Nach der Bundestagswahl hochaktuell: Kirche von unten, Kirche von oben – Der Fall „Heinrich Knechten “ – Offener Brief an den Bischof von Münster. 18. März 1984

Von Dietrich Stahlbaum

Im September 1982 übernimmt ein junger Priester sein Amt als Kaplan in Oer-Erkenschwick, einer kleinen Bergarbeiterstadt im Kreis Recklinghausen. Er macht bald die Erfahrung, daß – wie er später schreibt – „politische ´Neutralität` die herrschenden Kräfte unterstützt, die Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung, Kriegsgefahr und Elend in der ´3. Welt` verursachen.“

Er wird im Januar 1983 Mitglied der Grünen Wählergemeinschaft Oer-Erkenschwick, baut einen „3. Welt“- Laden auf und bezahlt die 400 DM Miete aus seiner Tasche.

Er engagiert sich in der Friedensbewegung, wendet sich in einer Predigt zum Thema „Frieden bei Franziskus und heute“ und in einem Leserbrief gegen die sogenannte Nachrüstung, moderiert eine Podiumsdiskussion zum Thema „Atomwaffenfreie Zone Oer-Erkenschwick“ und betreut als Seelsorger vor allem Jugendliche, Senioren und Frauen.

Sein Eintritt in die Grüne Wählergemeinschaft löst eine Auseinandersetzung aus, die seine Pfarrgemeinde, die Kirchenbehörde und den Bischof von Münster, die örtliche Presse und natürlich auch ihn ein Jahr lang beschäftigt.

Er gibt eine öffentliche Erklärung ab, in der er zu seiner Parteinahme für die Grüne Wählergemeinschaft Stellung nimmt.

Er nennt vier Gründe:

  1. „Einsatz für die soziale Not der ´3. Welt´ erfordert nicht nur karikative Tätigkeit, sondern auch politische Arbeit, da die Verursacher der Not (Banken, internationale Konzerne) auch in Deutschland anzutreffen sind.“
  2. „Friedensarbeit: Es ist meine Überzeugung, daß wir in Christus Frieden finden, aber diese Überzeugung hat auch Konsequenzen. Wenn das Überleben der Menschheit in Frage gestellt ist durch die augenblickliche Hochrüstung, wenn Millionen verhungern, weil das notwendige Geld anstatt in Entwicklungsprogramme in Rüstungsausgaben geht, darf ich als Priester nicht neutral bleiben.“
  3. „Ökologie: Wenn unsere Umwelt stirbt, kann ich es nicht mit bloßen Appellen bewenden lassen. Gott hat die Welt geschaffen, nicht damit wir sie zerstören und damit der Generation nach uns die Lebensmöglichkeiten nehmen.“   
  4. „Frauenbewegung: Gewalt gegen Frauen, ungleiche Ausbildung und Bezahlung, ungerechte Renten, anstehender Militärdienst der Frauen, ungenügender Mutterschutz; die doppelte Unterdrückung der Frauen in der ´3. Welt´ – all das erfordert politische Arbeit.

Dies sind auch die Ziele der Wählergemeinschaft der Grünen Oer-Erkenschwick.“

Er erhält anonyme Anrufe, z. B.: „Wir brauchen einen Kaplan und keine grüne Tomate.“ Drohungen, Briefe. Die Leiterin der Seniorengruppe schreibt unter anderem: „Es ist mir mich unvorstellbar, daß sich ein Priester so erniedrigt… Ich kenne viele Mütter, die sehr traurig darüber sind, weil ihre Kinder sich auch in diesem grünen Milieu bewegen.“

Die Erkenschwicker Zeitungen veröffentlichen Leserbriefe und Erklärungen des Pfarrgemeinderats gegen den „grünen Kaplan – oder wie es heißt – „grünen Wolf im Schafspelz“.   

Und ein Mitglied des Pfarrgemeinderats erklärt: „Eine Mitgliedschaft (des Kaplans) in der Union hätte keinen so großen Wirbel ausgelöst…“

Im Februar 1983 erklären sich sechs katholische Pfarrer und Kapläne aus den Nachbargemeinden öffentlich mit ihm solidarisch.

Weitere Leserbriefe, in denen für den Kaplan Stellung genommen wird, erscheinen.

Im Juni, bei einem Gespräch mit zwei Leuten aus der Kirchenleitung, zitiert einer von ihnen aus einem Heft „Die chaotische Welt der Grünen“, herausgegeben von einem evangelischen Pastor, den Ausspruch der Alternativen Liste Berlin: „Wir sind gegen die Ehe“ und behauptet, die Grüne Wählergemeinschaft Oer-Erkenschwick sei gegen die Ehe eingestellt.

Ihm wird eine Versetzung angedroht. Er bittet den Bischof, halbtags seelsorgerisch in der Gemeinde, halbtags körperlich arbeiten zu dürfen, weil ihm „die Notwendigkeit, sich auf Dauer in der Arbeitswelt (und in der Welt der Arbeitslosen) zu engagieren, deutlicher“ wird.

Er will als Priester seinen Lebensunterhalt durch körperliche Arbeit verdienen und nicht von der Kirchensteuer leben, deren Abschaffung er fordert.

Er will nicht im Pfarrhaus wohnen, weil dies ein Privileg ist, das einem Priester nicht zusteht, sondern in einem Wohngebiet einfacher Menschen und so wie sie.

Im November 83 wird er vom Bischof von seinen Aufgaben als Kaplan der Pfarrgemeinde St. Josef „befreit“. Dazu der Pfarrgemeinderat in einer öffentlichen Erklärung: „Wir respektieren den Entschluß unseres Kaplans, wenn er den Wunsch hat, sich nach einem neuen Betätigungsfeld umzusehen. Und der Bischof weigert sich, die Gründe für die Amtsenthebung des Kaplans öffentlich zu nennen. Schließlich stimmt der Kaplan dem Vorschlag des Bischofs zu, für mein Jahr, also für eine begrenzte Zeit, als Pfleger in einem Bildungs- und Pflegeheim für Schwerbehinderte zu arbeiten, um danach halbtags Gemeindearbeit und halbtags körperliche Arbeit zu verrichten.

