Maja Göpel: „Unsere Welt neu denken: Eine Einladung“ (Rezension)

Lb-Mhs. Bauer, Marl, Corona-Pandemie-Kritik, 07.04.2020
Am 7. April 2020 in den Zeitungen des Medienhauses Bauer, Marl
Rezension Maja Göpel ´Unsere Welt neu denken` beim Mhs, Bauer, Marl, 09.04,2020
Gebundene Ausgabe € 17,99,  E-Book € 16,99

Cover Maja Göpel

Klappentext: Maja Göpel ´Unsere Welt neu denkern`- Klappentext
Klappentext

Die Ereignisse überschlagen sich derart, dass Maja Göpels Buch überholt zu sein scheint. Als sie es schrieb – es erschien am 28. Februar 2020 –, war die Corona-Pandemie noch nicht ausgebrochen.

Nach heutiger Kenntnis ist das Virus erstmals Ende Dezember 2019 in einer chinesischen Großstadt von Fledermäusen und beim Handel mit lebenden Tieren auf Menschen übertragen worden. Es hat sich rapide zu einer Pandemie entwickelt und sich weltweit ausgebreitet.

Maja Göpels Buch ist dennoch hochaktuell. Die junge (* 1976) Transformationsforscherin, Politökonomin, Nachhaltigkeitswissenschaftlerin und Hochschullehrerin hat ein immenses Wissen, denkt systemisch und ökologisch. Sie hinterfragt die weltweiten Krisen in Umwelt und Gesellschaft: „Sie offenbaren, wie wir mit uns und dem Planeten umgehen, auf dem wir leben.“ Wenn wir diese Krisen meistern wollen, schreibt sie, „müssen wir uns die Regeln bewusst machen, nach denen wir unser Wirtschaftssystem aufgebaut haben. Erst wenn wir sie erkennen, können wir sie auch verändern – und unsere Freiheit zurückgewinnen.“

Maja Göpel ist weltweit vernetzt und in vielen internationalen wissenschaftlichen und politischen Gremien und auf Kongressen aktiv. Sie hat sich der von Greta Thunberg gegründeten Klimaschutzbewegung „ Fridays for Future“ angeschlossen und scheut sich nicht, auch auf der Straße, in Berlin vor dem Bundestag und in Washington vor dem Weißen Haus  zu demonstrieren.

Ihr Buch hat mir viele neue Erkenntnisse gebracht und lauter Aha-Erlebnisse.

Ihr Scharfsinn und ihr kritischer Blick, ihre ganzheitliche Sicht, ihre Fähigkeit, so zu schreiben, dass nahezu alle, die lesen können, sie verstehen, sogar Teenager, sind unübertroffen. Nur so können möglichst viele Menschen erreicht und motiviert werden.

Der Versand des Buches hatte sich durch die Corona-Kontaktsperre verzögert. Ich kenne die berechtigte Kritik an dem Konzern. Aber betrifft das nicht das gesamte kapitalistische System? Die Digitalisierung („KI“) könnte – das hält auch Maja Göpel*) für möglich – den Kapitalismus vollkommen transformieren und völlig neue Verhältnisse schaffen, demokratische.

——-

->  https://de.wikipedia.org/wiki/Maja_G%C3%B6pel

[Unsere Welt neu denken: Eine Einladung, Berlin 2020]

 

 

Dalai Lama: Unser Weg in eine friedliche Welt

Der Dalai Lama Exklusiv in der HÖRZU: Herzensbildung, Toleranz, Empathie: Franz Alt fragte den geistlichen Führer der Tibeter, was jeder von uns tun kann, um die Erde in einen friedlicheren Ort zu verwandeln.
Wie kann das 21. Jahrhundert eine Epoche des Friedens werden? Welche Werte sind heute wichtig? Was muss sich ändern in der Welt? Der Dalai Lama, spiritueller Führer der Tibeter, findet Antwort auf bedeutende Fragen unserer Zeit. Vor zwei Jahren hat er zusammen mit dem Journalisten Franz Alt das Buch „Der Appell des Dalai Lama an die Welt“ (Benevento, 56 Seiten, 4,99 Euro) veröffentlicht, das inzwischen in 16 Sprachen übersetzt wurde und ein Weltbestseller ist.

Jetzt haben sich die beiden Freunde in Frankfurt wieder getroffen, bereits zum 36. Mal. Der Dalai Lama ist nach 58 Jahren im Exil einer der ältesten Flüchtlinge der Welt. Dass er immer noch optimistisch ist, nennt Franz Alt das „Wunder des Dalai Lama“. Exklusiv in HÖRZU fasst er die wichtigsten Botschaften Seiner Heiligkeit zusammen:

Abrüstung und Toleranz

Der Dalai Lama sagt: „Abrüstung ist praktiziertes Mitgefühl. Voraussetzung einer äußeren Abrüstung ist allerdings eine innere Abrüstung von Hass, Vorurteilen und Intoleranz. Ich appelliere deshalb an alle aktuellen Kriegsparteien: ‚Rüstet ab und nicht auf!‘. Und an alle Menschen: ‚Überwindet Hass und Vorurteile durch Verständnis, Kooperation und Toleranz!‘“

Donald Trump und Amerikas Zukunft

„Wenn der amerikanische Präsident sagt ‚America first’, dann macht er seine Wähler glücklich. Das kann ich verstehen. Aber aus globaler Sicht ist diese Aussage nicht relevant. In der globalen Welt hängt heute alles mit allem zusammen. Amerikas Zukunft hängt auch von Europa ab und Europas Zukunft auch von den asiatischen Ländern. Deshalb sollte der US-Präsident mehr nachdenken über das, was für die ganze Welt relevant ist.“

Nationalismus und Konflikte

„Nationalismus ist ein ernstes Problem. Es ist zunächst einmal logisch, dass die vielen Nationen sich um ihre eigenen Belange kümmern. Die Europäische Union ist jedoch ein gutes Beispiel für gelungene internationale Zusammenarbeit. Nach Jahrhunderten der Kriege und des gegenseitigen Abschlachtens hat in den letzten 60 Jahren kein einziges Land der Europäischen Union gegen ein anderes Krieg geführt. Die Geschichte lehrt uns: Wenn Menschen nur ihre nationalen Interessen verfolgen, gibt es Streit und Krieg. Die EU ist weltweit das vorbildliche Friedensprojekt. Die Zukunft einzelner Nationen hängt immer auch von den Nachbarn ab – davon, dass es auch ihnen gut geht. Wir müssen jetzt lernen, dass die Menschheit eine einzige Familie ist. Wir alle sind physisch, mental und emotional Brüder und Schwestern. Aber wir legen den Fokus noch viel zu sehr auf unsere Differenzen anstatt auf das, was uns verbindet. Dabei sind wir doch alle auf dieselbe Weise geboren und sterben auf dieselbe Weise. Es ergibt wenig Sinn, mit Stolz auf Nation und Religion auf dem Friedhof zu landen!“

