Wolfgang Hellmich (SPD). Im Gegensatz zu den anderen hat (…) Hellmich das aber bis vor kurzem nicht angegeben. Dass Abgeordnete ihre Nebentätigkeiten verschweigen, ist der Neuen Westfälischen zufolge nichts Neues. Bereits 2009 habe ein ähnlicher Fall für Empörung gesorgt. Damals hätten sogar fünf Abgeordnete ihre Nebentätigkeit in Vereinen, die der Rüstungsindustrie nahestehen, verschwiegen

.Abgeordnete für Rüstungs-Lobby aktiv, [nw-news.de, 16.08.2014]

Die Politik wird in allen kapitalistischen Staaten von zum Teil transnationalen Konzernen beherrscht. Sie sind einzig und allein profitorientiert und entscheiden je nach Lage der Dinge über Krieg und Frieden, Wohlstand oder Elend, Wahrung oder Missachtung der Menschenrechte, mehr oder weniger Demokratie. 

Von ihnen werden auch in Deutschland Regierungsparteien und einzelne Regierungsmitglieder, Abgeordnete und Beamte, mit gestückelten Großspenden gekauft, damit und ihrer Regierung helfen, sich die Option zu einem nuklearen Erstschlag, zu einem Präventivschlag der NATO offenzuhalten und die Entwicklung immer neuer, immer effektiverer Waffensysteme zu fördern, die sich der Kontrolle entziehen und selbständig agieren.

Die CDU ist kein monolithischer Blog. Es gibt erhebliche Widerstände gegen Merkels Politik, links und rechts.

Die Kanzlerin bemüht sich, die Widersprüche der Partei aufzufangen, sie „auszusitzen“ und eine Spaltung zu verhindern.

Sie war auf dem richtigen Weg. Sie ist dann aber im Korruptionssumpf stecken geblieben.

Die Angst der regierenden Parteien, von den Grünen überflügelt zu werden. Leserbriefe

Leserbrief an das Medienhaus Bauer, Marl*), und an die Frankfurter Rundschau:

Zu „Die Klima-Hysterie schadet“ von Annegret Zessin vom 19. Juni 2019

Warum bieten Sie Frau Zessin hier so viel Platz für einen Leserbrief, mit dem sie die bekannten halbwahren, vor fake News und Gehässigkeit strotzenden Ansichten von Pegida und der AfD verbreitet?

   Auch ich übe Kritik an den Grünen, aber ich werde meine ehemaligen Parteifreunde nicht in die Pfanne hauen, sondern mich an die Fakten halten, die ich besser kenne als Frau Zessin, Pegida und die AfD.

   Bei den regierenden Altparteien herrscht große Angst, von den Grünen überflügelt zu werden. Denn jetzt werden von den cleveren „Ökos“, die unter dem Druck einer neuen, internationalen Jugendbewegung die sozialistische Komponente der LINKEN in ihr Vokabular übernommen haben und medienwirksam alle Altparteien in den Schatten stellen, die wichtigsten politischen Probleme auf die Tagesordnung gesetzt.

  Geschickt setzen sie neue, unverbrauchte Gesichter kluger, wissenschaftlich und rhetorisch kompetenter, moralisch integrer und philosophisch gebildeter junger Männer und vor allem Frauen ein, um Zustimmung zu gewinnen.       

   Übersehen wird dabei, dass auch die Grünen ihre Widersprüche nicht gelöst haben, Parteispenden von der Wirtschaft erhalten (in den Jahren 2013 bis 2015 u. a. 495.460,78 EURO von BMW und der Fam. Quandt/Klatten, 444.999,94 von Daimler, 751.136 von der Allianz. Quelle: Lobbypedia) Das macht sie von der Wirtschaft abhängig und lässt vom Pazifismus einer Petra Kelly (1947-1992) nichts mehr übrig.

  Man könnte es realpolitisches Wellenreiten nennen.

  Aber der internationale Aufstand junger Menschen, die sich um ihre Zukunft betrogen sehen, wenn nicht nur geredet, sondern sofort gehandelt wird, wird auch den Grünen das Taktieren austreiben. 

—–

*) Medienhaus Bauer. Am 24. Juni 2019 leicht gekürzt veröffentlicht.

– Frankfurter Rundschau: Kursiver Text. Am 25. Juni 2019 ungekürzt veröffentlicht.

Am 7. Mai erinnert Vietnam an die Schlacht um Dien Bien Phu, die vor 65 Jahren zum Ende der Kolonialherrschaft Frankreichs in Ostasien geführt hat

Am 7. Mai 1954 erlitten die in 300 km Luftlinie westlich von Hanoi eingekesselten französischen Truppen eine folgenschwere Niederlage.  Sie ergaben sich nach 57 Tagen der Übermacht. Die Verluste waren auf beiden Seiten sehr hoch, besonders bei uns in der Legion, wo jeder Zweite Deutscher war.

Ich habe nach Recherchen aus authentischen französischen und vietnamesischen Quellen und nach Berichten von Legionären und Offizieren der französischen Fremdenlegion darüber in meinem Roman »Der Ritt auf dem Ochsen oder auch Moskitos töten wir nicht« berichtet. Ein Roman über Gewalt, Krieg und buddhistischen Pazifismus in Vietnam, zügig niedergeschrieben in den Jahren 1995-99.

   Deshalb verstehe ich mein Buch als Beitrag zur Versöhnung zwischen den einst verfeindeten Völkern. dst.

Dietrich Stahlbaum

Soldauszahlung in DBP
Soldauszahlung in Bien Phu am 5. Dezember 1953. Dritter von links: Dietrich Stahlbaum

Der Roman:

Reinhard Ganz, Veteran der französischen Fremdenlegion, erhält 40 Jahre nach dem Ende des Indochinakrieges Post aus Hanoi: Aufzeichnungen seines Freundes Miroslav Prochazka, der 1954 in Dien Bien Phu verwundet wurde und seitdem verschollen ist. Er erinnert sich an ihre gemeinsame Zeit in Algerien und Vietnam (1949-54), an einen Krieg, der sie verändert, und an ein Volk, das sich vom Kolonialismus befreit hat.

Im zweiten Teil des Romans schildert Miroslav seinen Weg zu einem engagierten Buddhismus. Er ist mit Hilfe einer jungen Vietnamesin desertiert und lebt bis 1966 in einer buddhistischen Dorfgemeinschaft in den Bergen Nordvietnams. Hier haben Deserteure beider Kriegsparteien und ein verwundeter Ranger Asyl und traumatisierte Waisenkinder ein neues Zuhause gefunden. Mönche, die aus Süd- und Nordvietnam geflüchtet sind, berichten über den gewaltfreien Widerstand gegen das US-amerikanische Eingreifen in Vietnam, gegen die Saigoner Militärdiktatur und gegen Unter- drückung und Verfolgung durch das kommunistische Regime in Hanoi. Am Ende wird auch das Friedensdorf Opfer militärischen Wahns.