Bei einem Vorstellungsgespräch in diesem Heim wird ihm erklärt, er werde für mehrere Jahre acht Stunden lang als Pfleger eingesetzt, er wolle ja Arbeiterpriester werden. Und: „Wenn die Mitarbeiter den Eindruck haben, hier sollte ihnen eine verkrachte Existenz zwischengeschoben werden, würde er bei denen kein Bein auf die Erde bekommen.“

Im Januar 84 erfolgt die Versetzung in das Bildungs- und Pflegeheim in Gescher. Er wird vom Bischof zum „Mitarbeiter“ ernannt, im Vertrauen des Bischofs darauf, daß er sein „Amt als ´guter und treuer Knecht` (Mt. 25, 21 ff.)  zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen versehen“ wird.

Er weigert sich, diese Stelle anzutreten, weil er sich betrogen sieht.

Er wird für drei Jahre beurlaubt und ist seit vorgestern nach einem befristeten Arbeitsvertrag in den Opelwerken Bochum wieder arbeits- und mittellos.

* * *

Offener Brief an den Bischof von Münster

Herrn Dr. Lettmann

Domplatz 27

4400 Münster

Sehr geehrter Herr Bischof Lettmann!

Wir – die Delegierten der GRÜNEN aus NRW, darunter viele katholischen Glaubens, die z. Zt. hier in Marl versammelt sind, sind bestürzt über die von ihnen verfügte Amtsenthebung und Strafversetzung des Kaplans Heinrich K n e c h t e n aus Oer-Erkenschwick.

Dieser junge Kaplan, übrigens kein Mitglied unserer Partei, hat sich in vorbildlicher Weise um soziale und ökologische Probleme gekümmert.

Er hat Partei ergriffen für die Armen und Schwachen. Er hat vielen, vor allem jungen Menschen geholfen, wieder Mut zu fassen. Er hat sich für den Frieden eingesetzt und damit gegen die menschen- und völkerverachtende Politik der atomaren Abschreckung, gegen die Zerstörung der Natur durch militärische und industrielle Gewalt, gegen die Ausplünderung der Rohstoffländer und der Völker der „Dritten Welt“ durch die Industrienationen und gegen Engstirnigkeit und Apathie in unserer Gesellschaft.

Er hat seinen Wehrpaß zerschnitten und mit einem Begleitschreiben je zur Hälfte an das Bundesverteidigungsministerium und an das Kreiswehrersatzamt Recklinghausen geschickt.

Er hat sich so verhalten, wie es auch Nichtchristen von einem Menschen, der das Leben des Jesus von Nazareth nachzuleben versucht, erwarten. Er hat, wie dieser Unruhe in seine Gemeinde gebracht. Er hat, wie dieser, Menschen schockiert und erschüttert. Er hat aufgerüttelt.

Die Folge war, daß führende und einflußreiche Mitglieder der Pfarrgemeinde St. Joseph, in der Mehrzahl Mitglieder der CDU und sogar Ratsherren der CDU-Fraktion, gegen Kaplan Heinrich Knechten agitiert und seine Kaltstellung betrieben haben. Die Folge waren Unterstellungen, Beschimpfungen, Drohungen und Behinderungen seiner Arbeit, aber auch solidarische Interventionen durch zahlreiche Mitglieder seiner Pfarrgemeinde und Pfarrer aus Nachbargemeinden.

Die Mitgliedschaft eines katholischen Geistlichen in einer Grünen Wählergemeinschaft und seine Kandidatur für den Stadtrat kann kein Grund zur Amtsenthebung und Strafversetzung sein; denn es gibt viele katholische Priester, die Mitglied, Mandatsträger und Funktionäre der CDU und der CSU sind.

Wir bestreiten der Kirche das Recht, Menschen zu verknechten, auch wenn sie Knechten heißen.

Wir erwarten, daß Sie bei künftigen Konflikten dieser Art Entscheidungen treffen, die die im Grundgesetz verankerten Rechte aller Bundesbürger nicht einschränken.

Mit freundlichen Grüßen

Die Landesversammlung der GRÜNEN NRW.

Gez. Dietrich Stahlbaum, Kreissprecher

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Dr. Heinrich Michael Knechten (71) ist seit 1991 Pfarrer der russisch-orthodoxen Gemeinde der heiligen Boris und Gleb in Datteln-Horneburg dst.

Jetzt aktualisiert bei allen Versandbuchhandlungen abrufbar: „Das Buch in der Wolke. Work in Progress“

Coverbild für "Das Buch in der Wolke"

 Klappentext:

„Book in Progress“? Dieses 14. E-Book soll nun wirklich das allerletzte sein. Ein Experiment. Ich bin 93 und kann den natürlichen Alterungsprozess nicht aufhalten, höchstens verzögern. Die Produktivität lässt, wie der Geschlechtstrieb, nach. Das Gehirn arbeitet langsamer.  Gedächtnis, Denken, Sprechen und Schreiben brauchen mehr Zeit. Das Langzeitgedächtnis ist besser als das kurzzeitige. Mir fallen Ereignisse, Erlebnisse, Begegnungen, Menschen und Orte und deren Namen ein, die mich irgendwann mal in meinem Leben beeindruckt haben müssen, längst vergessen sind oder überhaupt nicht existiert haben. „Dichtung und Wahrheit“. Goethe.

Zum Beispiel das Gedicht „Frühlingsglaube“ von Ludwig Uhland, das ich persifliert habe, obwohl ich es wahrscheinlich nie gekannt habe. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, ob wir es im Deutschunterricht „durchgenommen“ haben. Dennoch kam mir die Anfangszeile „Die linden Lüfte sind erwacht“ bekannt vor. Bei Wikipedia fand ich dann die Bestätigung, dass es dieses Gedicht tatsächlich gibt.