Flüchtlingskrise und Heimat

„Die Politik muss Mitgefühl für Menschen in Not zeigen. Migranten dürfen nicht diskriminiert werden. Ein paar Tausend Flüchtlinge jedes Jahr sind kein Problem für die reichen Länder. Deutschland hat in den letzten zwei Jahren sogar über eine Million Flüchtlinge aufgenommen, was ich sehr begrüße. Aber eine Million geht nicht jedes Jahr. Auf lange Sicht sollten die Flüchtlinge wieder zurückkehren und ihre Heimat aufbauen.“…

Volltext

Neuerscheinung: »Verschiedene Ansichten. Neue zeitkritische Beiträge« von Dietrich Stahlbaum

coverpic3d.php.png

Klappentext:

Auch für den 90-Jährigen ist es eine „Selbstverständlichkeit, das Zeitgeschehen kritisch zu begleiten und im Netz mitzudebattieren.“ Dies ist nun sein 10. eBook, Fortsetzung des neunten mit Beiträgen des letzten Jahres (2016) zu den gleichen Themen (aktuelle Politik, Globalisierung, Kolonialismus, Krieg und Pazifismus, Flüchtlinge, Fluchtursachen, alte und Neue Rechte, ihr Rassismus, ihre Ängste; philosophische Betrachtungen…) Dazu: Die Arier.  Der folgenschwere Missbrauch eines Begriffes durch Rassisten, Verschwörungstheorien; Entwicklungshelfer – ein Afrika-Fest in Bild und Text, Wer war Martin Luther?… – Rezension eines außergewöhnlichen Buches und ein Zeitungsbericht zu Stahlbaums 90.

Der Autor: geboren 1926, aufgewachsen in einem völkisch deutsch-nationalen Milieu, militaristisch erzogen, faschistisch indoktriniert. „Hitlerjugend“, Militär, I944-45 an zerbröckelnden Fronten, 1949-54 bei der Fallschirmtruppe der französischen Legion in Algerien und Vietnam. Heimkehr als Kriegsgegner. Engagement in Bürgerinitiativen und in der Friedens- und Ökologiebewegung. Berufe: u. a. Fabrikarbeiter, Buchhändler, Verlagsangestellter, Bibliothekar. Publikationen: Prosa, Lyrik, Essays, Reportagen etc. Ein Roman, ein „Lesebuch“, Print- und eBooks.

INHALT:

Verschiedene Ansichten – – Warum feiert heute der Nationalkonservatismus Urständ in Europa? – – Gesamtkultur, Menschheitskultur – – „Fremde“ Kulturen und Verhaltensweisen – – Historische Fluchtursachen – – Deutsche Auswanderer, deutsche Kolonialherrschaft – – PEGIDA, AfD und CO. verbreiteten verschwörungstheoretische Übertreibungen – – „Völkisch“ – – Muslimvereine – – Araberinnen – – Die Arier. Der folgenschwere Missbrauch eines Begriffes durch Rassisten – – Verschwörungstheorien. Eine WDR-Sendung und kritische Anmerkungen – – Multi-ethnischer Staat in Syrien? – – Zur Klimaerwärmung – – Afrika-Fest am 11.Juni 2016 auf dem Schulbauernhof in Recklinghausen (Bild und Text) – – Pazifisten – – Raus aus der NATO? Die Friedensbewegung im „Kalten Krieg“. Wortprotokoll einer Diskussion (1983) – – Der Gewalt (in uns) ein Ende setzen – – Das zurück gegebene Schwert. Eine vietnamesische Legende – – Barack Obama – – Herz und Hirn – – Frauen, die für Gleichberechtigung kämpfen – – Der SPD ist die soziale Kompetenz verloren gegangen – – Wer war Martin Luther? Was hat er gelehrt? Was hat er gewollt? Rezension – –  90 Jahre mitten im Strom der Zeit. Ein Lebensbericht

*  *   *

Dietrich Stahlbaum:  »Verschiedene Ansichten- Neue zeitkritische Beiträge«                   BookRix-eBook  2017, 11658 Wörter, € 3,99, ISBN: 978-3-7396-9350-7

Das eBook kann für € 3,99 auf Ihren Computer oder ein Lesegerät heruntergeladen werden.

Deutsche Auswanderer, deutsche Kolonialherrschaft

Es sollte daran erinnert werden, dass auch Deutsche, die, weil sie politisch oder religiös verfolgt wurden oder aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen in Gruppen ausgewandert sind, einen Teil ihrer Heimat mitgenommen haben, ihre Gewohnheiten, ihre Kultur: ihre Sprache, ihre Religion, ihre Sitten und Gebräuche, ihre Architektur. Und überall, wo sie sich gruppenweise angesiedelt haben, haben deutsche Immigranten sich nicht an die vorgefundenen Verhältnisse angepasst, sich integriert oder gar assimiliert, sondern – nach heutigem Sprachgebrauch – Parallelgesellschaften gebildet, vor allem in den USA (Bsp. Germantown, heute ein Vorort von Philadelphia), in Afrika, in Afrika, in Russland.

Und erinnern wir uns an die gewaltsame Besitznahme, an den Landraub deutscher Kolonisatoren besonders in Afrika, wo die indigene Bevölkerung teilweise von Deutschen betrogen, enteignet, vertrieben, ermordet oder versklavt und zwangschristianisiert worden ist und wo purer Rassismus geherrscht hat. →  https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Kolonien#Strukturbedingungen_in_den_deutschen_Kolonien

Das hat sich im kollektiven Gedächtnis von Nachfahren der „Eingeborenen“ traumatisch eingeprägt.

Albrecht Thöne: Wo sind die Denkmäler für Ku-Klux-Klan-Opfer?

