Tiefe Wurzeln – Eine Kurzgeschichte aus dem Jahre 1954 zum Reformationstag 2015

Ich habe gestern, am Reformationstag, lange überlegt, ob ich diese Geschichte hier wieder veröffentlichen soll. Dann habe ich mir gesagt: Man muss die Wurzeln, die gekappt werden sollen, zuerst einmal kennen und benennen. Man muss sie zeigen, auch wenn das als sehr peinlich empfunden wird. Die Geschichte erschien 1968 in der Zeitschrift Lynx. Ich habe sie damals bei Lesungen vorgetragen und damit heftige Diskussionen ausgelöst, besonders unter Theologiestudenten.

Zum Titel dieser Geschichte: Im Zweiten Weltkrieg wurde auf vielen Plakaten mit der Parole „VORSICHT! FEIND HÖRT MIT!“ vor Spionen gewarnt.

FEIND HÖRT MIT

Die Ursache der Geräusche, die durch den Fußboden heraufdrangen und mir den Schlaf verkürzten, war Alkohol. Es waren die Stimmen von Männern, Gesangvereinsstimmen, Bässe, Tenöre und ein Bariton. Stimmen, Getrampel und die dumpfe Resonanz einer Holzplatte, ich vermute: eines Tisches. Chor der letzten Goten, Wodansbrüder, Werwölfe mit aufgekrempelten Oberhemdsärmeln, Hosenträgern und Bäuchen. Die Nachtgesänge des Männerbunds Kümmel & Korn e.V. Auf der Stelle tretende Marschbeine, die Faust des Dirigenten und der Wind vor den Fenstern. Regen, herniederklatschende Schwaden aus schwarzem Himmel. Sie sangen in Mark und Bein dringende Texte. „Oh du schöner Westerwald! „ „SA marschiert.“ „ Denn wir fahren.“ „ Wildgänse rauschen.“
Ein harter Gegenstand durchschlug eine Glasscheibe und zersplitterte auf dem Hof. „Es zittern im Arsch die Knochen.“ Die Geräusche drangen nun an die Öffentlichkeit. „Panzer rollen.“ Es war fünfundzwanzig Uhr.