   Ein pazifistischer Roman über Soldaten, die erkennen müssen, dass sie nicht töten und zerstören können. Ein zeitdokumentarischer Roman über historische Hintergründe, mit Rückblenden auf eine faschistische Kindheit, auf Erlebnisse eines jungen Tschechen im antifaschistischen Widerstand und auf die ersten Nachkriegsjahre in Ost und West. Ein Entwicklungsroman, der das Wesentliche buddhistischer Lehre und Kultur aus der Sicht eines vermeintlich aufgeklärten Europäers vermitteln und auf ihre Aktualität hinweisen soll.

Mein Carnet des services aériens mit Eintrag 5..-6.12.1953 DBP
Mein Carnet des services aériens mit Eintrag 5..-6.12.1953 DBP

Die Printausgabe des Buches (Aachen 2000) ist vergriffen, Neuauflage seit I/2012 als eBook →  http://www.bookrix.de/_ebook-dietrich-stahlbaum-der-ritt-auf-dem-ochsen-oder-auch-moskitos-toeten-wir-nicht/ 

coverpic3d.php-Cover RITT eBook groß

Liam Fitzpatrick: The Monk Who Taught the World Mindfulness Awaits the End of This Life

Thich Nhat Hanh bei einer Gehmeditation in Oberlethe
Thich Nhat Hanh bei einer Gehmeditation in Oberlethe am 10. – 15. Juni 2001

 

By Liam Fitzpatrick / Hue, VIetnam

January 24, 2019

 

At a Buddhist temple outside Hue, Vietnam’s onetime capital, 92-year-old Thich Nhat Hanh has come to quietly “transition,” as his disciples put it. The ailing celebrity monk—quoted by Presidents and hailed by Oprah Winfrey as “one of the most influential spiritual leaders of our times”—is refusing medication prescribed after a stroke in 2014. He lies in a villa in the grounds of the 19th century Tu Hieu Pagoda, awaiting liberation from the cyclical nature of existence.

At the gate, devotees take photos. Some have flown from Europe for a glimpse of Thay, as they call him, using the Vietnamese word for teacher. Since arriving on Oct. 28, he has made several appearances in a wheelchair, greeted by hundreds of pilgrims, though the rains and his frailty have mostly put a stop to these. On a wet afternoon in December, the blinds were drawn back so TIME could observe the monk being paid a visit by a couple of U.S. diplomats. The Zen master, unable to speak, looked as though he could breathe his last at any moment. His room is devoid of all but basic furnishings. Born Nguyen Xuan Bao, he was banished in the 1960s, when the South Vietnamese government deemed as traitorous his refusal to condone the war on communism. He is now back in the temple where he took his vows at 16, after 40 years of exile. Framed above the bed are the words tro ve — ”returning” — in his own brushstroke.

In the West, Nhat Hanh is sometimes called the father of mindfulness. He famously taught that we could all be bodhisattvas by finding happiness in the simple things—in mindfully peeling an orange or sipping tea. “A Buddha is someone who is enlightened, capable of loving and forgiving,” he wrote in Your True Home, one of more than 70 books he has authored. “You know that at times you’re like that. So enjoy being a Buddha.”

His influence has spread globally. Christiana Figueres, the former executive secretary of the U.N. Framework Convention on Climate Change, said in 2016 that she could not have pulled off the Paris Agreement “if I had not been accompanied by the teachings of Thich Nhat Hanh.” World Bank president Jim Yong Kim called Nhat Hanh’s Miracle of Mindfulness his favorite book.

The monk’s return to Vietnam to end his life can thus be seen as a message to his disciples. “Thay’s intention is to teach [the idea of] roots and for his students to learn they have roots in Vietnam,” says Thich Chan Phap An, the head of Nhat Hanh’s European Institute of Applied Buddhism. “Spiritually, it’s a very important decision.”

But practically, it risks reopening old wounds. Other Vietnamese exiles were infuriated by highly publicized visits Nhat Hanh made in 2005 and 2007, when he toured the country and held well-attended services that made international headlines. To his critics, these tours gave legitimacy to the ruling Communist Party by creating the impression that there was freedom of worship in Vietnam, when in fact it is subject to strict state controls.

Other spiritual leaders have suffered under the regime; Thich Quang Do, patriarch of the outlawed Unified Buddhist Church of Vietnam (UBCV), has spent many years in jail or under house arrest. In November, the U.S. Commission on International Religious Freedom (USCIRF), the government panel that monitors freedom of religion globally, issued a statement condemning his treatment by Hanoi. In this context, Vo Van Ai, a Paris-based spokesman for the UBCV, said Nhat Hanh’s prior visits to Vietnam “played into the government’s hands.”

The meaning of his return, therefore, carries great freight here in Vietnam. “[It] symbolizes that both he and the type of Buddhism he represents are fundamentally Vietnamese,” says Paul Marshall, professor of religious freedom at Baylor University in Texas. “For the government, this is both a challenge and an opportunity. If he lives out his life in peace, they can claim credit.”

Flourishing in Exile

Nhat Hanh has always gone his own way. He became a novice against his parents’ wishes, then left a Buddhist academy because it refused to teach modern subjects. He studied science at Saigon University, edited a humanist magazine and established a commune.

After teaching Buddhism at Columbia and Princeton universities from 1961 to 1963, he returned to Vietnam to become an antiwar activist, risking his life with other volunteers to bring aid to war-torn communities. He refused to take sides, making enemies of both North and South Vietnam. His commune was attacked by South Vietnamese troops, and an attempt was made on his life.

In 1966, as the war escalated, he left Vietnam to tour 19 countries to call for peace. He addressed the British, Canadian and Swedish parliaments and met Pope Paul VI. This proved too much for the regime in Saigon, which viewed pacifism as tantamount to collaboration with the communists and prevented him from returning. The next time Nhat Hanh saw Vietnam was during a visit in 2005.

His reputation grew in exile. Hippies set his antiwar poetry to music. In 1967, he was nominated by Martin Luther King Jr. for the Nobel Peace Prize, and in 1969 he headed a Buddhist delegation to the peace talks in Paris. He eventually based himself in southwest France, where he turned the Plum Village Buddhist monastery into Europe’s largest, and established eight others from Mississippi to Thailand. He oversaw the translation of his books into more than 30 languages. When Western interest in Buddhism went through a revival at the turn of the century, Nhat Hanh became one of its most influential practitioners.