Ich werde bis zu meinem Lebensende oder solange ich sehen, denken und empfinden kann, Sehenswertes fotografieren, das Zeitgeschehen beobachten und kommentieren, literarisch arbeiten und die Produkte nach und nach in diesem E-Book publizieren.

Das Buch kann jetzt zum aktuellen Preis von € 0,99 auf ein Lesegerät oder einen PC hier heruntergeladen werden -> https://www.bookrix.de/_ebook-dietrich-stahlbaum-das-buch-in-der-wolke/

 

Jörg Sternberg: Die Waffen nieder!

Leserbrief in der Frankfurter Rundschau zu Syrien: „Der Krieg aller gegen alle“, FR-Politik vom 22. Februar:

„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“, haben sich die Überlebenden des KZ Buchenwald über alle ideologischen Grenzen hinweg – Christen, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten – 1945 geschworen. Als Kind habe ich, ohne den Sinn recht zu verstehen, beides in der Zeit der Ausläufer des Nazireichs und der Weltkriegskatastrophe noch erlebt. Wie ein NSDAP-Ortsgruppenleiter von amerikanischen Soldaten verhaftet wurde, wie ein SS-Mann die weiße Fahne vom Dach der Bürgermeisterei riss und die Panzer der Amerikaner, die schon abgerückt waren, wieder die Rohre auf die Häuser richteten. Später habe ich wie andere Lehrer und Historiker auch Schulklassen durch Buchenwald geführt, vorbei am Zoo zur Unterhaltung der Todgeweihten, den Kammern voll von Menschenhaar und Schuhen, der Genickschussanlage und den Verbrennungsöfen. Höcke und Poggenburg hätten darunter sein können.

Heute ist die Nazi-Ideologie als größte Oppositionsfraktion in den Bundestag eingezogen, in Osteuropa probt man in Großmanövern den Krieg und in Syrien drohen die Atommächte USA und Russland konfrontativ im Stellvertreterkrieg aufeinander zu stoßen, so dass selbst der deutsche Außenminister vom Abgrund redet. Der Mainstream westlicher wie östlicher Medien macht jeweils die gegnerische Seite für die Eskalation der Kriegsvorbereitungen, der militärischen wie psychologischen, verantwortlich, listet Statistiken über Aufrüstung auf, inszeniert Drohkulissen, rechtfertigt geostrategische Ansprüche, verweist auf Bündnisverpflichtungen und glaubt, sich mit Abschreckung schützen zu können.

Ja, man erklärt sogar, dass der Einsatz atomarer Massenvernichtungswaffen „im Ernstfall glaubhaft“ sein müsse. Und wenn, wie geschehen, auch nur für Minuten der Koffer mit dem Codewort für den planetaren Untergang für den Präsidenten nicht zuhanden ist, bricht im Gefolge Panik aus. Von all dem rhetorischen Gemetzel, dem Rechtfertigungsgeschwafel für immer mehr Rüstungs- und Aggressionspotenzial in einer Welt mit Hunger, Flucht und Umweltzerstörung sollte man der Überzeugung des Pazifismus folgen: Die Waffen nieder, Schwerter zu Pflugscharen. Heißt konkret für uns: Keine Exporte von Rüstungsgütern, keine Atomwaffen auf deutschem Boden, keine Interventionstruppen, keine Sanktionen, Aufbau kollektiver Sicherheitsbündnisse wie OECD, Stärkung der Völkergemeinschaft in der UN. Unrealistisch? Illusionär? Sicherlich weniger, als zu glauben, die militärischen Optionen könnten uns vor der Höllenfahrt retten.

Jörg Sternberg, Hanau

[FR. 27.02.2018]

Wilhelm Neurohr: „Schweigt die Friedensbewegung zur privaten „Münchener Sicherheitskonferenz?“

Leserbrief an das Medienhaus Bauer, Marl, zur Berichterstattung über die Münchener Sicherheitskonferenz:

„Schweigt die Friedensbewegung zur privaten „Münchener Sicherheitskonferenz?“

Die Berichte über die so genannte „Münchener Sicherheitskonferenz“ (früher hieß sie ehrlicherweise „Wehrkundetagung“ der Militärexperten und Rüstungslobby) und zuvor über den „Weltwirtschaftsgipfel von Davos“ offenbaren  uns eine äußerst bedenkliche Tendenz, die alle Demokraten eigentlich wachrütteln sollte: Nicht mehr die dafür eigentlich zuständigen und demokratisch legitimierten Gremien etwa der UN oder der EU organisieren offiziell den internationalen politischen Dialog über globale Wirtschafts- oder Friedensfragen. Sondern zunehmend sind es privat organisierte inoffizielle Großveranstaltungen auf Initiative von Wirtschafts- und Rüstungslobbyisten, die den erlauchten Teilnehmerkreis und die Themen bestimmen.  Stolz brüsten sie sich damit, diese Privatkonferenzen zu den „bedeutendsten informellen Foren“ der „Eliten“ aufgewertet zu haben, mit denen sie die offiziellen Gipfelkonferenzen der Staats- und Regierungschefs in den Schatten stellen.

Und sie bestimmen auch, welche ausgewählten Politiker – diesmal Einhundert an der Zahl – bedeutend genug sind, um von Ihnen exklusiv und selektiv eingeladen und als Redner auserkoren zu werden, nebst der Überzahl der diesmal 400 selbst ernannten zahlreichen Teilnehmern aus Wirtschaft, Lobbyverbänden, Militär und sogar Geheimdiensten. Die so geschmeichelten Politiker geben sich dort gerne die Klinke in die Hand auf den illustren Treffen, so dass auch die Medien meist unkritisch diese von staatlichen Sicherheitskräften bewachten jährlichen privaten Großveranstaltungen wie offizielle internationale Staatskonferenzen oder Wirtschaftsgipfel behandeln. Damit gehen sie alle den Interessengruppen auf den Leim und belegen die enge Verquickung zwischen Politik, Wirtschaft und Militär sowie Medienschaffenden. Nicht zuletzt geben sie damit sogar den „Verschwörungstheoretikern“ neue Nahrung, denn deren Behauptung, dass die eigentlichen politischen Entscheidungen in solchen hochkarätigen „informellen“ Zirkeln vorbereitet werden statt in den gewählten Parlamenten oder durch das Volk als Souverän, erscheint plötzlich nicht so abwegig. Nickt der Bundestag nur noch die ausgetauschten Militär-Strategien der privaten „Sicherheitskonferenz“ ab und akzeptiert die neue teure Rüstungsspirale?