Ich öffnete das Fenster. „Führer befiehl!“ „Ah, da kommt der Fritz! Achtung! S-t-ill-ges-tanden!“ Ein Tenor. „Komm, trink einen!“ Kontrapunktische Bewegungen. Bässe, Bariton. „Bist doch auch einer von uns. Ach, mach dich nicht so. Wir halten schon dicht, Fritz.“ Cantus firmus. „Kannst dich drauf verlassen, hier ist keiner, der dich verrät.“ Tenor. „Solange du die Schnauze hältst. Hier, Herr Friedrichsen, das ist der Fritz! War damals im… Waren schon vierunddreißig… Sahst besser aus im schwarzen Tüch, Fritz. Wenn wir wieder dran sind, dann wirst Polizeichef. Hier ist der Mann, der für Ordnung sorgt! Du bist auch in Ordnung, Fritz. Hast deinen Schießprügel nich dabaiii? Naja, wenn für Ordnung sorgen musst. Guckst nach der nächsten Runde mal wieder aaain, nich?“ Die Tür zum Hof knallte auf.
Ein Glatzköpfiger kam heraus, auf Gummibeinen, stellte sich vor den knorrigen Stamm einer entblätterten, deutschen Eiche und spritzte sein Wasser an die Rinde. Er schwankte gegen den Baum, sein Kopf schlug gegen Holz, er stützte seinen schweren Körper auf eine Hand und schüttete seinen Mageninhalt auf die Wurzel, die wie ein Arm aus dem Stamm in die Erde hineinlangte. Er bog den Kopf in den Nacken zurück, sah herauf durch die kahlen Äste, redete. Er redete Unverständliches. Er sah mich nicht. Ich stand im Dunkeln auf nackten Füßen, in gestreiftem Pyjama. Seine Kopfhaut glänzte. Er torkelte durch den Schatten der Hauswand, fand die Tür, schlug sie hinter sich zu. Ich nahm den kristallenen Ascher vom Tisch und klopfte Zeichen durch den Fußboden hinunter:
…- — .-. … .. —- –
..-. . .. -. -..
…. —. .-. –
— .. —
„Still! Da klopft einer! Schnauze! Halt die Fresse, Karl!“ Der Lärm brach ab. Jetzt sang das Wasser. Geheul herniederklatschender Wolken.
Ich klopfte noch einmal:
…- — .-. … .. —- –
..-. . .. -. -..
…. —. .-. –
— .. –
„Das ist der Heilige Geist hahaha!“
„Mensch, halt die Fresse! Verunglimpfe uns nicht die Re-li-gi-on! Leute, nun hört mal zu!“
Der Tenor. „Jetzt spricht der Dokter!“
„Ich will euch mal was sagen: Christus…“
„Ruhe! Ja, Herr Dokter, Christus, was ist mit dem Christus?“
„Nun hört mal zu, Leute! Christus, das war der Mann, der durch die Juden starb. Schimpft nicht auf die Religion! Auch Gott hat die Juden verflucht. Und auch aus Martin Luther hat Gott gesprochen, als er sagte: Ein solch verzweifelt, durchböset, durchgiftet, durchteufelt Ding ists um diese Juden, so diese tausendvierhundert Jahr unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewest und noch sind. Summa haben wir rechte Teufel an ihnen.“ *
Ich knipste die Nachttischlampe an, schrieb, was des Doktors Gedächtnis reproduzierte – oder las er es ab? – schrieb die Anfänge dieser Sätze, denn mein Skizzenblock steckte im Koffer, auf ein Papiertaschentuch.
„Und er sagte…!“ Der Doktor begann nun zu schreien: „Es ist hie zu Wittenberg an unser Pfarrkirchen eine Sau in Stein gehauen; da liegen junge Ferkel und Juden unter, die saugen; hinter der Sau steht ein Rabbin, der hebt der Sau das rechte Bein empor, und mit seiner linken Hand zeucht er den Pirzel über sich, bückt sich und kuckt mit großem Fleiß der Sau unter dem Pirzel in den Talmud hinein, als wollt er etwas Scharfs und Sonderlichs lesen… Denn also redet man bei den Deutschen von einem, der große Klugheit fürgibt: Wo hat ers gelesen? Der Sau im, grob heraus, Hintern! Und er sagte: Dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke, und was nicht brennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich. Und solches soll man tun unserm Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien und solch öffentlich Lügen, Fluchen und Lästern seines Sohnes und seiner Christen wissentlich nicht geduldet noch gewilligt haben.* Das hat Luther geschrieben. Das könnt ihr nachlesen in seinen Schriften, also! Und was haben wir gemacht mit den Juden? Wir haben Gottes Befehl ausgeführt, jawoll! Christus gerächt. Auch unser Führer war Gottes Werkzeug. Er wusste es nicht. Sonst hätte er die Kirche in Ruhe gelassen, und es gäbe keine Juden mehr auf der Welt und das Großdeutsche Reich wäre heute ein Weltreich und wir wären die Herren, jawoll! Es lebe der Führer und Martin Luther! Zur Ehre Gottes und Seines Sohnes Jesus Christus: hoch! hoch! hoch! hoch! Deutschland, Deutschland über ahalleeees…“
Ich knipste die Lampe aus, klopfte ein drittes Mal:
.- —- – ..- .- –.
.- —- – ..- .- –.
Der letzte Vers war aus ihren Kehlen heraus. Jetzt gossen sie Köm und Bier hinterher, denn sie gewährten ihrem Atem eine Pause. Es war still unter mir. Von oben herab sang das Wasser. Ich klopfte:
.- —- – ..- .- –.
…- — .-. … .. —- –
..-. . .. -. -. .
…. —. .-. –
— .. –
„Achtung!“ Der Bariton. „Achtung! und… Feind hört mit?… und… Vorsicht…. Feind hört mit! heißt das. Feind hört mit! Passt auf, gleich morst der wieder! Wirt, wer is das da oben?“
„Ein Fremder. Um die Dreißig herum. Aus Schweden. Ein Herr.“
„Deutscher?“
„Dem Namen nach ja.“
Stimmen im Korridor, unter der Treppe: „Bist du verrückt? Jens, mach keinen Quatsch!“
Ich schloss die Tür ab, hängte mich halb aus dem Fenstern heraus und sah, dass ich notfalls am Regenrohr hinunterklettern konnte.
„Mann, bleib hier! Mach keinen Quatsch! Es ist besser…“
„Ja, der Wirt hat Recht, nich, Herr Dokter? Kann man das oben, ich
meine…?“
Ich schloss das Fenster, kroch unter die Bettdecke und hörte den Wind.
———
* Luther-Zitate: Erlanger Ausgabe XXXII. 233 ff., 242
[Aus: Dietrich Stahlbaum: Der kleine Mann. Geschichten, Satiren, Reportagen aus sechs Jahrzehnten. Ein Lesebuch. Recklinghausen 2005. Die Printausgabe ist vergriffen. Jetzt als eBook → http://www.bookrix.de/_title-de-dietrich-stahlbaum-der-kleine-mann ]

Bundeswehr-Major versus Bundeswehr. Florian Pfaffs neuer Prozess

Major Pfaff
Major Pfaff

„Am 01.03.2011 findet um 11:00 Uhr beim Verwaltungsgericht in München (in
der Bayerstr. 30, Sitzungssaal 3, Erdgeschoss) mein nächster Prozess statt.
Die Verhandlung ist öffentlich. Dort wird verhandelt, ob man als Soldat
schon dadurch, dass man Straftaten nicht mitträgt (statt dessen, wie
ich, die Methoden veröffentlicht, mit denen Soldaten wie ich genötigt
werden, daran mitzuwirken), ob man also bereits dadurch einen „üblen
Charakter“ an den Tag legt. Schließlich werde ich aufgrund dessen von
der Bundeswehr, wie Sie vielleicht wissen, nicht mehr befördert.