7987001

Leserbrief zu Todesschüsse von Dallas: „Ein Land in Aufruhr“, FR-Titel und Tagesthema vom 9. Juli 2016

Wer beispielsweise kürzlich auf „zdf neo“ die Lehrstücke über die „Geschichte des Kolonialismus“ sehen konnte, der bekam eine Ahnung davon, in welchem Maße bislang auch die Geschichte des US-amerikanischen Rassismus’ unbewältigt ist. Was ist z.B. die nahezu vollständige Ausrottung der Indianer anderes als Völkermord? Man vernichtete ihre Lebensgrundlage, nämlich die riesigen Bisonherden in der Prärie! Nach wie vor ist die ethnologische Geschichtsschreibung in den USA vorwiegend eine „weiße“, d.h. von entsprechendem institutionellen Rassismus, von tendenziellem Verschweigen sowie von Akten- u. Quellenvernichtung beeinträchtigt. Wo sind die Denkmäler für die ca. 300 000 bestialisch hingefolterten Lynchopfer des Ku-Klux-Klans, wo ist der „Walk of Fame“ für die Helden der Bürgerrechtsbewegung? Die Tatsache ist kaum auszuhalten, dass nach Ende des Zweiten Weltkrieges schwarze US-Soldaten, die gerade noch gegen das rassistische Nazi-Deutschland gekämpft hatten, im Süden der USA gelyncht wurden, weil sie sich mit dem „Ehrenkleid ihrer Nation“, der Uniform, in die dortige Öffentlichkeit begeben hatten. Es sprengt fast unsere Vorstellungskraft, dass diese Demokratie heute weit über eine Million Schwarze in ihren Jailhouses wegsperrt – bei Entzug des Wahlrechtes schon für Bagatelldelikte.

Es nimmt offenbar kein Ende, dass wöchentlich zwei Schwarze von der Polizei erschossen werden, weitere im Rollstuhl enden. Es war für mich neu, dass es bei den prekären polizeilichen Überprüfungen zu erfüllende „Quoten“ gibt – das erinnert an die „body counts“ im Vietnam-Krieg.

Gewiss: Auch die Polizisten haben Angst, und wer studieren will, was Lobbyismus anrichten kann, der möge nachlesen, wie die National Rifle Association es verstand, dieser Nation der Amokläufe 300 Millionen Feuerwaffen anzudienen, durch die täglich 89 Menschen und allein pro Jahr hundert Kinder durch Kinderhand ums Leben kommen. Wie gewaltbesessen und rassistisch vernagelt jene Gesellschaft ist, erhellt auch der Lebenslauf jenes Genies, das einst seinen „Sklavennamen Cassius Marcellus Clay“ ablegte: Muhammad Ali musste selbst erst „schlachten“ und sich (unmerklich allmählich in die Parkinsonsche Krankheit hinein) „schlachten“ lassen, um jene Weltgeltung zu erreichen, die es ihm ermöglichte, u.a. mit seiner Wehrdienstverweigerung wirksam gegen das Napalm- und Agent-Orange-Schlachten in Vietnam anzugehen. Sein Antlitz gehört in den Mount Rushmore gemeißelt!

Albrecht Thöne, Schwalmstadt

[Diskussion: frblog.de/dallas in der Frankfurter Rundschau vom 13. 07. 2016]

Religion und Politik. Weitere Beiträge zur Islam-Kontroverse

Vorangestellt sei ein Leserbrief, der am 20.07.07 unter dem Titel „Zitate willkürlich interpretiert“ in der Recklinghäuser Zeitung erschienen ist:

– Von: Dietrich Stahlbaum, Recklinghausen – Betr.: „Debatte hat erst begonnen“. Leserbrief von Georg Schliehe – RZ vom 13. Juli 2007

Georg Schliehes Islam-Kritik basiert u. a. auf einer umfangreichen Streitschrift anonymer Verfasser mit dem Titel „Das Islam-Prinzip“. Gemeint ist damit nicht etwa der islamistische Fundamentalismus, der seit einiger Zeit in der Türkei wieder Boden zu gewinnen und die Politik zu beherrschen versucht, sondern der Islam insgesamt, mithin auch der alevitische Islam und damit etwa ein Viertel der türkischen Bevölkerung. Gerade an diesem Beispiel zeigt sich die Absurdität des „Islam-Prinzips“.

Die Methode, mit der der Islam inkriminiert werden soll, ist dieselbe, die islamistische Fundamentalisten anwenden: Es werden Koranstellen aus Text- und Sinnzusammenhängen herausgerissen, es werden Zitate willkürlich interpretiert; es wird weder die „blumige“, nämlich poetische Sprache, in der der Koran verfasst ist, berücksichtigt, noch werden die Zeitbedingtheit, Ungenauigkeit und Vieldeutigkeit arabischer Wörter und daher auch die unterschiedlichen Übersetzungen, die Mentalität arabischer Völker, ihre Fabulierfreude und -kunst u. v. a. m. beachtet.

Schliehe und die anonymen Verfasser der Streitschrift warnen vor einer „schleichenden Islamisierung Deutschlands und Europas“. Die in der Mehrzahl türkischen Einwanderer waren aber bereits Muslime, und ihre hier Nachgeborenen sind es zumeist geblieben. Von massenhaften Übertritten „alt“deutscher und anderer Europäer zum Islam ist nichts bekannt. Oder meinen Schliehe und die Verfasser des Islam-Prinzips etwa, es drohe ein islamischer Gottesstaat Deutschland bzw. Europa? Auf solche abstrusen Gedanken kommt nicht einmal der zurzeit amtierende Bundesinnenminister.

RZ 20.07.07

~~~~~~~~
Sogar Lenin, der in seiner Kirchen- und Religionskritik nicht gerade zimperlich war und die „völlige Trennung der Kirche vom Staat und der Schule von der Kirche“ verlangt hat, sowie „die uneingeschränkte und vorbehaltlose Erklärung der Religion zur Privatsache“, sagte am 19. November 1918 auf einem Arbeiterinnenkongress:
„Im Kampf gegen religiöse Vorurteile muß man außerordentlich vorsichtig vorgehen; großen Schaden richtet dabei an, wer in diesem Kampf das religiöse Gefühl verletzt. (…) Die tiefsten Quellen religiöser Vorurteile sind Armut und Unwissenheit; eben diese Übel müssen wir bekämpfen.“

~~~~~~~~
[Religiöse] Glaubensfragen sollten psychologisch verstanden und philosophisch diskutiert werden. Verhindert werden muss jeder Versuch, eine Religion zu politisieren. Selbstverständlich trifft dies auch auf den Islam zu. Nur wäre es falsch, hier nicht zu differenzieren, nicht zu unterscheiden zwischen willkürlicher Exegese (Auslegung) religiöser Texte durch einige Geistliche, um damit Machtmissbrauch und Unterwerfung zu ermöglichen und zu rechtfertigen und – auf der anderen Seite − friedlicher (pazifistischer), Menschenfreundlicher und Weltoffener Religiosität.