Gerade die letzten drei Münchener Sicherheitskonferenzen von 2016 und 2018 haben ohne begleitende Parlamentsdebatten oder öffentlichen Diskurs bedenkliche Militär- und rüstungspolitische Vorentscheidungen als Paradigmenwechsel politisch unwidersprochen präjudiziert. Die derzeit nur geschäftsführende Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, im Vorjahr in München flankiert vom damaligen Außenminister Steinmeier und Bundespräsidenten Gauck, legt sich  in München erneut auf deutsche Auf- und Nachrüstungsverpflichtungen in nie dagewesener Höhe mit haushaltspolitischer Priorität fest. Zugleich definiert sie mit markigen Worten, am Grundgesetz meines Erachtens vorbei,  eine ganz neue militärische Rolle Deutschlands und Europas. Wen interessiert es, dass Umfragen zufolge über 70% der Deutschen sich gegen eine weitere Aufrüstung und Erhöhung des Verteidigungsetats aussprechen?

Mit einer europäischen Armee neben der NATO in einer „europäischen Militärunion“, wie kürzlich von der EU-Exekutive (am Bundestag vorbei) beschlossen,  wird die Militarisierung der Europapolitik vorangetrieben statt eine neue Abrüstungsinitiative zu starten oder Entspannungspolitik mit dem Osten. Stattdessen das Motto der 1950-er Jahre: „Wenn die Russen kommen…“. Alles läuft auf einen neuen „kalten Krieg“ hinaus, wie schon in der „Sicherheitspolitischen Agenda“ der Bertelsmann-Stiftung im Auftrag der EU vor Jahren entwickelt und empfohlen.  Demgemäß der markige Originalton von der Leyen in München: „Deutschland braucht mehr militärisches Gewicht und darf sich nicht hinter seiner Geschichte verstecken, sondern muss akzeptieren, dass unsere Soldatinnen und Soldaten auch tatsächlich eingesetzt werden, um für Sicherheit und Freiheit zu kämpfen.“ Erschreckend ist das Schweigen der Zivilgesellschaft und der kaum noch existenten Friedenbewegung dazu.                                                                                            

Wilhelm Neurohr

Wilhelm Neurohr: „Geschäftsführende Bundesminister überschreiten ihre Kompetenzen“

Leserbrief an das Medienhaus Bauer zur aktuellen Berichterstattung über spektakuläre  Regierungsaktivitäten:

 „Geschäftsführende Bundesminister überschreiten ihre Kompetenzen“

Sprachlos nehmen wir als Bürger aktuell die überraschenden Alleingänge und „aktionistischen Schnellschüsse“ einiger Bundesminister aus der momentanen „Übergangsregierung“ zur Kenntnis: Obwohl sie nur noch „geschäftsführend“ amtieren bis zur Bildung einer neuen Koalitionsregierung mit parlamentarischer Mehrheit, haben sie sich offenbar selber dazu ermächtigt, vorher bereits vollendete Tatsachen zu schaffen  und erhebliche Haushaltsverpflichtungen auszulösen – alles ohne vorherige Parlamentsbeteiligung und ohne einen öffentlichen Diskurs mit der Bevölkerung und den Kommunen, von wegen „parlamentarische Demokratie“. Der Artikel 69 des Grundgesetzes legt nach Auffassung von Verfassungsrechtlern einer nur geschäftsführenden Übergangsregierung größtmögliche politische Zurückhaltung auf. Vor allem darf sie keine Entscheidungen und Beschlüsse treffen, die eine Nachfolgeregierung binden oder erhebliche  haushaltswirksame Ausgaben nach sich ziehen – genau das aber passiert derzeit. Die geschäftsführenden Bundesminister überschreiten ihre Kompetenzen!

Die Rede ist einerseits von der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit ihrer alleinigen Festlegung für eine neue militärische NATO-Logistik- und Kommandozentrale in Deutschland am Standort Bonn – als Hauptquartier für die Koordination und Planung der Truppen- und Materialtransporte in Europa – mit erheblichen Kostensteigerungen für den deutschen Verteidigungshaushalt! Zum anderen von dem Trio Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) mit ihrer unausgegorenen Festlegung gegenüber der EU-Kommission für kostenfreien ÖPNV in lediglich 5 von Ihnen ausgesuchten Modellstädten – derweil in über 70 bundesdeutschen Ballungsräumen die Grenzwerte der Schadstoffbelastung regelmäßig überschritten werden. (Dort bleiben einstweilen arbeitslose Schwarzfahrer, die ihr Strafgeld nicht zahlen können, im Knast…).

Es handelt sich also dabei um einen noch völlig unabgestimmten Vorstoß, einerseits  zur Kostenentlastung der Autoindustrie bei deren verweigerter Diesel-Umrüstung und zur Vermeidung von Diesel-Fahrverboten nunmehr durch Verkehrsverlagerung, ohne die Automobilkonzerne (wohl aber die Kommunen) an den erhöhten Kosten für den ticketfreien  ÖPNV zu beteiligen. Andererseits zur Besänftigung des EU-Umweltkommissars, der Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der jahrlangen Grenzwertüberschreitung bei den gesundheitsschädigenden Luftschadstoffen verklagen will. Immerhin haben diese zu  bislang 70.000 vorzeitigen Todesfällen in Deutschland und 400.000 europaweit geführt – insofern verwunderlich, dass noch kein Bürger die Regierung wegen Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung oder sogar „Meineid“ verklagt hat, da sie laut Amtseid geschworen haben, „Schaden vom Volk abzuwenden“. Doch dieser Eid ist leider juristisch „nicht strafbewehrt“ und damit quasi unverbindlich.