In 1967, Martin Luther King Jr. urged the Nobel Prize committee to honor “this gentle monk from Vietnam“

Nhat Hanh taught that you don’t have to spend years on a mountaintop to benefit from Buddhist wisdom. Instead, he says, just become aware of your breath, and through that come into the present moment, where everyday activities can take on a joyful, miraculous quality. If you are mindful, or fully present in the here and now, anxiety disappears and a sense of timelessness takes hold, allowing your highest qualities, such as kindness and compassion, to emerge.

This was highly appealing to Westerners seeking spirituality but not the trappings of religion. Burned-out executives and recovering alcoholics flocked to retreats in the French countryside to listen to Nhat Hanh. An entire mindfulness movement sprang up in the wake of this dharma superstar. Among his students was the American doctor Jon Kabat-Zinn, founder of the Mindfulness Based Stress Reduction course that is now offered at hospitals and medical centers worldwide. Today, the mindfulness that Nhat Hanh did so much to propagate is a $1.1 billion industry in the U.S., with revenues flowing from 2,450 meditation centers and thousands of books, apps and online courses. One survey found that 35% of employers have incorporated mindfulness into the workplace.

Nhat Hanh’s approach has been commercially successful partly because it makes few demands, at least of beginners—unlike the more rigorous meditation advocated by that other great exponent of Buddhism in the West, the Dalai Lama. “Thich Nhat Hanh provides a simple version of Buddhism, but I would not say it is oversimplified,” explains Janet Gyatso, Hershey Professor of Buddhist Studies at Harvard University’s Divinity School. The “basic philosophy is the same” as that of the Dalai Lama, she says. “Mindfulness and compassion.”

Courting Controversy

In an unpublished interview he gave to TIME in 2013, Nhat Hanh declined to say if he wanted to return home for good. Instead he praised Vietnam’s youthful dissidents. “If the country is going to change, it will be thanks to this kind of courage,” he said. “We are fighting for freedom of expression.”

In fact, the situation for all rights in Vietnam is critical. During Nhat Hanh’s exile, hundreds of thousands of people were sent to re-education camps or killed by a Communist Party that, today, has absolute control. Activists are beaten, tortured and jailed. Rights of association are restricted, as is the press and judiciary. Religious freedom is heavily curtailed, and the official Buddhist Church of Vietnam is controlled by the state.

To his critics, the monk should have made greater use of his position to draw attention to these abuses. Ai, the UBCV spokesman, says Nhat Hanh was “world-famous abroad but longed to be famous in his homeland” and accuses him of cooperating with the regime in order to be given permission for his 2005 tour. Hanoi granted Nhat Hanh permission to visit that year as it sought Vietnam’s removal from the USCIRF list of Countries of Particular Concern (CPC), where it kept company with North Korea, Iran and Saudi Arabia. The official communist daily Nhan Dan quoted Nhat Hanh as saying, “The Vietnamese want to be liberated from what the Americans call liberation for the Vietnamese,” without explaining that he had said these words decades earlier, in the entirely different context of the Vietnam War.

Washington obliged Hanoi by removing Vietnam as a CPC in 2006, to the fury of nonconformists forced into exile. “Many [who] had looked on Thich Nhat Hanh as a living Buddha, with total respect and admiration, were deeply disappointed to see him pandering to the communist authorities,” says Ai. Bill Hayton, associate fellow of the Asia program at London’s Royal Institute of International Affairs, explains that many in the Vietnamese diaspora will not tolerate any compromise with Hanoi. “In their eyes, Thich Nhat Hanh is a sellout because he is prepared to work within the limits imposed by the Communist Party.”

But Nhat Hanh was not totally silent. During his 2007 visit to Vietnam, he asked then President Nguyen Minh Triet to abolish the Religious Affairs Committee, which monitors religious groups. The Plum Village annual journal of 2008 went further and called on Vietnam to abandon communism. His followers paid a heavy price. In September 2009, police and a hired mob violently evicted hundreds of monks and nuns from a monastery that Nhat Hanh had been allowed to build at Bat Nha in southeast Vietnam, which had been attracting thousands of devotees.

Yet if Nhat Hanh courted controversy by engaging with the party, he also won the ability to gain access to the Vietnamese people—and that might have been the goal all along. The official Vietnamese Buddhist Church, says Hayton, “has no leader to compare with Thich Nhat Hanh or his ideas of mindfulness.” During Nhat Hanh’s tours, he was able to champion a concise, modernized form of Buddhism very different from the religion sometimes perceived as old-fashioned and arcane. The impact is still felt by young Vietnamese today. In November, Linh Nhi, 27, traveled from Saigon to keep vigil at Tu Hieu. “If I can meet him, that’s good,” she told local media. “If not, I’m still happy because I can feel his presence.”

Buddhism teaches that Nhat Hanh needs to offer his presence, and in doing so, he is embracing the roots of his suffering in the Vietnam War. He is surely aware that Hanoi will make political capital out of his homecoming. But then the Zen master is evidently playing the long game — the longest game of all, in fact, which is eternity.

With reporting by Supriya Batra/Hong Kong and Bryan Walsh/New York

Contact us at editors@time.com.

[This appears in the February 04, 2019 issue of TIME]

Siehe auch: →     https://stahlbaumszeitfragenblog.wordpress.com/2015/08/17/ein-zen-buddhistisches-retreat-mit-thich-nhat-hanh/ ss.com/2015/08/17/

 

 

 

Heidi Beutin/Wolfgang Beutin: Fanfaren einer neuen Freiheit. Rezension von Hartmut Henicke

   Dieses Werk des Ehepaares Beutin ist die wichtigste Publikation zum Themenjahr 2018 „Weltkriegsende/Novemberrevolution“. Die Autoren haben es ihren nahestehenden, insbesondere verstorbenen wissenschaftliche Weggefährten gewidmet. Diese Geste bewegt, wenn man das Buch gelesen hat.