1. Der KORAN – Aufklärung statt Verbote

(Ein Brief aus 2004)

Lieber …,

um es vorweg zu sagen:
Von Verboten halte ich nichts, denn sie bedeuten eine Entmündigung und sind, wie die Erfahrung zeigt, leicht zu unterlaufen. Eine absolut sichere Kontrolle ist in unserem Zeitalter der elektronischen Kommunikation unmöglich, es sei denn in einem totalen Überwachungsstaat, der das, was ein Staat schützen soll, die Freiheitsrechte – mithin das Recht auf Glaubens- und Gedankenfreiheit, das Recht auf Meinungsäußerung und –bildung, das Recht auf Selbstentfaltung usf. – abgeschafft hat.

Geistige Autonomie und Immunität können nicht dadurch entstehen, dass man anfällige, nämlich leichtgläubige und autoritätshörige Menschen auf Quarantäne setzt und versucht, sie von allem, was sie infizieren könnte, fernzuhalten, sondern allein durch eine zwar mühsame, langwierige, aber nachhaltig wirkende geistige Auseinandersetzung mit allem, was wir Menschen hervorbringen, kurz: durch eine umfassende Bildung und Aufklärung in allen Schichten und auf allen Ebenen der Gesellschaft.

Es hat lange Zeit gebraucht und viele Generationen haben sich schwer getan, bis der Humanismus, der Wert und Würde jedes einzelnen Menschen betont, das, was wir heute Menschenrechte nennen, in Westeuropa verbreitet war, im 14. und 15. Jh. Und es war nicht die Leitkultur des christlichen Abendlandes, an der sich der Humanismus orientiert hat, sondern die klassische Antike. Ebenso wie die Aufklärung des 17./18. Jh., deren Früchte viel Zeit zum Reifen gebraucht haben, bis am 26. August 1789 die Menschen- und Bürgerrechte in der französischen Nationalversammlung verkündet worden sind. Und auch heute sind diese Rechte im Bewusstsein der europäischen Völker noch nicht genügend verwurzelt und daher gefährdet.

Aufklärung ist keine einmalige Angelegenheit, die bestenfalls in der Schule stattfindet, sie ist ein permanenter Prozess, ein Lernprozess, der nie endet, denn stets von Neuem entsteht „Verdunkelungsgefahr“.

Mit den besten Grüßen aus dem Ruhrgebiet,
in dem es letztendlich immer wieder gelungen ist, EinwanderInnen trotz unterschiedlichster Ethnien und Kulturen in unsere Gesellschaft zu integrieren,
Dietrich Stahlbaum

2. Müssen wir anderen Völkern helfen,
sich aus der islamistischen Zwangsjacke zu befreien?

Das Völkerrecht verbietet, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Völker einzumischen. Menschenrechte verlangen dies, wenn sie missachtet werden. Die Frage ist, welche Art der Einmischung wäre gerechtfertigt? Das sollte von der Völkergemeinschaft, von den Vereinten Nationen (UN), geklärt und von Fall zu Fall entschieden werden.
Der Islamismus und der islamistisch begründete Terrorismus sind nicht zuletzt Folge einer Identitätskrise in den islamischen Ländern, hervorgerufen durch neokolonialistische Globalisierung und Korrumpierung arabischer Ölmagnaten durch westliche Staaten und Konzerne, in erster Linie US-amerikanischer und britischer. Viele Moslems sehen sich durch den Westen gedemütigt und von ihren eigenen Herrschern verraten. Sie sehen ihre Kultur durch unsere modernistische Zivilisation bedroht und geraten in den Bann fanatischer Mullahs, die ihnen das Paradies versprechen. Das macht sie gewaltbereit und gewalttätig bis zur Selbstaufopferung.

Was können wir dagegen tun? Da gibt es viele Möglichkeiten, auf politischer Ebene wie auf privater. Auf jeden Fall sollten wir uns mit allen Moslems und Moslimen, die sich von den alten patriarchalen, autoritären Strukturen des Islams befreit haben oder befreien wollen und Reformen anstreben, wie z. B. der marokkanische König und seine Frau, solidarisieren und sie, soweit möglich, unterstützen. Auch ist der Friedensnobelpreis 2003 an die iranische Bürgerrechtlerin Schirin Ebadi ein gutes Signal. Und wir müssen selber vorleben, was wir von anderen erwarten: demokratisches Verhalten, eine hoch entwickelte Kultur freier Diskussion und fairer Entscheidungen, gewaltfreien Umgang mit Konflikten und Toleranz.

3. Sind Religionen Brutstätten der Gewalt? Oder machen sie gegen Gewalt immun? Ethik und Gewalt, Spiritualität und Gewalt, Geist und Macht, besser gesagt: UNGEIST und Macht

…und andere Beiträge aus dem ZEITFRAGENFORUM (HP) zum Thema RELIGIONEN
http://www.mx-action.de/dietrich/Einleitung_und_Themen/Religionen/religionen.html

Externe Beiträge:

Der aufgeklärte Islam hat das Wort
http://www.arte.tv/de/geschichte-gesellschaft/Aufgeklaerter-Islam/TV-Programm/1626714.html

Heba Raouf Ezzat: „Leider stimmt es, dass der Islam missbraucht wird. Aber auch Liberale oder Sozialisten missbrauchen ihre Ideologien. In unserem globalen Zeitalter müssen wir uns über Ideologien, Religionen und Kulturen hinwegsetzen und uns gemeinsam vor Extremisten jeder Art schützen. Durch konstruktive Debatten könnten wir demokratische Erfahrungen sammeln, die Hegemonie und Arroganz in unserer Welt wegfegen würden und dem Islam erlaubte, seine Botschaft der Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und der wiederzuerlangen.“