Ich bin natürlich der Meinung, dass man schweren Völkerrechtsbruch und
Anstiftung zum Totschlag auch als (betroffener) Soldat nicht hinnehmen
muss, dass man dadurch keinen Charaktermangel beweist, vielmehr durch
demonstrative Rechtstreue sogar in besonderer Weise seinem soldatischen
Diensteid nachkommt, auch wenn (und gerade weil) dies die Beteiligung
Deutschlands an (weiteren) Angriffskriegen erschwert.

Man wird sehen, wie das Urteil ausfällt. Der Prozess ist (nach dem
Urteil vom Bundesverwaltungsgericht vom 21.06.2005, das die Bundeswehr
einfach als falsch abgetan hat und im Kern missachtet) zumindest für die
Friedensbewegung wieder von erheblicher Bedeutung.
Friedensfreunde sind natürlich herzlich willkommen.

Davon unabhängig will man mir noch in diesem Quartal eröffnen, wann ich
in den (vorzeitigen) Ruhestand treten darf (ich hoffe: bald).

Mit den besten Grüßen
Florian Pfaff

[Email vom 13.02.11]

Florian Pfaff, Computer-Software-Spezialist der Bundeswehr, wurde am 9. Februar 2004 wegen Befehlsverweigerung vom Major zum Hauptmann degradiert, weil er aus Gewissensgründen im März 2003 seine Mitwirkung am – nach seiner Erkenntnis völkerrechtswidrigen – Irak-Krieg verweigert hat. Er sollte ein logistisches Computerprogramm entwickeln, das zur Unterstützung der US-Truppen im Irak hätte verwendet werden können. Er wurde am 21. Juni 2005 durch das Bundesverwaltungsgericht rehabilitiert. (dst.)

Siehe auch
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Bundeswehr/pfaff.html
https://stahlbaumszeitfragenblog.wordpress.com/2015/10/15/darf-ein-soldat-den-befehl-verweigern-sz-interview-mit-major-pfaff/

Von blog.de (15. 02. 2011) übernommen.

Darf ein Soldat den Befehl verweigern? SZ-Interview mit Major Pfaff

[Beitrag übernommen. dst.]

Der Münchner Bundeswehr-Major Florian Pfaff, 49, hat im Irak-Krieg 2003 den Gehorsam aus Gewissensgründen verweigert. Dafür wurde er zum Hauptmann degradiert. Das Bundesverwaltungsgericht gab ihm nach dem Gerichtsverfahren 2005 jedoch Recht und rehabilitierte ihn. Am 4. März wird er von der evangelischen Vereinigung „Offene Kirche “ mit dem Amos-Preis 2007 für Zivilcourage ausgezeichnet. Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert und basiert auf Spendengeldern. 2006 erhielt er bereits die Carl-von-Ossietzky-Medaille.

SZ: Was war Ihre Aufgabe während des Irak-Kriegs?

Pfaff:: Ich war im Management im Bereich Materialorganisation für ein Projekt zur administrativen und logistischen Optimierung der Bundeswehr – dazu gehört die Lieferung von Sprit, Bombern und was sonst im Krieg benötigt wird – eingesetzt. Ich glaubte zuerst, dass sich dieses Programm auf den Irak-Krieg nicht mehr auswirkt, dann aber machte mich mein Vorgesetzter darauf aufmerksam, dass meine Arbeit indirekt auch dafür verwendet werden könne.

SZ: Wie lautete der Befehl, den Sie damals verweigert hatten?

Pfaff: Der Befehl lautete sinngemäß, ich solle nicht weiter prüfen, ob ich mich dadurch an Krieg und Verbrechen beteilige, also blind folgen.

SZ: Sie sagten, dass Sie auch aus dem Grund den Gehorsam verweigert hätten, weil kein UN-Mandat für den Irak-Krieg vorlag. Wie hätten Sie reagiert, wenn es ein Mandat gegeben hätte?

Pfaff: Das fehlende Mandat ist nur ein Indiz für die Rechtswidrigkeit. Ich hätte auch mit Mandat verweigert. Es war offensichtlich, dass der Irak keine Bedrohung mehr war. Angriffskriege sind in jedem Fall ungesetzlich und unmoralisch.

SZ: Was wäre passiert, wenn Sie den Befehl ausgeführt hätten?

Pfaff: Dann hätte ich Verbrechen begangen. Nach § 5 Wehrstrafgesetz hätte ich mich schon strafbar gemacht, wenn ich den dummdreisten Befehl ausgeführt hätte, die Prüfung zu unterlassen, woran ich mitwirke. Mord und Totschlag – nichts anderes war der Irakkrieg – sind verwerflich. Auch deswegen musste ich verweigern.

SZ: Kommen Gehorsamsverweigerung und Degradierung in der Bundeswehr oft vor?

Pfaff: Nein, eher selten. Wenn jemand den Gehorsam strikt verweigert, wird er in der Regel entlassen. Ich habe allerdings nur angekündigt, mich an das Recht zu halten und mein Gewissen sowie die Rechtslage bei allen Befehlen auch weiterhin zu prüfen.

SZ: Wie war das Leben in der Truppe nach der Degradierung?

Pfaff: Die Degradierung wurde ja nie wirksam. Beide Seiten haben Berufung eingelegt vor dem Bundesverwaltungsgericht, das mir am 21. Juni 2005 schließlich Recht gegeben hat.