    Die Autoren bekennen ausdrücklich, sich dem Thema als Literatur- und Kunsthistoriker anzunähern. Sie tun das auf höchstem theoretisch-methodischem Niveau und gleichzeitig mit faszinierend souveräner literarischer Leichtigkeit. Dieses Buch liest sich so weg. Und es ist anregend, weil so gut nichts offen bleibt. Auch dort, wo wichtige Fragen „nur“ ansatzweise beantwortet oder tangiert werden, hallen als sie dem konzentrierten Leser wie die Reststrahlung des Urknalls als Denkimpulse nach. Auch darin reflektiert sich Kompetenz und Meisterschaft, wie in den souverän das Quellenmaterial tief durchdenkenden Antworten und Urteilen. Ihrer Absicht, die deutschen Intellektuellen im Kontext der Novemberrevolution zu zeichnen werden die Autoren virtuos gerecht. Dieses „Who‘s Who?“ der deuschen Novemberrevolution lässt keine soziale, politische und ideologische Richtung der Kategorie Intelligenz aus. Mit ihren umfangreichen Personendossiers haben Heidi und Wolfgang Beutin einen entscheidenden Teil des historischen Subjekts dieser Revolution und Gegenrevolution definiert, klassifiziert, teilweise meisterhaft psychologisiert, in soziale, politische und kulturelle Zusammenhänge gestellt. Ihre Arbeit hat hohen Quellenwert. Die Auswahl des Zitierten ist treffend wie die Wertung. Das Spannende dieser Studie ist die breite, logisch klassifizierte Differenzierung zwischen Revolution und Konterrevolution aber auch innerhalb der politischen Lager bzw. ideologischen Richtungen. Mit ihren Persönlichkeitscharakteristiken präsentieren die Autoren nicht nur ein breites Spektrum von Ansichten, die den Erkenntnisprozess eines historischen Umbruchs reflektieren, sondern auch Erfahrungen, spontane Gefühle reflektieren. Die Begegnung Rosa Luxemburgs und Tilla Darieux – eine marginale Sekunde im Epochenwechsel während des Innehaltens und doch so bezeichnend für das, was geschah. An dieser Stelle versteht der Leser den Titel des Buches.

   Er hört die „Fanfaren einer neuen Freiheit“ im Hintergrund. Die Beutins vermessen ihren Forschungsgegenstand, die Intelligenz, nicht im Entferntesten mit den ideologischen Rastern, die sich aus der ideologischen Versteinerung nach den Weltkriegsrevolutionen insbesondere seit dem Ende der 1920er Jahre ergaben.

Dieses Buch ist das Elektrokardiogramm der Geisteshaltung im Deutschland des verlorenen Weltkrieges in aller psychologischen und ideologischen Sensibilität und Genauigkeit. Es spiegelt die subjektive Verfasstheit der Menschen dieses Landes, die den Aufbruch in die neueste Moderne antraten, die realen subjektiven Rahmenbedingungen der Erneuerungsalternative. Als Leser getraut man sich nicht einmal den überheblichen Gedanken, die Intellektuellen von den proletarisierten verelendeten Klassen abzuheben, zumal die Autoren eben auch die politisch ahnungslosen Intellektuellen, Künstler, Literaten meisterhaft zeichnen. Andererseits: Diejenigen namhaften bekannten, ach heute wieder vergessenen Persönlichkeiten, die in Beutins Buch den größten Epochenkonflikt des neuen Jahrhunderts reflektieren, waren allesamt keine Durchschnittsmenschen, sondern Denker, Künstler, Moralisten, Literaten, Journalisten, Politiker, Parteifunktionäre, einschließlich der politisch hochgebildeten Arbeiterbewegung, Reagierer auf die spontane Revolte qualifizierter kriegsmüder Matrosen, Soldaten und Proletarier. Diese Literaten, Philosophen, Wissenschaftler und Politiker aller Klassen mussten nicht nur das Geschehen interpretieren, sondern persönliche Entscheidungen treffen. Sie standen vor der epochalen praktischen Gestaltungsaufgabe, aus dem Regimezusammenbruch und der spontanen sich zur Revolution ausbreitenden Revolte eine historische tragfähige Zukunftsalternative zu denken und zu entwickeln, deren Parameter zum einen durch die Siegermächte vorgegeben waren und zum anderen von den Räten der Matrosen, Soldaten und Arbeiter, die gleichermaßen der intellektuellen Führung Deutschlands Angebote machten. Ihnen standen die gegenüber, die mit der alten zusammengebrochenen Welt unterzugehen drohten. Das waren jene unter den gebildet und erfahren Denkenden, die nicht über den Schatten ihrer Werte und Ansichten der Vergangenheit springen konnten. Zwischen Hoffnungen und Ängsten, Humanismus und Hass, Einsicht und Tradition schwankten die großen Geister der Nation, auch der elitären Klassen und Schichten. Harry Graf Kessler, Walter Rathenau, die Gebrüder Thomas und Heinrich Mann, Epochengestalten. Die Autoren benötigen nur Absätze, um dies deutlich zu machen.

   Beutins Arbeitsergebnis zeigt, an einem ungewöhnlich breiten Personenkreis, wie dieser dachte und agierte. Was die Autoren diesbezüglich präsentieren und kommentieren, hat erstrangige Bedeutung für das Verständnis des Missverhältnisses zwischen historisch materialistischer Analytik der kausalen gesellschaftlichen Zusammenhänge und der subjektiv differenzierten in der logischen Konsequenz dahinter zurückbleibenden Wahrnehmung und sich daraus ergebender Handlungsweise. Die Autoren reflektieren bis in die marxistische Linke hinein de facto die Folgen der im wilhelminischen Kaiserreich in den Köpfen seiner intellektuellen Elite gebrochenen Geistesgeschichte. Und auch im marxistisch linken Lager erkennen und benennen die Autoren deren Grenzen. Diese Abschnitte sind so stark, dass darauf näher eingegangen werden muss, auch wenn alle in diesem Buch behandelten theoretisch-methodischen Aspekte eine rezeptive Diskussion verdienen, was in diesem Rahmen nicht möglich ist und deshalb aber anempfohlen wird. Die Jahrhundertjubiläen sind noch nicht vorbei und die Rezeptionsthemen findet man in Beutins „Fanfaren“.