Heba Raouf Ezzat ist Dozentin für Politologie und Wirtschaft an der Universität in Kairo, Ägypten. Sie ist in ihrem Heimatland bekannt als gemäßigte Islamistin, Publizistin und Frauenrechtsaktivistin. Sie arbeitet außerdem als Beraterin für den Internetdienst IslamOnline.net, in der englischsprachigen Abteilung. Sie berät in Fragen des zeitgenössischen Islam und der Politikwissenschaften. ber
[Frankfurter Rundschau 04.10.2004]

Anhang:

Aus Koran und Bibel

In der Koran-Ausgabe, die ich besitze [Übersetzung des anerkannten jüdischen Religionswissenschaftlers Lazarus Goldschmidt aus dem Jahre 1920, neu erschienen beim Komer Verlag, Frechen 2000], steht z. B. in der Sure 3,110: „Die an Gott glauben und an den Jüngsten Tag, Fug gebieten, Böses verhindern und im Guten eifrig sind. Diese sind die Rechtschaffenen.“

Gemeint sind die „Schriftleute“, die Schriftgelehrten oder Schriftkundigen! Vorher heißt es nämlich: „Unter ihnen gibt es Gläubige, aber die meisten ihrer sind Gottlose.“ [Sure 3/107]
„Sie sind aber nicht gleich. Und unter den Schriftleuten gibt es eine rechtschaffene Gemeinde (…)“ [Sure 3/109]

Dagegen heißt es im Neuen Testament, Lutherübersetzung): „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.“ [Matthäus 10,34-39]

Sure 4/34 in meiner Ausgabe:
„Wer dies in Frevelhaftigkeit und Ungerechtigkeit tut, den braten wir einst im Fegefeuer; und leicht ist dies für Gott.“

Gemeint ist hier der Umgang mit den „Weibern“ und mit dem ererbten Vermögen.

N. T. Paulusbrief an die Korinther:
„Der Mann aber soll [beim Beten] sein Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist des Mannes Abglanz. Denn Der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib vom Manne. Und der Mann ist nicht geschaffen um des Weibes willen, sondern das Weib um des Mannes willen. Darum soll die Frau eine Macht [Anmerkung: „bedeutet wohl: Schleier“] auf dem Haupte haben um der Engel (!) willen.“ [Kor. 11,7-10]
Im A. T. heißt es: „Die Frau sei dem Manne untertan.“ (Aus dem Gedächtnis)

Die (weltweite) Verbreitung des Christentums war, wie in Deschners Kriminalgeschichte nachzulesen ist, alles andere als eine friedliche und Menschenfreundliche. Die Verbreitung des Islams dagegen war es, wo es durch den Handel und Kulturaustausch geschah. Zum Beispiel in Spanien.

Ergänzungen:

Neue Studie widerlegt Schliehe, WIR & Co:

„Mehr Muslime, besser integriert“

Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge:

In Deutschland leben deutlich mehr Muslime als bisher geschätzt. Nach einer neuen Studie wohnen zwischen 3,8 Millionen und 4,3 Millionen in der Bundesrepublik, was einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von rund fünf Prozent entspricht. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der repräsentativen Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“, die das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz erstellt hat.

Bisher waren die Behörden von 3 bis 3,5 Millionen Menschen muslimischen Glaubens ausgegangen. Laut der Studie haben 45 Prozent der in der Bundesrepublik lebenden Muslime ausländischer Herkunft einen deutschen Pass.

Integration besser als angenommen…

Die Integration der Muslime in die Gesellschaft ist nach den Erkenntnissen der Studie besser als vielfach angenommen. So sind zum Beispiel mehr als die Hälfte der Muslime Mitglied in einem deutschen Verein. Die Untersuchung bestätigt aber auch Defizite bei der sprachlichen Integration.

Generell weisen Muslime niedrigere Integrationswerte auf als Angehörige anderer Religionen aus denselben Herkunftsländern. Die Autoren der Studie schlagen deshalb vor, vorschulische, schulische und außerschulische Förderung der muslimischen Migranten konsequent voranzutreiben.

… deutliche Defizite bei türkischen Migranten

Deutliche Integrationsdefizite gibt es auch bei der großen Gruppe der türkischen Migranten, die bei der Schulbildung schlecht abschneiden. Dies ist teilweise auf die extrem schlechten Werte der türkischen Frauen der ersten Zuwanderergeneration zurückzuführen. In Deutschland geborene Muslime (die sogenannte zweite Generation) sind insgesamt deutlich besser integriert als ihre Eltern, die häufig aus bildungsfernen Schichten stammen.

Viele Muslime sehen sich als gläubig

Die Mehrheit der Muslime bezeichnet sich selbst als gläubig. Ein gutes Drittel stuft sich als „stark gläubig“, die Hälfte als „eher gläubig“ ein. Knapp 14 Prozent gaben an, „eher nicht“ oder „gar nicht“ zu glauben. In religiösen Vereinigungen oder Gemeinden ist allerdings nur eine Minderheit aktiv.

Religiöse Veranstaltungen besucht nur ein gutes Drittel „häufig“, die Mehrheit „selten oder nie“, wobei Frauen häufiger als Männer fernbleiben. Der Wunsch nach einem islamischen Religionsunterricht ist indes stark. 76 Prozent sprechen sich dafür aus. Das in der Öffentlichkeit besonders umstrittene Kopftuch tragen 70 Prozent der muslimischen Frauen nie. Der Unterschied zwischen der ersten und zweiten Generation ist hier gering, wobei ein Viertel der zuerst zugewanderten Musliminnen immer ein Kopftuch umbindet.

Fast alle Muslime leben in den alten Ländern

Diese erste repräsentative Studie belegt in den Augen der Autoren die Vielfältigkeit des muslimischen Lebens in Deutschland. Es wurden 6004 Personen ab 16 Jahren aus 49 muslimisch geprägten Herkunftsländern zu Religion und Integration befragt. Mit den Angaben über Haushaltsmitglieder stützt sich die Auswertung auf fast 17.000 Personen. Fast alle Muslime (98 Prozent) leben in den alten Bundesländern einschließlich des Ostens Berlins.

[ARD-Tagesschau vom 23.06.2009 22:08 Uhr]

Ergänzend aus der Frankfurter Rundschau:

„Die gern mit Allgemeinvertretungsanspruch auftretenden muslimischen Dachverbände sprechen nur für knapp 25 Prozent der Muslime hierzulande.“ [FR vom 24.06.2009]

Volltext → http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1809326&

Von blog.de (21. 06. 2009) übernommen.