SZ: Haben Ihre Vorgesetzten Druck auf Sie ausgeübt?

Pfaff: Das kann man sagen. Ich wurde vom Arzt eine Woche ins Bundeswehr-Zentralkrankenhaus geschickt und auf meinen Geisteszustand hin untersucht. Dann drohten mir die Vorgesetzten mit Entlassung. Später kam die Degradierung durch das Truppendienstgericht. Des Weiteren ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen mich und es gab Kleinigkeiten, beispielsweise wurde mir ein Erholungsurlaub rechtswidrig verwehrt.

SZ: Wie hat die Bundeswehr auf das Urteil reagiert?

Pfaff: Die Bundeswehrführung hat nicht akzeptiert, dass ich von allen Vorwürfen freigesprochen wurde. Sie lehnt das Urteil im Kern ab und behauptet, ich hätte keine Gewissensentscheidung getroffen. Sie sagt auch, ein Soldat dürfe sein Gewissen im Fall eines schweren Verbrechens nicht geltend machen, aus solchen Gründen nicht verweigern. Sie fordert Soldaten wie mich sogar auf, das Grundgesetz zu missachten und das Verbot des Angriffskrieges zu ignorieren.

SZ: Fehlt da bei den Entscheidungsträgern jegliches Unrechtsbewusstsein?

Pfaff: Offensichtlich. Dem Frieden und der Respektierung rechtsstaatlich verbindlicher Auflagen dient das sicher nicht.

SZ: Sind Sie noch bei der Bundeswehr? Was machen Sie heute?

Pfaff: Ich wurde nach München versetzt und bin jetzt im Sanitätsdienst. Auch wenn die Auseinandersetzung weiter geht, weil sich die Bundeswehrführung für den Zwang zur Mitwirkung auch an Angriffskriegen einsetzt, danke ich allen, im Übrigen auch meinen Vorgesetzten hier in München, die mich unterstützen. Ich danke aber auch den wenigen Medien, die so viel Mut haben, so ein brisantes Thema zu veröffentlichen.

Interview: Christa Eder

[Süddeutsche Zeitung, 26.02.07, S. 54]

Von blog.de (05. 03. 2007) übernommen

GLOBALISIERUNG. Begriff und Geschichte

„Unter «GLOBALISIERUNG» versteht man die Zunahme internationaler Wirtschaftsbeziehungen und -Verflechtungen und das Zusammenwachsen von Märkten für Güter und Dienstleistungen über die Grenzen einzelner Staaten hinaus, wobei internationale Kapitalströme und die Diffusion neuer Technologien eine große Rolle spielen. (…) Neben der seit langem zunehmenden Integration des Welthandels für fertige Produkte kommt es zu einer verstärkten Integration und grenzüberschreitenden Organisation der Produktion und der produktionsnahen Dienstleistungen. Die Absatzmärkte werden global, so allerdings auch die Konkurrenzsituation.“

Dies ist eine allgemein gängige Definition aus Lexas Information Network, scheinbar objektiv, wertfrei, eine wissenschaftliche Definition. Globalisierung als ein ökonomischer Prozess. Der übliche Reduktionismus * unserer westlichen Wissenschaft. Denn Globalisierung bedeutet mehr und noch vieles andere. Franz-Johannes Litsch hat es sehr eindrucksvoll beschrieben.** Aber das interessiert diejenigen, die die ökonomische Globalisierung betreiben und am meisten davon profitieren, am wenigsten.

Betrachten wir doch einmal diese materielle Seite der Globalisierung! Schauen wir genau hin! Was passiert denn da? Oder –  was ist da schon alles passiert? Was hängt womit zusammen?
Nach meiner Auffassung ist die ökonomische Globalisierung, wie sie jetzt stattfindet, eine Fortsetzung des Kolonialismus mit noch wirksameren Methoden. Ein Neokolonialismus, deren Folgen weit katastrophaler sind als die des alten Kolonialismus, der im Altertum verhältnismäßig friedlich begann, als Phönizier etwa 1000 Jahre v. u. Zr. die ersten Pflanzstädte im Mittelmeerraum gründeten, Karthago z. B. Alles andere als friedlich waren dann die Raub- und Eroberungszüge im so genannten Zeitalter der Entdeckungen, dem 15.-17. Jh., beginnend mit der Landung des Kolumbus im Jahre 1492 in Amerika:

Die Eroberung der Amerikas (Nord-, Süd-, Mittel-A.) vollzog sich „in einer ausgeprägten Conquistamentalität, die über die Ureinwohner ungeheures Leid gebracht hat“, schrieb der Franziskanerpater Andreas Müller OFM in einer Gedenkschrift zu den Kolumbus-Jubelfeiern im Jahre 1992.

„Ganze Völker wurden ausgerottet, Kulturen zerstört, und bis heute gehören die Nachkommen der großen Kulturvölker der Indianer zu den meist recht- und schutzlosen Randsiedlern der Gesellschaft.“ ***  Teile der heutigen USA waren einmal Kolonien: Englands. Und es gab den Sklavenhandel in den USA, den Handel mit Menschen, bis 1862.