   Die Autoren spiegeln in erster Linie und mit Sympathie die Rationalisten, Idealisten, Illusionisten, Pazifisten und Linken. Und sie sehen diese mit anderen Augen als Volker Weidemann in seinem Buch „Träumer“ nicht als Spinner und konzeptionslose vom Volk zeitweilig geliebte Narren, sondern eben als moralischen Werten und einer humanistischen Ethik verpflichteten Literaten, von denen ohne politisches Herrschaftswissen und ökonomische Analytik nichts anderes verlangt werden kann als Charisma, selbstloses leidenschaftliches Engagement bis zur Hingabe, auch Fehler und Konzeptionslosigkeit. Politik, insbesondere in revolutionären Krisensituationen ist bis zur geordneten arbeitsteiligen Kooperation von neuen Führungskräften und Strukturen eine spontane sich allmählich organisierende vor allem emotionale Aktion. Aus dieser Aktion entwickelt sich aus der Leidenschaft auf der einen und der lähmenden Paralyse auf der anderen Seite erst allmählich die kühl, auch machiavellistisch kalkulierte strategisch-taktische Konzeption auf den sich polarisierenden ideologischen und Interessen gesteuerten Flügeln der Revolution. Den Autoren ist dies klar und wegen dieses Standpunktes bewerten sie die Revolutionsliteraten höher als der Autor der „Träumer“. Worin aber der darüber hinausgehende Wert dieses Buches besteht, ist die sehr akzentuierte Differenzierung der marxistischen Linken. Die Autoren stützend sich dabei auf die Biografie-, und Sachthemen-Experten, wie die Bezugnahmen im Anmerkungsapparat erkennbar machen. Aber in der Kernaussage darf von der Eigenleistung der Autoren ausgegangen werden. Die Charakterisierung der Erkenntnisgrenzen Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs gehört, wie schon zuvor im Falle Kessler, Rathenau, Manns u.a. zu den stärksten erkenntnistheoretischen Leistungen, auch wenn Rosa Luxemburg betreffend, der Rezensent Einwände geltend macht, die sich vor allem auf die bei Eberhard Kolb zitierten „Grundannahmen in der sozialistischen Lehre“ beziehen. Auch wenn Rosa Luxemburg gleichfalls diesen Grundannahmen aufsaß, war ihre Geschichtsauffassung keinesfalls diesem eher Kautskyanischen und russischen Gesellschaftsphilosophieverständnis als dem Labriolas Philosophie der Praxis im Sinne der Feuerbachthesen näher. Wie schwer der Zusammenhang von Erkenntnistheorie und Geschichtsphilosophie, politischer Ökonomie und Politik in der Aktion im Krisenmoment wirkt, erfährt die Menschheit in jedem neuen Konflikt. Dass selbst die theoretisch weitsichtigsten Köpfe in den Momenten versagten, in denen sie sich den Sternen so nahe wähnten, ist vielleicht ein Grund, neu über theoretisch begründeten Pragmatismus oder Machiavellismus nachzudenken. Dass die Gegenrevolution, die in diesem Buch in dieser Hinsicht unterbelichtet ist, was dem keinen wirklichen Abbruch tut, aber immerhin daran gemahnt, dass Lassalle als erster das Problem erkannt hatte, sei hier angemerkt. In diesem Zusammenhang sollen von den vielen theoretisch-methodisch anregenden Fragen nur noch vier aufgegriffen werden sollen.

   Erstens: Problematisch mit Blick auf die faschistische Diktatur, wenn auch nicht ganz abwegig im Hinblick auf die frühzeitige parallele Konterrevolution ist die revolutionstheoretische Interpretation des Staatsrechtlers Hugo Preuß durch die Autoren im Hinblick auf den engeren nationalen Revolutionszyklus in Anlehnung an die Französische Revolution und dessen missverständlicher Hinweis auf die Militärdiktatur als notwendige Zurückführung der radikalen Revolution auf ihr objektives Maß. (S. 35) Im Kontext mit dem nachfolgenden Abschnitt, der „Die Konterrevolution“ thematisiert, ist das einst von Friedrich Engels als allgemeingültig gezeichnetes Revolutionsschema falsch. Denn es gab in der deutschen Novemberrevolution kein radikal verfolgtes utopistisches Ziel, dass durch zeitweilig überhöhte Radikalität durch einen Thermidor auf das objektive Revolutionsziel zurückgeführt werden musste. Im Gegenteil: Selbst Spartakus verfolgte sozioökonomisch wie staatspolitisch mit der Rätedemokratie allein ein konsequent radikaldemokratisches Ziel. Und auch die Rätemacht war keinesfalls a priori eine kommunistische Machtstruktur. Sie wurde von Anfang an, weil situationsbedingt, partiell selbst im bürgerlichen Lager adaptiert. Die Soldatenräte prägten wegen ihrer sozial heterogenen Zusammensetzung ohnehin den klein- und bürgerlichen Charakter der Revolution und mehr noch die rechtskonservative nationale Bürgerrätebewegung eben den nichtproletarischen. Doch allein die verschwindende Minderheit der rätekommunistischen Linken als marginalen Ausdruck revolutionärer Radikalität zu bagatellisieren und damit deren Überbewertung durch die konservative Rechte zur Begründung gegenrevolutionärer Brutalität als hinterhältige Meinungsmanipulation zu bewerten, ist wissenschaftlich nicht korrekt. Von der Spartakusgruppe bis in die USPD hinein und auch über diesen Parteirahmen hinaus, wie die Beutins u.a. mit dem Beispiel Rathenaus zeigen, wurden die „bolschewistischen“ Sowjets tatsächlich als Vorbild bzw. Modernisierungsvariante verstanden. Bremen und Bayern bewiesen, den radikalrevolutionären Charakter des Rätegedankens, wie die Autoren kenntlich machen. Vom Gegenrevolutionären Standpunkt war die Bekämpfung des „Bolschewismus“ deshalb logisch konsequent. Daran ändert die Selbstentmachtung des Zentralrates der Arbeiter und Soldatenräte gar nichts. Auch wenn die deutschen Rätevorwiegend als basisdemokratischer Ansatz bewertet werden, enthalten sie wie die Autoren unter Berufung auf die seinerzeitigen Akteure zeigen, systemveränderndes Potenzial, wie auch die Räterepubliken aber auch der Rätekommunismus im Gegensatz zum Parteikommunismus beweisen. Leider fokussieren sich die Autoren ideologieanalytisch allein auf den Antisemitismus und Rassismus der Rechten. Das Wesentliche war aber die Adaption des Sozialismus in seiner nationalen Mutation.

   Nationalsozialismus ist war der offensive Ausdruck der historischen Defensive. Obgleich der Name Eduard Stadtler auf der Seite der Konterrevolution viermal erwähnt wird, bleibt diese Person als einer der wichtigsten ideologischen Repräsentanten und Aktivisten der Rechten unterbelichtet. Stadtler der Initiator, Agitator und Organisator des Präfaschismus schaffte es nicht zuletzt mit seinen Erfahrungen im revolutionären Russland, den Spitzen der deutschen Wirtschaft 500 Mio Reichsmark für die Kriegskasse der Gegenrevolution abzunehmen. Seine Vorträge und Schriften verdienen als historische Quelle Aufmerksamkeit. Als Inspirator des Mordes an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hat er wohl die treffendste Charakteristik der von rechts wahrgenommenen Gefährlichkeit der intellektuellen linken Führungskräfte und damit auch des Kräfteverhältnisses von Revolution und Konterrevolution gegeben.