Islam / Islamismus / Faschismus

Wenn man den Faschismus / Nationalsozialismus auf die heutige Politik bezieht, muss man wissen, wovon man redet, d. h. man muss mit seiner Geschichte und Ideologie einigermaßen vertraut sein. Kaum bekannt ist z. B., dass so namhafte Araber wie Hadji Mohammed Amin el Hussein, der „Großmufti von Jerusalem“, und seine Anhänger Hitler verehrt und dem Naziregime gedient haben, dass Rommels Truppe in Nordafrika ihre Anfangserfolge nicht zuletzt arabischer Hilfe verdankt, dass es Muslime waren, die den Holocaust begrüßt haben. Dem Afrikakorps auf dem Fuße gefolgt sind – das wurde erst kürzlich bekannt – Gestapokommandos, die mit Wissen Rommels Jüdinnen und Juden aufgetrieben, zusammengetrieben und ermordet haben.

Ein anderer Artikel von mir befasst sich mit der Frage:

Müssen wir anderen Völkern helfen,
sich aus der islamistischen Zwangsjacke zu befreien?

Das Völkerrecht verbietet, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Völker einzumischen. Menschenrechte verlangen dies, wenn sie missachtet werden. Die Frage ist, welche Art der Einmischung wäre gerechtfertigt? Das sollte von der Völkergemeinschaft, von den Vereinten Nationen (UN), geklärt und von Fall zu Fall entschieden werden.
Der Islamismus und der islamistisch begründete Terrorismus sind nicht zuletzt Folge einer Identitätskrise in den islamischen Ländern, hervorgerufen durch neokolonialistische Globalisierung und Korrumpierung arabischer Ölmagnaten durch westliche Staaten und Konzerne, in erster Linie US-amerikanischer und britischer. Viele Moslems sehen sich durch den Westen gedemütigt und von ihren eigenen Herrschern verraten. Sie sehen ihre Kultur durch unsere modernistische Zivilisation bedroht und geraten in den Bann fanatischer Mullahs, die ihnen das Paradies versprechen. Das macht sie gewaltbereit und gewalttätig bis zur Selbstaufopferung.

Was können wir dagegen tun? Da gibt es viele Möglichkeiten, auf politischer Ebene wie auf privater. Auf jeden Fall sollten wir uns mit allen Muslimen, die sich von den alten patriarchalen, autoritären Strukturen des Islams befreit haben oder befreien wollen und Reformen anstreben, wie z. B. der marokkanische König und seine Frau, solidarisieren und sie, soweit möglich, unterstützen. Auch ist der Friedensnobelpreis 2003 an die iranische Bürgerrechtlerin Schirin Ebadi ein gutes Signal. Und wir müssen selber vorleben, was wir von anderen erwarten: demokratisches Verhalten, eine hoch entwickelte Kultur freier Diskussion und fairer Entscheidungen, gewaltfreien Umgang mit Konflikten und Toleranz.
[In: GEWALT/-FREIHEIT im ZEITFRAGENFORUM → http://www.dietrichstahlbaum.de ]

Von blog.de (20. 06. 2007) übernommen.

Das individuelle und das kollektive Gewaltpotential

Wir wissen nicht, ob unser Schiff, das auf den Eisberg zusteuert, von seinem Kurs abgebracht werden kann oder ob der Eisberg bis zum kritischen Moment weggeschmolzen sein wird. Dies oder das zu glauben, hilft da auch nicht weiter. Das Einzige, was wir wissen: Noch ist Zeit, die Kapitäne von der Kommandobrücke herunterzuholen (auf legale, auf demokratische Weise, versteht sich), die TITANIC zu stoppen und auszusteigen, umzusteigen in eine andere Lebensweise.

Uns prägen Kindheitserlebnisse und spätere Jugenderfahrungen. Sie bestimmen unser Weltbild, unser Lebensgefühl, unser Sensorium und damit die Art und Weise unserer Wahrnehmungen (der Plural ist gewollt). Gerade deshalb empfehle ich das Buch von Claude AnShin Thomas: Krieg beenden, Frieden leben. Ein Soldat überwindet Hass und Gewalt.
Er beschreibt – möglicherweise ist das in meiner Rezension * nicht deutlich genug formuliert -, wie ihn die Traumen seiner Kindheit veranlasst haben, selber gewalttätig zu werden und als Siebzehnjähriger (wie ich übrigens auch **) in den Krieg zu ziehen, um „sich zu beweisen„, wie er als Neunzehnjähriger mit einer Kriegspsychose heimkehrt und Jahre später, nach weiteren Versuchen, sich selber zu entfliehen, seine Traumata verarbeiten und sie schließlich loswerden kann. Er steht als Zeitzeuge für Generationen von Kriegsveteranen, von denen es einigen wenigen gelang, aus eigener Kraft – wie es der authentische Buddha selber praktiziert und gelehrt hat – sich von seinem Leiden, einem geistigen Elend, zu erlösen, sich zu – emanzipieren: ein freier Mensch zu werden. Mit Esoterik hat das nichts zu tun.

Es wird sich erweisen, ob die destruktiven Energien, die sich in der gesamten Menschheit aufgeladen haben, kulturell transformiert werden können oder ob eine Selbstzerstörung nicht mehr aufzuhalten ist. Selbstzerstörerisch sind ja nicht allein Selbstmordattentäter/innen. Diesem kollektiven und zugleich individuellen Gewaltpotential entsprechen die heutigen und künftigen Waffenarsenale.

Seit der Steinzeit hat der Mensch zwar seine Technik weiter entwickelt, nicht jedoch sich selber. Liegt es vielleicht daran, dass wir unsere intellektuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten überbewerten und unsere im Endeffekt destruktiven Eigenschaften unterschätzen, weil unsere emotionale Intelligenz (Daniel Coleman) völlig unterentwickelt ist? Bei Albert Einstein und Bertrand Russell waren intellektuelle und emotionale Intelligenz komplementäre Eigenschaften wie Yin und Yang. Deshalb scheuten sie sich auch nicht, dem Fortschrittsglauben entgegenzutreten und vor technokratischer, am Ende selbstzerstörerischer Hybris zu warnen.
—————-
* Die Rezension: → http://www.mx-action.de/dietrich/Einleitung_und_Themen/Pazifismus/pazifismus.html#Wunden
** Ich habe nach meiner Rückkehr aus Vietnam (1954) zehn, elf oder zwölf Jahre lang Nacht für Nacht, an die Wand gestellt, auf Gewehre gestarrt, habe manchmal Unverständliches geredet, auch herumkommandiert und sehr oft aufgeschrien. Als Pimpfe hatten wir noch gesungen: „Frischauf Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd, ins Feld, in die Freiheit gezogen! Im Felde, da ist er Mann noch was wert, da wird sein Herz erst gewogen…“ Unsere Großväter sangen dieses Lied noch nach 1918. Unsere Väter haben es nach 1945 nicht mehr gesungen.