Europäer waren es, die fortan einen Kontinent nach dem andern ausgeplündert und ihre Völker enteignet haben. Auch das deutsche Kaiserreich war daran beteiligt, konnte jedoch mit den großen Kolonialmächten (Frankreich, England, Spanien, Portugal) nicht mithalten und verlor 1918 ihren ebenfalls unrechtmäßig erworbenen Kolonialbesitz.

Die rasante Industrialisierung in Europa und in den USA, die moderne Technik, der Reichtum, fast alles, was auch heute unseren materiellen Wohlstand ausmacht, wäre ohne die Sklavenarbeit indigener Völker und ohne die Rohstoffe, die Lebensmittel, die Genussmittel, ohne das Raubgut aus den Kolonien nicht möglich gewesen.

Die Kolonialherrschaft der Europäer wurde in den 60er Jahren beendet; geblieben ist ein Kolonialismus, der unter dem Namen «GLOBALISIERUNG» als ein Segen für alle Menschen angepriesen wird.

Wir sollten uns aber fragen, ob wir nicht auch Nutznießer/innen dieser Globalisierung sind, ob uns das Elend, das sich über den ganzen Planeten ausbreitet, kalt lässt und ob wir das Gewaltpotenzial in uns selber nicht umwandeln müssen in heilsame Energie.
———–
* «Reduktionismus», philosph. Begriff, der eine Wissenschaft bezeichnet, die seit Newton und Descartes komplexe, multikausale Zusammenhänge ignoriert und alle Phänomene, alles Geschehen auf eine einfache Ursache-Wirkung-Linie zurückführt (reduziert).
** Siehe F-J. Litsch: Buddhismus und Globalisierung
→  http://www.buddhanetz.org/texte/globalisierung.htm
***  Aus: 500 Jahre Indiowiderstand. 500 Jahre Evangelisierung in Lateinamerika. Hsg. Missionszentrale d. Franziskaner, Bonn 1990

Von blog.de (03. 06. 2009) übernommen.

Der Trümmerberg des Günter Grass (Rezension)

Bereits Anfang der 70er Jahre, als die »werkimmanente Textinterpretation« noch üblich war, führte der damals junge Literaturwissenschaftler Wolfgang Beutin sozialwissenschaftliche, politische und historische Aspekte, die Psychoanalyse und – vor allem – humanistisch-ethische Kriterien in seine Vorlesungen und Seminare ein. Nun hat er einen Literaturnobelpreisträger und sein Werk unter die Lupe und fachgerecht auseinander genommen.

Herausgekommen ist dabei eine nicht allein für junge Autorinnen und Autoren interessante, teils bitterernste, teils amüsante Lektion in Sachen Sprach- und Stilkritik, Weltanschauung, Politik, Zeitgeschichte, Logik und Psychologie.

Der Literaturnobelpreisträger von 1999 hat, wie wir inzwischen wissen, sieben Jahre später – nach 60 Jahren in seiner Autobiografie »Beim Häuten der Zwiebel« und in Interviews eingestanden, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, wenige Monate vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als 16/17-Jähriger. Ein Schock für viele, die sich nun von dem vermeintlichen Toprepräsentanten der deutschen Nachkriegsliteratur düpiert gesehen haben. Für Wolfgang Beutin, der die literarischen und politischen Bekundungen des Günter Grass seit Jahrzehnten kritisch beäugt und auch psychoanalytisch durchleuchtet hat, ist dessen gesamtes literarisches Werk der voluminöse Versuch eines „Moraltrompeters“, „sein fatales Geheimnis zu kaschieren“.

Beutin weist dies im Einzelnen nach. Er deckt die äußeren und inneren Brüche und Widersprüche auf, die Projektionen und Fluchten in infantile Fantasien, den (politischen) Opportunismus eines Menschen, der keinen festen Standpunkt hat, stets oben auf dem mainstream schwimmt, „immer wieder einmal querschießt und seine eigene Gedankenwelt unerwartet in Trümmer legt“.
Beutin geht der Frage, ob die Personen, die Grass in seinen Romanen und Novellen in der Ich-Form sprechen lässt, reine Kunstfiguren sind, oder ob sie Psyche, Mentalität und Meinung des Autors widerspiegeln, psychoanalytisch auf den Grund und kommt zu dem Schluss: Schon „seine bekannteste Figur“, der Oskar des ersten Romans ist teilweise mit ihrem Schöpfer Grass identisch und sei – Beutins Hypothese – „nichts anderes als der nach außen projizierte, in die Gestalt des Zwerges gebannte, in der Gestalt des Zwerges inkarnierte Abwehrmechanismus.“
Und nicht nur »Die Blechtrommel«, – das gesamte literarische Werk des Günter Grass erscheint dem Rezensenten dieser Studie als monströser Wörterberg, in dem sich eine kleine hin- und hergerissene, ängstliche Seele versteckt. Sie ist voller Schuldgefühle, voller Ressentiments. Grass ein Kleinbürger wider Willen?