   Zweitens: Die Auseinandersetzung der Autoren mit dem Verratsvorwurf gegen die regierende Führung der Mehrheitssozialdemokratie, denen schon von linken Zeitgenossen ein bürgerlicher Standpunkt zugeschrieben wird, von dem aus sie gar keinen Verrat begehen konnten, scheint in diesem Sinne zwar argumentativ plausibel, ist aber logisch nur eine andere Lesart des Verratsvorwurfs. Denn es war nun einmal die Sozialdemokratische Führung, die ihre eigene programmatisch erklärte „soziale Revolution“ verriet. Theoretisch scheinen auch 100 Jahre danach wichtige Probleme immer noch unklar zu sein, was keinesfalls den Autoren Beutin angelastet werden kann. Berücksichtigt man allerdings das marxistisch induzierte Erfurter Parteiprogramm steht staatsrechtlich dahinter nichts anderes als eine bürgerlich-parlamentarische Demokratie mit sozialem Charakter, auch sehr weitgehenden Sofortforderungen, die noch nie erfüllt wurden. Dieses Ziel hat die MSPD-Führung ebenso wenig verraten, wie der Parteivorsitzende Ebert, der seinen Parteifreund Scheidemann dafür wütend rüffelte, weil dieser mit der Ausrufung der Republik der Nationalversammlung zuvorkam. Eberts tradiert stures weltfremdes Demokratieverständnis verkannte, dass die elementaren tatsächlichen systemischen Veränderungen von der revolutionären Aktion und nicht von den parlamentarischen Gremien hervorgebracht werden. Die deutsche Revolution war von Anfang an mit dem Defizit einer unglaublichen Leichtgläubigkeit und Illusion gegenüber der Gegenrevolution belastet. Das zeigte sich sowohl in der Delegierung der revolutionären Beseitigung der materiellen Grundlagen des preußischen Ancien régimes (Großgrundbesitz, Beamten- und Militärapparat) vom Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte an die Nationalversammlung wie an der Rückgabe des beschlagnahmten Büros der Antibolschewistischen Liga durch die revolutionären Matrosen. Und das Sozialisierungsprojekt war de facto mit dem Stinnes-Legien-Pakt erledigt.

   Drittens: Eduard Bernstein prognostizierte 1899 in seiner theoretischen Grundlegung des Reformismus den Marx’schen Begriff „Diktatur des Proletariats“ als Charakterisierung des künftigen Staatstyps mit folgendem bedenkenswerten knappen Absatz: „Die Diktatur des Proletariats heißt, wo die Arbeiterklasse nicht schon starke eigene Organisationen wirtschaftlichen Charakters besitzt und durch Schulung und Selbstverwaltungsköper einen hohen Grad von geistiger Selbständigkeit erreicht hat, die Diktatur von Klubrednern und Literaten. Ich möchte denjenigen, die die Unterdrückung und Schikanierung der Arbeiterorganisationen und Ausschluss der Arbeiter aus der Gesetzgebung und Verwaltung den Gipfel der Regierungskunst erblicken, nicht wünschen, einmal den Unterschied in der Praxis zu erfahren. Ebenso wenig würde ich es für die Arbeiterbewegung selbst wünschen.“ (Bernstein, Voraussetzungen des Sozialismus… Dietz Berlin 1991 [1899], S.206 f.) dieses Resümé, ob als Vorwegnahme einer vorgeblich im proletarischen Interesse mit revolutionärem Terror durchgesetzten parteirichtungsideologischen Minderheitenrevolution und ihrer verheerenden Folgen oder als blanquistische Fehlinterpretation der Marx/Engels‘schen Schlussfolgerungen aus Pariser Kommune, entspricht de facto der Luxemburgschen Kritik an der Russischen Revolution zwei Jahrzehnte später.

    Viertens: Die Autoren haben mit ihren „Fanfaren der Freiheit einen bemerkenswerten Ansatz für die Bewältigung der Vereinigung von revolutionärer Spontaneität und intellektuellem Potential im Zusammenbruchsaugenblick gewählt und gefunden. Und sie machen sich die Darstellung des Problems nicht mit den Stereotypen des Klassenstandpunktes leicht, die den Intellektuellen nach leninistischer Lesart in den Pro- und Konterrevolutionär teilen. Sie stellen aber am Ende trotz ihres wichtigen Rückgriffs auf frühere Geschichtsepochen bis zurück in die Antike dennoch nicht die Gretchenfrage, mit der das Problem der Spaltungen sowohl in der modernen Kapital- und Lohnarbeitsgesellschaft, der Intelligenz aber auch innerhalb des sozialdemokratischen bzw. kommunistischen Lagers sowie speziell der intellektuellen Linken im engeren Sinne erklärt werden kann: nämlich die erkenntnistheoretische und damit philosophische Frage nach der historische materiellen Determiniertheit und wechselseitigen Beeinflussung aller Gesellschaftserscheinungen und dem daraus resultierenden permanenten konkret-praxisorientierten Erkenntnis- und fortwährendem Theorieentwicklungsprozess im Gegensatz zum ideellen, von humanistischen und bürgerlichen Freiheitswerten bestimmten. Umso höher ist die marginale Bezugnahme der Autoren auf diesen Aspekt in der Einleitung (S. 15 unten) zu bewerten, die beweist, dass die Autoren sich dessen bewusst sind!

   In den weltanschaulichen Auseinandersetzungen der Gegenwart, in der mehr denn je pluralistisch fragmentarische Unverbindlichkeit gegen mystische und populistische Manipulation wirkungslos verteidigt wird, geht es in Wirklichkeit um einen wissenschaftlichen Blick auf die Geschichte. Die enorme Schwierigkeit dessen ist historisch erklärbar. Erkenntnistheoretisch musste von der Liquidierung des heidnisch materialistischen Denkens seit der Zerstörung der Bibliothek von Alexandria bis zur Neuentdeckung des Materialismus durch die intelligentesten Köpfe des aufklärerischen und klassischen Bürgertums, vor allem durch die Hegelsche dialektische Veredelung des Materialismus Feuerbachs nicht nur eine eineinhalb Jahrtausende platonische Denktradition überwunden werden, um die wissenschaftliche Kontinuität zum antiken Denken wieder herzustellen. Zugleich musste die im Gefolge der Rezeption dieser dialektisch-historisch-materialistischen Denkrevolution durch permanente Weiterentwicklung gegen deren Vulgarisierung und bürgerliche Revision angegangen werden. Für diesen Kraftakt fehlten schlicht die fähigen intellektuellen Köpfe nicht zuletzt wegen der fehlenden strukturellen Bildungsvoraussetzungen. Für den Kapitalismus, ob in seiner aktiengesellschaftlichen oder kommunistisch drapierten staatskapitalistischen Variante ist wissenschaftliche Gesellschaftserkenntnis eine existenzielle Bedrohung.