Von blog.de (26. 11. 2009) übernommen.

Buddhistisches Regime in Sri Lanka unterdrückt Tamilen??? (Leserbrief)

…an das Medienhaus Bauer, Marl, zum Leserbrief „buddhistisches Regime hat Polizeistaat errichtet“ vom: 15. Januar 2010

Nicht ein „buddhistisches Regime“ verfolgt und unterdrückt die hinduistischen Tamilen in Sri Lanka, sondern es sind Menschen, die sich „Buddhisten“ nennen, aber die Lehren des Gotama Buddha missachten. In seinen Lehrreden und – gesprächen, die [, mündlich überliefert,] vor rd. 2200 Jahren [im heutigen Sri Lanka auf Palmblättern] aufgezeichnet worden sind und als authentisch gelten können, befindet sich nichts, was als Aufforderung zu Intoleranz, Hass und Gewalt verstanden oder missverstanden werden könnte. Die Absage an jegliche Gewalt ist eindeutig und klar in Buddhas Ethik verankert und psychologisch begründet.

Intoleranz, Hass und Gewalt sind nach seiner Erkenntnis Folgen von Ichsucht, Gier und Unwissenheit, den Ursachen des Leides, das man sich und anderen zufügt. Gotama Buddha hat uns vorgelebt, wie man sich von diesem Leid selber befreien kann.

Es gibt zahlreiche, sich „Buddhismus“ nennende Mischformen, die sich vom ursprünglichen Buddhismus entfernt und zum Teil seltsame Blüten getrieben haben. Ein Beispiel: In Japan sind ab 6.  Jh. buddhistische Elemente in den Shintoismus eingeschmolzen worden. So verkam die buddhistische Moral zu Ahnenkult, Patriotismus und Kampfsport. Damals entstand das japanische Zen. 1868 begann man sogar, Zen für militaristische Zwecke zu missbrauchen. Man benutzte die meditative Konzentrationspraxis, um junge Männer total zu entmündigen und aus ihnen [für den Tenno, den „Gott-Kaiser“,] gefügige, todesbereite, aufs Äußerste disziplinierte Soldaten zu machen. [Daher auch das große Interesse von SS-Führern an diesem „Buddhismus.“
Vor solchen Missverständnissen und Missbräuchen hat schon der Buddha gewarnt:
«Es ist gut, Zweifel zu haben. Glaubt nicht an etwas, weil die Menschen viel darüber reden, oder weil es schon immer so war, oder weil es so in den Schriften steht… Achtet darauf, ob es eurem Urteil widerspricht, ob es schädlich sein kann, ob es durch weise Menschen verurteilt wird, und vor alledem, ob es in der Praxis Zerstörung und Schmerz verursacht… Alles, was ihr als schön betrachtet, was mit eurem Urteil übereinstimmt, was durch weise Menschen anerkannt wird und was im praktischen Leben Freude und Glück bringt, könnt ihr akzeptieren und ausüben.»]
[Rede an die Kalamas in einer Übersetzung von Thich Nhat Hanh]

Am 21.01.2010 in den Zeitungen des Medienhauses Bauer erschienen. Weggekürztes in eckigen Klammern und [kursiv] markiert.

Von blog.dde (17. 01. 2010) übernommen.

Intoleranz, Hass, Gewalt und der Buddhismus (Leserbrief)

… an die Frankfurter Rundschau zu „Buddhist predigt Hass auf Muslime“, FR Politik vom 23. Juli 2013

Es ist nun leider eine Tatsache, dass immer wieder die Lehren des Gotama Buddha missachtet werden, sogar von „buddhistischen“ Mönchen. In seinen Lehrreden und -gesprächen, die, mündlich überliefert, vor rd. 2300 Jahren im heutigen Sri Lanka auf Palmblättern aufgezeichnet worden sind und als authentisch gelten können, befindet sich nichts, was als Aufforderung zu Intoleranz, Hass und Gewalt verstanden oder missverstanden werden könnte. Die Absage an jegliche Gewalt ist eindeutig und klar in Buddhas Ethik verankert und psychologisch begründet.

Es gibt zahlreiche, sich „Buddhismus“ nennende Mischformen, die sich vom ursprünglichen Buddhismus entfernt und zum Teil seltsame Blüten getrieben haben. Ein Beispiel: In Japan sind ab 6. Jh. buddhistische Elemente in den Shintoismus eingeschmolzen worden. So verkam die buddhistische Moral zu Ahnenkult, Patriotismus und Kampfsport. Damals entstand das japanische Zen. 1868 begann man sogar, Zen für militaristische Zwecke zu missbrauchen. Man benutzte die meditative Konzentrationspraxis, um junge Männer total zu entmündigen und aus ihnen für den Tenno, den „Gott-Kaiser“, gefügige, todesbereite, aufs Äußerste disziplinierte Soldaten zu machen. Daher auch das große Interesse von SS-Führern an diesem „Buddhismus.“

Kommentare:

Echsenwut:

Nunja. 😉
Es dürfte wohl kaum eine (Welt-) Religion geben, die noch nicht missbraucht und zielgerichtet missverstanden wurde.
Unglücklicherweise betrifft dies natürlich auch den Buddhismus.
Es hat durchaus (auch) historische Gründe, weshalb es Muslime besonders vor Polytheismus gruselt – die resultieren aus bizarren Gewalt- und Vernichtungsfantasien, welche ihnen gerade aus dem Buddhismus entgegenschlagen. Die blutige Verfolgung der Rohingya durch buddhistische Hassmönche, die entsetzlichen Massaker und gelegten Großbrände in Burma kommen keineswegs aus dem Off.