Als bereits in den 1970-er Jahren die Jusos spektakulär den  Nulltarif beim ÖPNV gefordert hatten und 1980 ebenfalls die Grünen diese sinnvolle Idee sogar mit einem Praxisversuch in einem Freiburger Stadtteil forcierten, sowie zuletzt  auch die Piratenpartei dies forderte, wurde das von den großen Parteien als „unbezahlbare Utopie und Wunschdenken“ abgetan. Dabei verlangen längst mehr als hundert Städte und Regionen weltweit, darunter auch in Estland die Hauptstadt Tallin, kein Geld für den öffentlichen Nahverkehr. Würde man in  Deutschland den billigen Diesel-Treibstoff ebenso besteuern wie Benzin, hätte man bereits 8 Mrd. € zur Halbierung der Ticketpreise, so haben Verkehrsexperten errechnet. Das aber sieht der wirkungslose Vorstoß der Minister-Trios nicht vor, sondern man will lieber den Bundeshaushalt und die Kommunen belasten – geschäftsführend….

 

Wilhelm Neurohr: Die Koalition der Rüstungslobbyisten „GABRIEL WANDELT SICH ERNEUT VOM SAULUS ZUM PAULUS“

Raketen
Collage mit dem Holzschnitt „Die Mutter“ von Käthe Kollwitz

Leserbrief an das Medienhaus Bauer, Marl, zur Berichterstattung über Gabriels „Sorge vor Atombewaffnung“:

 Die Koalition der Rüstungslobbyisten

„GABRIEL WANDELT SICH ERNEUT VOM SAULUS ZUM PAULUS“

 „Waffenexporte sind Exporte des Todes“. Diese Aussage stammt vom Friedensnobelpreisträger Willy Brandt, dem großen Vorbild aller nachfolgenden SPD-Vorsitzenden. Das hat der Ex-SPD-Vorsitzende und jetzige kommissarische SPD-Außenminister Sigmar Gabriel offenbar nicht verinnerlicht. Denn in seiner Zeit als SPD-Wirtschaftsminister in der letzten GroKo waren die Rüstungsexporte im Wert von 6,24 Mrd. € so hoch wie nie zuvor, berichteten uns jüngst die Medien. Insbesondere die Waffenverkäufe in Drittstaaten und Krisengebiete außerhalb der EU und NATO machten 2017 mit 3,8 Mrd. € über 60 Prozent aller Waffenexporte aus. Deutschland ist drittgrößter Waffenexporteur und hinzu kommen demnächst noch die Aufrüstungsverpflichtungen durch die gerade neu gegründete „Europäische Militärunion“ der EU.

Dabei hatte Sigmar Gabriel  noch 2014 vollmundig versprochen, Deutschlands Rüstungsexporte zu reduzieren und stärker zu kontrollieren, mit der Begründung in Anlehnung an Willy Brandt:  „Wenn man die Waffen in die falschen Regionen gibt, kann es zu einem Geschäft mit dem Tod werden“. Dessen ungeachtet hatte er dann laut Presse beim Privatbesuch seines türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu in Goslar die umfangreiche Modernisierung der türkischen Leopard-Panzer durch den Deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall versprochen, der schon im letzten Jahr 13 Prozent Umsatzsteigerung verbuchte.

Dafür haben zweifellos auch die beiden Rheinmetall-Lobbyisten Dirk Niebel (ehemaliger FDP-Entwicklungshilfeminister und seit 2014 Rheinmetall-Cheflobbyist) und Franz Josef Jung (ehemaliger CDU-Verteidigungsminister und seit 2017 Aufsichtsrat bei Rheinmetall) mit gesorgt, die als „Seitenwechsler“ aus der Politik dorthin gewechselt haben. Aber auch der frühere SPD-Staatssekretär im SPD-Bundeswirtschaftsministerium und frühere Chef der NRW-Staatskanzlei unter Clement, Georg Wilhelm Adamowitsch (SPD), betätigte sich bis Juli 2017 als oberster deutscher Rüstungslobbyist, nämlich als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV). Also eine schwarz-rot-gelbe Koalition der politischen Rüstungslobbyisten in einmütiger Mission, verborgen vor der kritischen Öffentlichkeit.

Entrüstet sehen wir daraufhin  im Fernsehen deutsche Gewehre und Panzer aktuell beim Kriegseinsatz der Türkei gegen die Kurden in Syrien, deren mutiger Einsatz als Bodentruppen im Bündnis mit dem  NATO-Partner USA  die IS-Kämpfer vertrieben hatte. „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan?“

Der Gipfel der Scheinheiligkeit ist jedoch das ganz aktuelle Ablenkungsmanöver von Noch-Außenminister Sigmar Gabriel zu diesem Skandal, indem er jetzt besorgt die Stirn runzelt: Lauthals kritisiert er „im Sinne der besorgten Bürger“ die US-Pläne für neue Atomwaffen und warnt vor einer Spirale eines neuen Wettrüstens,  mit dem der Frieden in Europa bedroht wird. So hat er sich erneut vom Saulus zum Paulus gewandelt. Denn in Wirklichkeit hat er mit seiner GroKo in 2017 zusammen mit den Atommächten die Unterzeichnung  des UN-Atomwaffenverbotsvertrages von 122 Staaten durch Deutschland verweigert. Auch der vom deutschen Bundestag 2010 mit großer Mehrheit gefasste gültige Beschluss zum Abzug der letzten noch verbliebenen US-Atomwaffen aus Deutschland (Büchel in der Pfalz), die Trump jetzt modernisieren will, wurde einfach nicht umgesetzt. Dieser unglaubwürdige Vizekanzler darf nie wieder ein hohes Regierungsamt bekleiden!