Heidi Beutin / Wolfgang Beutin: Fanfaren einer neuen Freiheit. Deutsche Intellektuelle und die NovemberrevolutionVerlag: wbg Academic in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) (1. August 2018)
• Gebundene Ausgabe: 308 Seiten, EUR 49,95
• ISBN-10: 3534270452
• ISBN-13: 978-3534270453

Neuerscheinung: Heidi Beutin / Wolfgang Beutin: Fanfaren einer neuen Freiheit. Deutsche Intellektuelle und die Novemberrevolution

Coverbild Beutin, Fanfaren -1-

Fanfaren -2-
Klappentext

Fanfaren -3-

Fanfaren -4-

Heidi Beutin / Wolfgang Beutin: Fanfaren einer neuen Freiheit. Deutsche Intellektuelle und die Novemberrevolution  

Verlag: wbg Academic in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) (1. August 2018)

Gebundene Ausgabe: 308 Seiten, EUR 49,95
ISBN-10: 3534270452, ISBN-13: 978-3534270453

 

 

 

 

Das Kreuz als Waffe damals und heute

Friedrich Gehring: Das Kreuz war eine brutale Waffe der Unterdrücker

Zu: „Nun wendet sich das Kreuz gegen Söder“ , FR-Politik vom 30. April 2018

Sowohl Markus Söder als auch die meisten seiner Kritiker übersehen, dass das Kreuz kein urchristliches Symbol ist. Für das Christentum stand symbolisch ursprünglich der Fisch oder das Boot. Das Kreuz wird im Christentum erst populär einige Zeit nach der konstantinischen Wende, als das Christentum staatstragend geworden war im römischen Reich. Es ist tatsächlich zunächst als grausame Todesfolter mit öffentlicher Abschreckung eine Waffe bei der Unterdrückung von Widerstand gegen die kaiserliche Macht.

Historisch-kritisch betrachtet ist es tragisch und paradox, dass es der Opfertheologie gelungen ist, diese brutale Waffe als Heilstatt Gottes für alle Welt zu interpretieren. Die Folge war, dass im Abendland brutale Machtausübung hoffähig wurde ganz im Gegensatz zu dem, was der Religionsgründer Jesus von seinen Nachfolgern forderte (Mk 10,42-44). In einem solchen unchristlichen Abendland darf es nicht wundern, dass Söder dieses Kreuz wieder als Waffe einsetzt in Konkurrenz zur ebenso unchristlichen AfD.

Alle, die sich jetzt als Christen über Söder aufregen, wären gut beraten, zunächst Kritik am Kreuz als christliches Symbol zu üben und das Boot in Erinnerung zu bringen, in dem wir alle sitzen und das uns an weltweite christliche Solidarität gemahnt, nicht erst, wenn die Flüchtlinge an Bayerns Grenze stehen, sondern schon wenn eine unchristliche Politik Fluchtursachen schafft. Da geht es zunächst um die Waffenexporte und die Machtpolitik angeblich christlicher Länder, die Stellvertreterkriege schürt oder selbst andere Länder überfällt, destabilisiert und ausbeutet, aber genauso um eine aggressive Handels- und Wirtschaftspolitik dieser Länder, die tötet. Wenn die unchristliche westliche Welt die Balken aus dem eigenen Auge entfernt haben wird, mag sie sich um die Splitter in den Augen der muslimischen Länder kümmern (Mt 7, 1-5). Dann könnte Markus Söder Boote als christliche Symbole gegen muslimischen Terrorismus aufhängen lassen und sich mit den Muslimen verbünden, die an einen barmherzigen Allah glauben wollen.

Friedrich Gehring, Backnang

[Leserbrief in der Frankfurter Rundschau vom 4. Mai 2018]

Jörg Sternberg: Die Waffen nieder!

Leserbrief in der Frankfurter Rundschau zu Syrien: „Der Krieg aller gegen alle“, FR-Politik vom 22. Februar:

„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“, haben sich die Überlebenden des KZ Buchenwald über alle ideologischen Grenzen hinweg – Christen, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten – 1945 geschworen. Als Kind habe ich, ohne den Sinn recht zu verstehen, beides in der Zeit der Ausläufer des Nazireichs und der Weltkriegskatastrophe noch erlebt. Wie ein NSDAP-Ortsgruppenleiter von amerikanischen Soldaten verhaftet wurde, wie ein SS-Mann die weiße Fahne vom Dach der Bürgermeisterei riss und die Panzer der Amerikaner, die schon abgerückt waren, wieder die Rohre auf die Häuser richteten. Später habe ich wie andere Lehrer und Historiker auch Schulklassen durch Buchenwald geführt, vorbei am Zoo zur Unterhaltung der Todgeweihten, den Kammern voll von Menschenhaar und Schuhen, der Genickschussanlage und den Verbrennungsöfen. Höcke und Poggenburg hätten darunter sein können.

Heute ist die Nazi-Ideologie als größte Oppositionsfraktion in den Bundestag eingezogen, in Osteuropa probt man in Großmanövern den Krieg und in Syrien drohen die Atommächte USA und Russland konfrontativ im Stellvertreterkrieg aufeinander zu stoßen, so dass selbst der deutsche Außenminister vom Abgrund redet. Der Mainstream westlicher wie östlicher Medien macht jeweils die gegnerische Seite für die Eskalation der Kriegsvorbereitungen, der militärischen wie psychologischen, verantwortlich, listet Statistiken über Aufrüstung auf, inszeniert Drohkulissen, rechtfertigt geostrategische Ansprüche, verweist auf Bündnisverpflichtungen und glaubt, sich mit Abschreckung schützen zu können.

Ja, man erklärt sogar, dass der Einsatz atomarer Massenvernichtungswaffen „im Ernstfall glaubhaft“ sein müsse. Und wenn, wie geschehen, auch nur für Minuten der Koffer mit dem Codewort für den planetaren Untergang für den Präsidenten nicht zuhanden ist, bricht im Gefolge Panik aus. Von all dem rhetorischen Gemetzel, dem Rechtfertigungsgeschwafel für immer mehr Rüstungs- und Aggressionspotenzial in einer Welt mit Hunger, Flucht und Umweltzerstörung sollte man der Überzeugung des Pazifismus folgen: Die Waffen nieder, Schwerter zu Pflugscharen. Heißt konkret für uns: Keine Exporte von Rüstungsgütern, keine Atomwaffen auf deutschem Boden, keine Interventionstruppen, keine Sanktionen, Aufbau kollektiver Sicherheitsbündnisse wie OECD, Stärkung der Völkergemeinschaft in der UN. Unrealistisch? Illusionär? Sicherlich weniger, als zu glauben, die militärischen Optionen könnten uns vor der Höllenfahrt retten.