Dem hochgelobten Lyriker und Erzähler werden von dem Philologen auch viele Sprach- und Stilschlampereien nachgewiesen. Die Zitate und Kommentare füllen 23 Seiten des Buches. Es hat mich veranlasst, meine Meinung über den Literaturnobelpreisträger Grass zu ändern. *
Wolfgang Beutin: Der Fall Grass. Ein deutsches Debakel
Peter Lang Verlagsgruppe Bern, Berlin, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien 2008.
————–

* Hierzu: »Kriegsgeneration des Günter Grass im Zeitzeugenstand« → https://stahlbaumszeitfragenblog.wordpress.com/2015/08/28/verstehen-um-zu-veraendern-die-kriegsgeneration-des-guenter-grass-im-zeitzeugenstand/

Von blog.de (07. 03. 2008) übenommen.

Grass, armer Poet im Regen. Zu seinem Gedicht „Was gesagt werden muss“ *

Leserbrief an das Medienhaus Bauer, Marl:

Wenn der Rauch aus seiner Pfeife sich verzogen und der Sturm der Entrüstung über Günter Grass sich gelegt hat, bleibt zu fragen: Was ist da eigentlich passiert? Die Reaktionen in beiden Lagern (pro und kontra Grass) sind fast alle ebenso einseitig und undifferenziert, wie das umstrittene Gedicht es ist. Die einen fallen massenhaft über ihn her, um ihn, der sie provoziert hat, zu vernichten. Die anderen machen aus ihm einen Märtyrer und Helden, der sich nicht den Mund verbieten lässt. Dabei wird die Sache, um die es geht, der Konflikt zwischen Iran und Israel, auf gegenseitige Schuldzuweisungen reduziert, und die Fronten werden verhärtet.

Die Wirklichkeit ist unteilbar. Deshalb müssen a l l e, die am Konflikt beteiligt sind, zur Rechenschaft gezogen werden. Das sind die herrschenden Kräfte im Iran und deren Widersacher in Israel. Das sind die Staaten, die den Iran oder Israel mit Geldern unterstützen und mit Waffen beliefern. Das sind dieselben Staaten, die mit Boykott- und Blockadedrohungen ihren Gegner in die Knie zwingen wollen. Damit zeigen diese Bellizisten ihre Bereitschaft zu einem Krieg, der noch verheerender sein würde als der zweite Weltkrieg.

In die kritische Betrachtung einbezogen werden muss das gesamte Konfliktfeld Nahost/Mittelost. Dazu gehört die israelische Siedlungs- und Besatzungspolitik in Palästinensergebieten ebenso wie der gewaltsame Widerstand von Betroffenen. Terror auf beiden Seiten. Ein für Israelis und Palästinenser unerträglicher Zustand, der zu allererst beendet werden muss. Palästinensische und israelische Friedensgruppen arbeiten daran – gemeinsam.

Grass hat die Ende März in der Süddeutschen Zeitung und in «Freitag» erschienene „Erklärung aus der Friedensbewegung und Friedensforschung“ zum Irankonflikt nicht mit unterzeichnet. Er hat seinen Bauch sprechen lassen, anstatt seinen Kopf. Nun steht der arme, um seine psychische Befindlichkeit besorgte Poet im Regen, ohne Schirm. Und der Tabak ist nass geworden.

Am 11. April 2012  gekürzt erschienen.

Von blog.de (09. 04. 2012) übernommen.

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* → http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-1.1325809

Israelis und Palästinenser. Eine gewagte Hypothese

Eine gewagte Hypothese, tiefenpsychologisch aber durchaus denkbar:

Israelische Nationalisten rächen sich heute für das, was Nazideutschland den Juden angetan hat, an den PalästinenserInnen. Die Bundesrepublik Deutschland kann wegen ihrer guten Beziehungen zu Israel nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Stattdessen wird ins »kollektive Unbewusste« (Carl Gustav Jung) verdrängter Hass auf die Araber projiziert.
Andererseits gibt es reale, historische Gründe für den israelischen Antisemitismus (Auch Araber sind Semiten; das sollte man endlich zur Kenntnis nehmen.):

Der Großmufti von Jerusalem beim Führer

Aus der Aufzeichnung des Gesandten Schmidt über die Unterredung
zwischen Adolf Hitler und dem Großmufti von Jerusalem
Hadji Mohammed Amin el Hussein:

28.11.1941

Der Großmufti bedankte sich zunächst beim Führer für die große
Ehre, die ihm dieser erwiese, indem er ihn empfinge. Er benutzte
die Gelegenheit, um dem von der gesamten arabischen Welt
bewunderten Führer des Großdeutschen Reiches seinen Dank für die
Sympathie auszusprechen, die er stets für die arabische und
besonders die palästinensische Sache gezeigt habe, und der er in
seinen öffentlichen Reden deutlichen Ausdruck verliehen habe. Die
arabischen Länder seien der festen Überzeugung, daß Deutschland
den Krieg gewinnen würde, und daß es dann um die arabische Sache
gut stehen würde. Die Araber seien die natürlichen Freunde
Deutschlands, da sie die gleichen Feinde wie Deutschland, nämlich
die Engländer, die Juden und die Kommunisten, hätten. Sie seien
daher auch bereit, von ganzem Herzen mit Deutschland
zusammenzuarbeiten, und stünden zur Teilnahme am Kriege zur
Verfügung und zwar nicht nur negativ durch Verübung von
Sabotageakten und Anstiftung von Revolutionen, sondern auch
positiv durch Bildung einer arabischen Legion. (…)

[Quelle: NS-Archiv. Dokumente zum Nationalsozialismus]

Der Großmufti von Jerusalem Hadsch Mohammed Amin al-Husseini war ab 1943 SS-Mitglied und hat sich mit der Organisation und Ausbildung von bosnisch-islamischen Wehrmachteinheiten und Waffen-SS-Divisionen befasst.

