Stichwort GESUNDHEIT

Kritik eines Lesers:

»Corona: Ich habe den Eindruck, dass über das Virus unter Medizinern und Medizinerinnen große Unsicherheit herrscht.«

Beide Aussagen halte ich für richtig.

Mir scheint, dass Du die Causa Corona ähnlich einschätzt wie die Bundesregierung. Und das wundert mich ein wenig. Ich weiß nicht was Ivan Illich heute konkret sagen würde, aber ich weiß, dass er die Medikalisierung des Lebens scharf kritisierte. Er warnte vor dem Irrglauben, das Heil der Menschheit in den Laboren der Pharmaindustrie zu suchen.

In die „Nemesis der Medizin“ zeigte er wie die verschiedenen Interessengruppen, wie Ärzteschaft, Pharmaindustrie und die sie begleitende Ideologie den Patienten zum süchtigen Verbraucher und die Medizin zum Verbrauchsgut werden lassen. Entfremdet von der natürlichen Erfahrung von Gesundheit, Krankheit und Tod, deren Definition den Ritualen der Ärzteschaft vorbehalten wird, wächst der Irrglaube, der Mensch sei vollständig reparabel.
Ich fürchte: Diese Hybris ist zumindest Teil der Entstehungsgeschichte der Causa Corona.

* * *

Meine Antwort:

Lieber H.-J.,

es kann sein, dass ich vor etlichen Jahrzehnten die Nemesis der Medizin“ gelesen habe – mit großer Zustimmung.
Auch ich habe die Schulmedizin abgelehnt, weil sie auf einem mechanistischen Welt- und Menschenbild beruht.
„René Descartes (1596 1650) war es, der damit damals auch der Medizin den Blick so verengt hat, dass 300 Jahre später Sigmund Freud sogar seelisch geistige Prozesse mechanistisch zu erklären versuchte.
Der Philosoph, der daraus, dass er (nach )dachte, schloss, dass er lebt, sah, wie Bacon, Sinn und Zweck wissenschaftlicher Forschung darin, ´uns` die Männer?! ‘zu Herren und Besitzern der Natur zu machen`.
Isaac Newton (1643 1727) schließlich vollendete die kartesianische Weltmaschine zu einem in sich geschlossenen mathematischen System des Universums. Damit war der Dualismus von Geist und Materie, von Subjekt und Objekt besiegelt und die gesamte Wissenschaft für die nächsten Jahrhunderte auf eine materialistisch mechanistische, monokausal deterministische und reduktionistische Weltsicht festgelegt. Einer der schärfsten Gegner solcher Reduktion der Komplexität des Lebens auf Mechanik war übrigens Goethe!
(Aus meinem Essay ASPEKTE EINER ÖKOLOGISCHEN POLITIK 1988)

Damals habe ich begonnen, kritische Literatur über die Schulmedizin und Psychologie zu lesen: Sigmund Freud, Wilhelm Reich, Alexander Mitscherlich und andere), und habe vor allem die Technisierung und Medikalisierung der Medizin und ihre „Götter in Weiß“ kritisiert – mit Ivan Illichs Argumenten.

1976 erschien in der Deutschen Volkszeitung meine autografische Realsatire „Manipulationen“, eine Kritik der Apparate-Medizin, unter dem Titel „Manipulationen oder Die Apparate sehen das nicht“ in meinem letzten, dem 15. eBook DER WIDERSPENSTIGE PATIENT UND ANDERE, ZEITKRITISCHE BEITRÄGE.

-> https://www.bookrix.de/_ebook-dietrich-stahlbaum-d…

In diesem Buch habe ich, teilweise ebenfalls realsatirisch, beschrieben, was ich in den letzten zwei Jahren in verschiedenen Kliniken erlebt und erfahren habe, und habe versucht, die Ursachen der miserablen Zustände zu finden.

Ich kann die – inzwischen – moderne Operationstechnik wie das Schlüssellochverfahren, die videoendoskopische oder laparoskopische Technik, mehrmals an mir praktiziert, positiv beurteilen, denn dieses Verfahren verzichtet auf große Bauchschnitte, schont die inneren Organe und verkürzt die Operations- und Rekonvaleszenzzeit.

Die Ärzt*innen, die mich operiert, die assistiert und mich versorgt haben, die meisten von ihnen Migrant*innen, arbeiten unter Dauerstress und tun, was unter den systembedingten schlechten Bedingungen möglich ist.

Die Maßnahmen der Bundesregierung sind im Ansatz richtig. Sie sind jedoch systemimmanent und scheitern deshalb an der Macht der Medizin- und Pharmaindustrie.

Weitere Beiträge zu den Themen GESUNDHEIT und MEDIZIN findest Du in Stahlbaums Zeitfragenblog unter -> https://stahlbaumszeitfragenblog.wordpress.com/?s=…

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