Jörg Sternberg, Hanau

[FR. 27.02.2018]

Dalai Lama: Unser Weg in eine friedliche Welt

Der Dalai Lama Exklusiv in der HÖRZU: Herzensbildung, Toleranz, Empathie: Franz Alt fragte den geistlichen Führer der Tibeter, was jeder von uns tun kann, um die Erde in einen friedlicheren Ort zu verwandeln.
Wie kann das 21. Jahrhundert eine Epoche des Friedens werden? Welche Werte sind heute wichtig? Was muss sich ändern in der Welt? Der Dalai Lama, spiritueller Führer der Tibeter, findet Antwort auf bedeutende Fragen unserer Zeit. Vor zwei Jahren hat er zusammen mit dem Journalisten Franz Alt das Buch „Der Appell des Dalai Lama an die Welt“ (Benevento, 56 Seiten, 4,99 Euro) veröffentlicht, das inzwischen in 16 Sprachen übersetzt wurde und ein Weltbestseller ist.

Jetzt haben sich die beiden Freunde in Frankfurt wieder getroffen, bereits zum 36. Mal. Der Dalai Lama ist nach 58 Jahren im Exil einer der ältesten Flüchtlinge der Welt. Dass er immer noch optimistisch ist, nennt Franz Alt das „Wunder des Dalai Lama“. Exklusiv in HÖRZU fasst er die wichtigsten Botschaften Seiner Heiligkeit zusammen:

Abrüstung und Toleranz

Der Dalai Lama sagt: „Abrüstung ist praktiziertes Mitgefühl. Voraussetzung einer äußeren Abrüstung ist allerdings eine innere Abrüstung von Hass, Vorurteilen und Intoleranz. Ich appelliere deshalb an alle aktuellen Kriegsparteien: ‚Rüstet ab und nicht auf!‘. Und an alle Menschen: ‚Überwindet Hass und Vorurteile durch Verständnis, Kooperation und Toleranz!‘“

Donald Trump und Amerikas Zukunft

„Wenn der amerikanische Präsident sagt ‚America first’, dann macht er seine Wähler glücklich. Das kann ich verstehen. Aber aus globaler Sicht ist diese Aussage nicht relevant. In der globalen Welt hängt heute alles mit allem zusammen. Amerikas Zukunft hängt auch von Europa ab und Europas Zukunft auch von den asiatischen Ländern. Deshalb sollte der US-Präsident mehr nachdenken über das, was für die ganze Welt relevant ist.“

Nationalismus und Konflikte

„Nationalismus ist ein ernstes Problem. Es ist zunächst einmal logisch, dass die vielen Nationen sich um ihre eigenen Belange kümmern. Die Europäische Union ist jedoch ein gutes Beispiel für gelungene internationale Zusammenarbeit. Nach Jahrhunderten der Kriege und des gegenseitigen Abschlachtens hat in den letzten 60 Jahren kein einziges Land der Europäischen Union gegen ein anderes Krieg geführt. Die Geschichte lehrt uns: Wenn Menschen nur ihre nationalen Interessen verfolgen, gibt es Streit und Krieg. Die EU ist weltweit das vorbildliche Friedensprojekt. Die Zukunft einzelner Nationen hängt immer auch von den Nachbarn ab – davon, dass es auch ihnen gut geht. Wir müssen jetzt lernen, dass die Menschheit eine einzige Familie ist. Wir alle sind physisch, mental und emotional Brüder und Schwestern. Aber wir legen den Fokus noch viel zu sehr auf unsere Differenzen anstatt auf das, was uns verbindet. Dabei sind wir doch alle auf dieselbe Weise geboren und sterben auf dieselbe Weise. Es ergibt wenig Sinn, mit Stolz auf Nation und Religion auf dem Friedhof zu landen!“

Flüchtlingskrise und Heimat

„Die Politik muss Mitgefühl für Menschen in Not zeigen. Migranten dürfen nicht diskriminiert werden. Ein paar Tausend Flüchtlinge jedes Jahr sind kein Problem für die reichen Länder. Deutschland hat in den letzten zwei Jahren sogar über eine Million Flüchtlinge aufgenommen, was ich sehr begrüße. Aber eine Million geht nicht jedes Jahr. Auf lange Sicht sollten die Flüchtlinge wieder zurückkehren und ihre Heimat aufbauen.“…

Volltext

BUCHTIPP: Jean Ziegler: Der schmale Grat der Hoffnung. Meine gewonnenen und verlorenen Kämpfe und die, die wir gemeinsam gewinnen werden

Klappentext:

Seit vielen Jahren setzt sich Jean Ziegler im Auftrag der Vereinten Nationen mit all seinen Kräften für die Menschen ein, die Frantz Fanon die Verdammten der Erde genannt hat. Zunächst als UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, dann als Vize-Präsident des Beratenden Ausschusses des Menschenrechtsrats kämpft er gegen Hunger und Unterernährung, für Menschenrechte, für Frieden.

Von diesen Kämpfen, seinen Erfolgen – aber auch den Niederlagen – berichtet Jean Ziegler aus unmittelbarer Erfahrung, beleuchtet die imperialen Machenschaften hinter den demokratischen Kulissen, analysiert die Strategien der Beutejäger des globalisierten Finanzkapitals. In Sieg und Niederlage fragt sich der unversöhnliche Zeitzeuge angesichts der mörderischen Spiele der Mächtigen dieser Welt: Was können wir tun, damit die von Roosevelt und Churchill inspirierte Vision einer Weltorganisation politische Praxis wird und die Vereinten Nationen instand gesetzt werden, den Frieden, die Menschenrechte und den Völkern der Welt ein Existenzminimum zu sichern?

Nicht zuletzt übermittelt uns der unbeirrbare Streiter für Recht und Gerechtigkeit mit diesem lebendigen, leidenschaftlichen und sehr persönlichen Buch eine Botschaft der Hoffnung

C. Bertelsmann Verlag (13. März 2017), gebundene Ausgabe: 320 Seiten – EUR 19,99

ISBN-10: 3570103285 ·  ISBN-13: 978-3570103289

Siehe auch: Jean Ziegler „Der planetarische Klassenkampf ist in der Endphase“

Der Soziologe und Autor Jean Ziegler über die „kannibalische Weltordnung“ und die „Proto-Faschisten der AfD“.  Interview in der Frankfurter Rundschau vom 27.03.2017.