Von blog.de (07. 01. 2009) übernommen.

Albert Einstein: „Die Bibel ist eine Sammlung primitiver Legenden“

Aus Einsteins Brief an den jüdischen Religionsphilosophen Eric Gutkind, geschrieben im Januar 1954 als Antwort auf Gutkinds Buch „Choose Life: The Biblical Call to Revolt“:

„Das Wort Gott ist für mich nichts als Ausdruck und Produkt menschlicher Schwächen, die Bibel eine Sammlung ehrwürdiger, aber doch reichlich primitiver Legenden. Keine noch so feinsinnige Auslegung kann (für mich) etwas daran ändern. Diese verfeinerten Auslegungen sind naturgemäß höchst mannigfaltig und haben so gut wie nichts mit dem Urtext zu schaffen. Für mich ist die unverfälschte jüdische Religion wie alle anderen Religionen eine Incarnation des primitiven Aberglaubens.“

„Meine Religiosität besteht in einer demütigen Bewunderung des unendlich überlegenen Geistes, der sich in dem wenigen offenbart, was wir mit unserer schwachen und hinfälligen Vernunft von der Wirklichkeit zu erkennen vermögen“, schrieb Einstein zurück. „Jene mit tiefem Gefühl verbundene Überzeugung von einer überlegenen Vernunft, die sich in der erfahrbaren Welt offenbart, bildet meinen Gottesbegriff; man kann ihn also in der üblichen Ausdrucksweise als ‚pantheistisch‘ (Spinoza) bezeichnen.“

„Ich kann mir keinen persönlichen Gott denken, der die Handlungen der einzelnen Geschöpfe direkt beeinflusste oder über seine Kreaturen zu Gericht säße.“

„Und das jüdische Volk, zu dem ich gern gehöre und mit dessen Mentalität ich tief verwachsen bin, hat für mich doch keine andersartige Dignität als alle anderen Völker. Soweit meine Erfahrung reicht, ist es auch um nichts besser als andere menschliche Gruppierungen, wenn es auch durch Mangel an Macht gegen die schlimmsten Auswüchse gesichert ist. Sonst kann ich nichts ‚Auserwähltes‘ an ihm wahrnehmen.“

„Ich bin für den Zionismus, weil dies die einzige Bestrebung ist, welche Juden auf der ganzen Welt zu vereinen vermag. Wie weit die Juden eine Rassengemeinschaft sind, ist ohne Interesse. Sicher ist, dass sie eine Schicksalsgemeinschaft sind und dass sie der gegenseitigen Hilfeleistung dringend bedürfen. Ich bin kein Nationalist und wünsche keine Benachteiligung der Araber in Palästina. Die jüdische Einwanderung in Palästina in den praktisch in Betracht kommenden Grenzen kann niemand zu Schaden gereichen. Sie braucht auf keine historischen Ansprüche gegründet zu werden.“

[Quelle: Süddeutsche.de vom 09.10.12 → http://www.sueddeutsche.de/wissen/einstein-brief-bei-ebay-die-bibel-ist-eine-sammlung-primitiver-legenden-1.1490997 ]

Von blog.de (10. 10. 2012) übernommen.

Kommentar:
Echsenwut (11. 10. 2012):

Auch der Name „Albert Einstein“ schützt offenbar nicht vor Dummheit; so habe ich beruflich sehr häufig (!) die Entdeckung machen müssen, dass höchstrangige Forscher wohl zum Ausgleich ihrer fachlichen Qualitäten brutale menschliche Mängel aufweisen. Ich habe es persönlich mit international bestbekannten Profefssoren zu tun gehabt – und mich oft vor dem Menschen in ihnen regelrecht gegruselt.

Einstein erzählt natürlich blühenden Blödsinn, wenn er einerseits den Zionismus gutheißt und andererseits behauptet, er sei kein Nationalist und wünsche keine Benachteiligung von Arabern.
In seinem Fall muss eher, da er direkter Zeitgenosse der zionistischen Bewegung und als Jude häufig assoziiertes Mitglied seiner Gemeinschaft war, sogar von der Absicht ausgegangen werden, den Zionismus wider besseren Wissens zu protegieren.

Was er auf „primitive Legenden“ reduziert, darf seine persönliche Meinung bleiben – sie ist jedoch um rein gar nichts „wertvoller“ als die einer Toilettenfrau oder eines Briefträgers.
Nach meinen persönlichen Erfahrungen sogar eher im Gegenteil. Man musste ihn nach physikalischen und mathematischen Formeln fragen – aber doch nicht nach irgendwas anderem. Davon verstand er ganz offensichtlich nichts.