Wilhelm Neurohr

Wilhelm Neurohr: „EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNGSUNION EIN VERKAPPTES RÜSTUNGSPROJEKT?“

Leserbrief an die Recklinghäuser Zeitung. Betr:. Bericht über die Europäische Verteidigungsunion (EU-Gipfel)

 „EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNGSUNION

EIN VERKAPPTES RÜSTUNGSPROJEKT?“

Ohne vorherigen öffentlichen Diskurs wurde auf dem letzten EU-Gipfel in diesem Jahr mit  aktuellem Verweis auf Trump und Putin die „Europäische Verteidigungsunion“ von 24 EU-Staaten aus der Taufe gehoben  – wohl auch in der Hoffnung, mit dem gemeinsamen militärischen Engagement als Klammer einem weiteren Auseinanderdriften der EU-Nationalstaaten vorzubeugen.

In Wirklichkeit ist die Idee zu diesem Vorhaben schon Jahrzehnte alt und seither mit eigenen schnellen EU-Eingreifruppen neben der NATO längst vorbereitet worden. Zwar erklärt man eine europäische Armee zum Tabu, weil man keine Doppelstrukturen mit der NATO will, aber die Anzahl und Größe schneller EU-Eingreiftruppen soll erheblich wachsen.

Vor allem wird der  Öffentlichkeit verschwiegen, dass dies mit einer verbindlichen und kostenträchtigen  Aufrüstungsverpflichtung einhergeht sowie mit gleichzeitigem Abschied von jedweden Abrüstungsbemühungen – beginnend mit einem europäischen Verteidigungsfond von 5 Mrd. € und späteren Aufstockungen  aus nationalen Mitteln.

Deutlich mehr Geld für Militär und Rüstung ist deshalb aktuell ein zentrales Thema in der EU (als Friedensnobelpreisträger 2012), das in der öffentlichen Debatte leider untergeht.

Das kommt vor allem der deutschen Rüstungsindustrie zugute, die laut aktueller Veröffentlichung des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes (Sipri) erhebliche Umsatzsteigerungen verzeichnet, allein 13% Plus bei Krauss-Maffai und Rheinmetall. Bekanntlich sind sowohl der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Jung (CDU) als auch  der ehemalige Entwicklungshilfeminister Niebel (FDP) als Seitenwechsler nunmehr Lobbyisten bei Rheinmetall.

Schon derzeit geben die europäischen Nato-Länder mit 250 Mrd. € oder 237 Mrd. Dollar ein Vielfaches fürs Militär aus als Russland, wo die Militärausgaben nur 69 Mrd. Dollar betragen bzw. 75 Mrd. Dollar in der gesamten russischen Föderation in Osteuropa. Allein die beiden EU-Länder Deutschland und Frankreich wenden zusammen 97 Mrd. € fürs Militär auf, also deutlich mehr als Russland mit 61 Mrd. €, das seine Rüstungsausgaben sogar kürzt (alles Stand 2016, Statistik-Portal „Statista“ und FAZ vom 24.03.2017). Die EU dreht also kräftig an der Rüstungsspirale.

Auf ihrem Jubiläumsgipfel in Rom, anlässlich des 60-jährigen Bestehens der kriselnden EU, hat deshalb die EU-Spitze vierZiele für die nächsten Jahre beschlossen, darunter das wohl wichtigste Ziel: „Ein stärkeres Europa in der Welt mit internationalen Partnerschaften, das dazu beiträgt, eine stärker wettbewerbsfähige und integrierte Verteidigungsindustrie zu schaffen.“ Ist also die „Europäische Verteidigungsunion“ in Wirklichkeit ein verkapptes Rüstungsprojekt gigantischen Ausmaßes?

Schon der Art. 42 des gültigen Lissabonner EU-Grundlagenvertrages von 2009 sieht jährliche Aufrüstungsverpflichtungen und deren Kontrolle durch die europäische Verteidigungsagentur (EDA) vor. Jüngst wurde von den meisten EU-Staaten einschließlich Deutschland folglich auch die Unterzeichnung des UN-Atomwaffenverbotsvertrages verweigert, der von 122 Staaten weltweit unterstützt wird. (Die zivilgesellschaftlichen Initiatoren erhielten dafür gerade den Friedennobelpreis). Ein gültiger, aber nie umgesetzter Beschluss des deutschen Bundestages von 2010 für den Abzug der letzten US-Atomwaffen in Deutschland (Büchel in der Pfalz)  wurde von der großen Koalitionsregierung einfach unter den Tisch gekehrt.

Warum wird das nicht Thema der Koalitions-Sondierungen zwischen SPD und CDU? Schließlich war die SPD mal die Partei des Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt, der um Abrüstung und Entspannung bemüht war und den kalten Krieg mit dem Osten beendete, der jetzt wieder auflebt…

Wilhelm Neurohr (Haltern am See)

Wilhelm Neurohr: „WILL DEUTSCHLAND OPTION FÜR ATOMBEWAFFNUNG?“

Raketen

Collage mit dem Holzschnitt „Die Mutter“ von Käthe Kollwitz

Leserbrief an das Medienhaus Bauer, Politikredaktion:

 „WILL  DEUTSCHLAND  OPTION  FÜR  ATOMBEWAFFNUNG?“

 Sind die regierenden Koalitionsparteien in Deutschland von allen guten Geistern verlassen? Die am 27. März begonnenen Verhandlungen der UNO-Generalversammlung mit 130 Staaten über ein vollständiges Verbot der Atomwaffen weltweit wurden von der Bundesrepublik Deutschland nicht unterstützt, sondern boykottiert! Ihre Ablehnung von atomaren Abrüstungs-Verhandlungen wollte die deutsche Regierung sogar mit einer Protestnote untermauern.