Einstein, Zionismus, religiöser Glaube und wissenschaftliche Theorie

Replik auf „Echsenwuts“ Kommentar vom 11. 10. 2012:

Auch Wissenschaftler, sogar „höchstrangige Forscher“ („Echsenwut“) können irrige Auffassungen haben, nicht nur außerhalb ihres Fachs. Dies beweist, dass es den vollkommenen Menschen nicht gibt, es sei denn als anzustrebendes Ideal. Ist unsere Unvollkommenheit nicht geradezu das Menschliche, Allzumenschliche (Nietzsche) an uns? Warum sollte da ein Genie wie Einstein eine Ausnahme sein? Er hat sich bis zuletzt zum Zionismus bekannt und eine „jüdische Einwanderung in Palästina in den praktisch in Betracht kommenden Grenzen“ “ohne Benachteiligung der Araber in Palästina“ für möglich gehalten. Mit „in den praktisch in Betracht kommenden Grenzen“ sind die 1947 von der UN-Generalversammlung bestimmten Gebiete gemeint (UN-Teilungsplan, der einen jüdischen und einen arabischen Staat in Palästina vorsah.)

Wie irrealistisch das war, hat bereits 1948 ein jüdischer Philosoph und Politiker, der aus Deutschland nach London emigriert war und Einstein persönlich gekannt hat, erkannt: Kurt Hiller. Darauf habe ich in Leserbriefen hingewiesen.
Hiller war 1955 nach Deutschland zurückgekehrt und lebte bis zu seinem Tod 1972 in Hamburg. Ich habe mit ihm korrespondiert und ihn einmal besucht.

Ein anderer, ebenfalls aus Deutschland stammender jüdischer Politiker, der als Kind mit seinen Eltern aus Beckum, Münsterland, nach Israel ausgewandert und zehn Jahre lang Abgeordneter der Knesset war, setzt sich seit 1948 für ein „Israel ohne Zionismus“ ein: Uri Avnery. −

Ich finde, man hilft keinem Menschen, nicht einmal sich selber, wenn man wütend aufeinander losgeht. Es gibt da ein Buch von einem buddhistischen Dichter *  mit dem schönen Titel «Umarme deine Wut»!

Zu Einsteins Gottesbegriff und seinem Urteil über die Bibel: Er war Pantheist wie Goethe, der übrigens im West-östlichen Divan eine Brücke zum Orient geschlagen hat.
Goethe hat sich zur Bibel ähnlich wie Einstein geäußert.

Nach 300 Jahren Aufklärung, mit einer seit Einstein neuen Physik, einer seit Darwin neuen Biologie, einer seit Freud neuen Psychologie und daraus folgernd mit einer ganzheitlichen Philosophie kann man Religionen, besonders die monotheistischen, eigentlich nur noch kritisch betrachten. Dabei ist es schwierig, religiöse Gefühle nicht zu verletzen. Religionen sind irrational. Sie haben ihren Ursprung in unserer Gefühlswelt, während Wissenschaften rational begründet sind. Dennoch verdienen religiös gläubige Menschen denselben Respekt wie Wissenschaftler, die auf Hypothesen und Theorien bauen. Das schließt sachliche Kritik an Glaubensinhalten, Hypothesen, Theorien nicht aus.

Schon vor 2700 Jahren warnte der Buddha vor Leichtgläubigkeit:

„Es ist gut, Zweifel zu haben. Glaubt nicht an etwas, weil die Menschen viel darüber reden, oder weil es schon immer so war, oder weil es so in den Schriften steht. (…) Achtet darauf, ob es eurem Urteil widerspricht, ob es schädlich sein kann, ob es durch weise Menschen verurteilt wird, und vor alledem, ob es in der Praxis Zerstörung und Schmerz verursacht. (…) Alles, was ihr als schön betrachtet, was mit eurem Urteil übereinstimmt, was durch weise Menschen anerkannt wird und was im praktischen Leben Freude und Glück bringt, könnt ihr akzeptieren und ausüben.“

(Kalama-Sutra nach Thich Nhât Hanh, Einssein, S.40)

Erinnert dies nicht an den Wahlspruch der Aufklärung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ (I. Kant)

Der vietnamesische Mönch, Dichter und Philosoph Thich Nhât Hanh hat aus den Lehrreden und Dialogen des Buddha für den von ihm gegründeten Tiêp-Hiên-Orden vierzehn Lebensregeln zusammengestellt, die als Essenz buddhistischer Ethik gelten können:

VIERZEHN TORE ZUM BUDDHISMUS

Hieraus die ERSTE REGEL:
«Schaffe dir keine Götzen in Form
von Lehrmeinungen, Theorien
oder Ideologien, einschließlich
der buddhistischen, und hänge
diesen nicht an. Buddhistische
Denksysteme sind Hilfsmittel zur
Orientierung und keine absoluten
Wahrheiten.»

Es ist also „gut, Zweifel zu haben“.

* Thich Nhât Hanh

Von blog.de (16. 10. 2012) übernommen.