Was ist das im Superwahljahr für ein erschreckendes  Signal des humanitären Deutschland an die Weltgemeinschaft, ganz ohne vorherige öffentliche Diskussion und Bürgerbeteiligung? Damit folgte unsere Regierung willfährig der Ablehnung der fünf offiziellen Atomwaffenmächte USA, Russland, Großbritannien und Frankreich, während sich China sogar für ein Verbotsabkommen ausgesprochen hat. Will sich Deutschland damit eine Option für atomare Aufrüstung offenhalten, nachdem man sich neuerdings zur „führenden Macht in Europa“ erklärt, mit dem dazu „notwendigen“ militärischen Engagement seit den entsprechenden Bekundungen auf der „Münchener Sicherheitskonferenz“?

Dies erfuhren die Zeitungsleser und Fernsehzuschauer vorige Woche alles nur so nebenbei in den Nachrichten unter „ferner liefen“. Für die politischen Talkshows war dieses skandalöse Verhalten der deutschen Regierung  überhaupt kein Thema, denn dort waren die „Regionalwahlen“ im Saarland – mit nur wenig mehr Einwohnern als der Kreis Recklinghausen – das dominierende Tagesthema als willkommene Ablenkung. Offensichtlich wollte man keine neue  Friedensbewegung im Superwahljahr 2017 aufwecken, wie seinerzeit 1958, als Hunderttausende gegen die von Bundesverteidigungsminister Franz-Josef-Strauß geplante atomare Bewaffnung der Bundesrepublik und der NATO auf die Straße gingen. Schon zwischen 1950 und 1955 wollten die Bundesbürger überhaupt keine Wiederbewaffnung ihrer Republik.

Vorausgegangen war dem Atomstreit damals die auslösende „Göttinger Erklärung“ von  18 renommierten deutschen Physikern sowie eine entlarvte Lüge des damaligen Bundeskanzlers Adenauer sowie der Rücktritt von Bundesinnenminister Gustav Heinemann. Nur zu gut hatten sich die Menschen an die Folgen von Atomwaffeneinsätzen in Hiroshima und Nagasaki erinnert. Nun also 72 Jahre später ein neuer Versuch und Anlauf, sich für die Zukunft eine Hintertür aufzuhalten für eine atomare Bewaffnung in Deutschland und Europa, über die Atommächte England und Frankreich hinaus? Warum wird die UNO sonst in ihrem atomaren Abrüstungsbemühen geschwächt statt unterstützt?

Generell ist ja in Deutschland, als einem führenden Waffenexporteur,  das Thema Abrüstung seit Jahren komplett von der Tagesordnung und aus dem Bundeswehr-Weißbuch genommen worden zugunsten massiver Aufrüstung mit aufgestocktem  Verteidigungsetat. Der neue „kalte Krieg“ mit Russland und die fernen Auslandseinsätze in aller Welt werden dafür als fadenscheinige Begründung angeführt. Und das unter SPD-Außenministern Steinmeier und Gabriel? Der Friedensnobelpreisträger Willy Brandt würde sich im Grab umdrehen, so kommentierte die „taz“, wenn er miterleben müsste, wie sich seine Genossen  drehen und wenden, um ihre Ablehnungs- und Verweigerungshaltung zu rechtfertigen….

Doch darin hat Deutschland gute Übung. Schon  bei der Unterzeichnung der UNO-Konvention zur Ächtung von Streumunition und Landminen 2008 tat sich das zögerliche Deutschland mit der Unterzeichnung zunächst schwer. Und die UNO-Konvention gegen Abgeordnetenbestechung  hatte Deutschland erst  11 Jahre später, als einer der letzten Staaten nach Nordkorea und Libyen, widerstrebend unterzeichnet… Man kann nur hoffen, dass jetzt die Friedensbewegung wieder aufersteht und den Aufrüstungsparteien den Wahlkampf verdirbt!

Wilhelm Neurohr

Neuerscheinung: »Verschiedene Ansichten. Neue zeitkritische Beiträge« von Dietrich Stahlbaum

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Klappentext:

Auch für den 90-Jährigen ist es eine „Selbstverständlichkeit, das Zeitgeschehen kritisch zu begleiten und im Netz mitzudebattieren.“ Dies ist nun sein 10. eBook, Fortsetzung des neunten mit Beiträgen des letzten Jahres (2016) zu den gleichen Themen (aktuelle Politik, Globalisierung, Kolonialismus, Krieg und Pazifismus, Flüchtlinge, Fluchtursachen, alte und Neue Rechte, ihr Rassismus, ihre Ängste; philosophische Betrachtungen…) Dazu: Die Arier.  Der folgenschwere Missbrauch eines Begriffes durch Rassisten, Verschwörungstheorien; Entwicklungshelfer – ein Afrika-Fest in Bild und Text, Wer war Martin Luther?… – Rezension eines außergewöhnlichen Buches und ein Zeitungsbericht zu Stahlbaums 90.

Der Autor: geboren 1926, aufgewachsen in einem völkisch deutsch-nationalen Milieu, militaristisch erzogen, faschistisch indoktriniert. „Hitlerjugend“, Militär, I944-45 an zerbröckelnden Fronten, 1949-54 bei der Fallschirmtruppe der französischen Legion in Algerien und Vietnam. Heimkehr als Kriegsgegner. Engagement in Bürgerinitiativen und in der Friedens- und Ökologiebewegung. Berufe: u. a. Fabrikarbeiter, Buchhändler, Verlagsangestellter, Bibliothekar. Publikationen: Prosa, Lyrik, Essays, Reportagen etc. Ein Roman, ein „Lesebuch“, Print- und eBooks.

INHALT:

Verschiedene Ansichten – – Warum feiert heute der Nationalkonservatismus Urständ in Europa? – – Gesamtkultur, Menschheitskultur – – „Fremde“ Kulturen und Verhaltensweisen – – Historische Fluchtursachen – – Deutsche Auswanderer, deutsche Kolonialherrschaft – – PEGIDA, AfD und CO. verbreiteten verschwörungstheoretische Übertreibungen – – „Völkisch“ – – Muslimvereine – – Araberinnen – – Die Arier. Der folgenschwere Missbrauch eines Begriffes durch Rassisten – – Verschwörungstheorien. Eine WDR-Sendung und kritische Anmerkungen – – Multi-ethnischer Staat in Syrien? – – Zur Klimaerwärmung – – Afrika-Fest am 11.Juni 2016 auf dem Schulbauernhof in Recklinghausen (Bild und Text) – – Pazifisten – – Raus aus der NATO? Die Friedensbewegung im „Kalten Krieg“. Wortprotokoll einer Diskussion (1983) – – Der Gewalt (in uns) ein Ende setzen – – Das zurück gegebene Schwert. Eine vietnamesische Legende – – Barack Obama – – Herz und Hirn – – Frauen, die für Gleichberechtigung kämpfen – – Der SPD ist die soziale Kompetenz verloren gegangen – – Wer war Martin Luther? Was hat er gelehrt? Was hat er gewollt? Rezension – –  90 Jahre mitten im Strom der Zeit. Ein Lebensbericht

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Dietrich Stahlbaum:  »Verschiedene Ansichten- Neue zeitkritische Beiträge«                   BookRix-eBook  2017, 11658 Wörter, € 3,99, ISBN: 978-3-7396-9350-7

Das eBook kann für € 3,99 auf Ihren Computer oder ein Lesegerät heruntergeladen werden.

Aufruf: „Die Spirale der Gewalt beenden – für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik jetzt!“

Aufruf: „Die Spirale der Gewalt beenden – für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik jetzt!

Immer mehr setzen die NATO und Russland auf Abschreckung durch Aufrüstung und Drohungen gegeneinander statt auf gemeinsame Sicherheit durch vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen, Rüstungskontrolle und Abrüstung.

Sie missachten damit auch ihre Verpflichtungen zum Aufbau einer gesamteuropäischen Friedensordnung, zur Stärkung der Vereinten Nationen und zur friedlichen Beilegung von Streitfällen mit einer obligatorischen Schlichtung durch eine Drittpartei, die die Staatschefs Europas und Nordamerikas vor 25 Jahren in der “Charta von Paris”*) feierlich unterschrieben haben. Seitdem ist mühsam aufgebautes Vertrauen zerstört, und die friedliche Lösung der Krisen und Konflikte erschwert worden.

Ohne Zusammenarbeit mit Russland drohen weitere Konfrontation und ein neues Wettrüsten, die Eskalation des Ukraine-Konflikts, und noch mehr Terror und Kriege im Nahen Osten, die Millionen Menschen in die Flucht treiben. Europäische Sicherheit wird – trotz aller politischen Differenzen über die Einschätzung des jeweils anderen inneren Regimes – nicht ohne oder gar gegen, sondern nur gemeinsam mit Russland möglich sein.

Das ist die zentrale Lehre aus den Erfahrungen mit der Entspannungspolitik seit den 60er Jahren, namentlich der westdeutschen Bundesregierung unter Willy Brandt. Er erhielt dafür 1971 den Friedensnobelpreis mit der Begründung des Nobelkomitees, er habe „die Hand zur Versöhnung zwischen alten Feindländern ausgestreckt“. Niemand konnte damals wissen, dass kaum zwanzig Jahre später der friedliche Fall der Berliner Mauer und des „Eisernen Vorhangs“ in Europa einen Neuanfang ermöglichen würden, nicht zuletzt ein Ergebnis der von Willy Brandt durchgesetzten und danach fortgesetzten Entspannungspolitik!

Der Ausweg aus der Sackgasse der Konfrontation führt auch heute nur über Kooperation, durch Verständigung mit vermeintlichen „Feindländern“!

Anfang 2009, zum Amtsantritt von Präsident Obama, mahnte der „Architekt der Entspannungspolitik“, Egon Bahr, gemeinsam mit Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker und Hans Dietrich Genscher, in einem Appell für eine atomwaffenfreie Welt: „Das Schlüsselwort unseres Jahrhunderts heißt Zusammenarbeit. Kein globales Problem ist durch Konfrontation oder durch den Einsatz militärischer Macht zu lösen“.

Ähnliche Aufrufe von „Elder Statesmen“ gab es in anderen Ländern. Im Bundestag einigten sich im März 2010 Union, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen auf einen gemeinsamen Antrag (17/1159), der unter anderem den „Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland“ forderte. Angesichts der Eskalation der Ukraine-Krise und zur Unterstützung von „Minsk 2“ wuchs Anfang 2015 auch in den Parteien die Forderung nach einer „neuen Entspannungspolitik“.

Egon Bahr und andere machten immer wieder Vorschläge zur Entschärfung bzw. Lösung der aktuellen Konflikte mit Methoden der Entspannungspolitik. Zahlreiche, teils prominente Bürgerinnen und Bürger engagierten sich mit Erklärungen und Aufrufen. In einer gemeinsamen Erklärung fordern VertreterInnen aus Kirchen, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft „eine neue Friedens- und Entspannungspolitik jetzt!“. Aber diese Aufrufe verhallten nahezu ungehört.

Heute ist die breite gesellschaftliche und parteiübergreifende Debatte über Entspannungspolitik notwendiger denn je, um zu helfen, die Konfrontation in Europa zu beenden und die europäischen Krisen zu bewältigen und – mit Nutzen für die ganze Welt – eine Zone gesamteuropäischer “gemeinsamer Sicherheit“ durch Zusammenarbeit aller Staaten von Vancouver bis Wladiwostok durchzusetzen.

Unterstützen Sie den Aufruf mit dem folgenden Formular –  das erleichtert uns die Erfassung – ODER senden Sie eine E-Mail an Burkhard Zimmermann.

Mehr hierzu →  http://neue-entspannungspolitik.berlin/de/aufruf/