Wer sich dafür interessiert, der recherchiere doch mal mit den Begriffen „Kalachakra“ in Beziehung mit dem Begriff „Weltherrschaft“ – und schon erhält das Bild vom geradezu pazifistischen, weichgespülten Mönch mit seinem sanften Lächeln tiefe Risse. Ausgerechnet (!) dem Dalai Lama bringe ich seit meinen diesbezüglichen Recherchen ein tief empfundenes und sehr aufrichtiges Misstrauen entgegen.
Sicher – und ich wiederhole mich gern: vermutlich würde sich Gautama Buddha im Grabe herumdrehen, wüsste er von dieser bizarren Vergewaltigung seiner Lehre. Ich habe nichts gegen Buddhisten – aber, ehrlich gesagt, kenne ich mich unter ihnen nicht gut genug aus, um ihnen vorbehaltlos vertrauen zu können. Die „Kalachakra“-Vorstellungen sind dazu viel zu eindeutig, grauenvoll und abstoßend (wenn sie, um es NOCHMAL zu sagen, auch nur von einem Teil von ihnen vertreten werden).

Wir verbinden hier in Europa ganz speziell das Gesicht des ewig scherzenden und milden Dalai Lama mit „Buddhismus“ – das ist m.E. ein furchtbarer Fehler. Denn erstens repräsentiert er „den“ Buddhismus dankenswerterweise ebensowenig wie etwa Ajatollah Chomenei jemals für „den“ Islam gestanden, geschweige denn gesprochen hätte und zweitens bin ich davon absolut überzeugt, dass es den „echten“, absolut vertrauenswürdigen und milden Buddhisten ohne Rückhalt und schreckliches Geheimnis ebenso gibt wie „den“ echten, aufrichtigen, friedfertigen und milden Muslimen.

Dietrich Stahlbaum:

Ich bin zwar kein Anhänger des Dalai Lama und des „Tibetischen Buddhismus“, den man besser unter dem Begriff «Lamaismus» zusammenfasst, aber man sollte bei aller Kritik auch berücksichtigen, dass dieser Dalai Lama eben diesen Lamaismus nicht mehr für zeitgemäß zu halten scheint, besonders bei uns im Westen.

Alles, was sich „Buddhismus“ nennt, sollte daran gemessen werden, was Gotama Buddha aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich gelehrt und gelebt hat. Die Buddhologie ist heute so weit, festzustellen, welche Texte authentisch sind und was dem Buddha später in den Mund gelegt worden ist. Ein Beispiel aus meinem Roman:

« Than hat Buddha-Texte mitgebracht, seine Übersetzungen ins Vietnamesische, und der Roshi ist jetzt damit einverstanden, daß ich sie lese:

„Than hat sie aus dem Pali-Original übersetzt. Er hat dabei die Vieldeutigkeit mancher Begriffe nicht außer acht gelassen. Du wirst deswegen verschiedene Versionen zahlreicher Textstellen finden. Und du wirst auf Aussagen stoßen, die verschlossen sind wie bei einem Kôan. Der Schlüssel dazu ist nicht die formale Logik. Wenn du ihre Widersprüchlichkeit akzeptierst und nicht an Worten, an Begriffen, an Gedanken klebst, hast du klare Sicht. Unvoreingenommen, frei von Vorurteilen, frei von Illusionen, kannst du den Sinn intuitiv erfassen.

Der Buddha hat uns kein Lehrgebäude hinterlassen, keine Theorie, keine Systematik, keine geschlossene Anstalt für Dogmatiker. Die endgültige Fassung des Pali-Kanons ist erst dreihundert Jahre nach Gotamas Tod entstanden, aus dem Gedächtnis der Mönche. Es ist eine Sammlung unterschiedlichster Art. Daher sollte es dich nicht verwundern, daß es Unstimmigkeiten mitunter auch zwischen Textteilen verschiedener Sutras gibt. Es sind Teile aus verschiedenen Puzzles.

Im ANDABHUTA-JATAKA erzählt der Gotama einem Mönch die Geschichte von einer Frau, die sich zum Betrug ihres Mannes verleiten läßt, und bezeichnet dann die Frauen als betrügerisch, listenreich und als von bösem Wandel heimgesucht.

Im MAHAMANGALA-JATAKA zitiert er ein Gedicht, in dem es heißt:
Glücklich ist, wer alle Lebewesen liebevoll in Ehren hält, sich zu allen demütig verhält, zu Frau, zu Mann, zu Kind, und wer bei böser Rede geduldig bleibt und nicht widerspricht.“

„Ja, das paßt nicht zusammen.“
„Wäre er ein Frauenfeind gewesen – einige westliche Buddhologen unterstellen ihm dies – , hätte er der Gründung eines Nonnenordens zugestimmt? Er hat sie sogar lobend erwähnt, seine Hauptschülerinnen – vor den Männern:

Ihr Mönche, unter meinen Schülerinnen ist Mahapajapati Gotami die Älteste; die Erhabenste wegen ihrer Weisheit ist Khema; die Größte wegen ihrer außergewöhnlichen Kräfte ist Uppalavanna; die Beste in der Vinaya-Disziplin ist Patacara. Die oberste der Dhamma-Lehrerinnen ist Dhammadinna; die meditativen Kräfte hat Nanda am meisten verfeinert; den größten Eifer beweist Sona; die beste Hellsicht hat Sakula. (ANGUTTARA-NIKAYA)

Der Buddha hat niemandem die Fähigkeit abgesprochen, sich zu erlösen und Vollkommenheit zu erlangen, weder den Männern noch den Frauen.“ »

[Aus DER RITT AUF DEM OCHSEN oder AUCH MOSKITOS TÖTEN WIR NICHT, Aachen 2000, S. 294 ff. , Printausgabe vergriffen, jetzt als eBook → http://www.bookrix.de/_title-de-dietrich-stahlbaum-der-ritt-auf-dem-ochsen-oder-auch-moskitos-toeten-wir-nicht ]

Bei den frauenfeindlichen bzw. -unfreundlichen Textstellen ist man auf Wörter gestoßen, die es zu Gotamas Zeiten und dort, wo er gelehrt hat, nicht gab (!). Auch Übersetzungsfehler konnten aufgespürt werden.

Der ursprüngliche Buddhismus war keine Religion, sondern Lebenspraxis. So verstehe ich ihn auch heute als eine Philosophie, die gelebt sein will und von vielen BuddhistInnen praktiziert wird (beispielhaft: Thich Nhât Hanh, Chang Kong, Claude AnShin Thomas, die ich persönlich kenne.)

Mehr über sie auf meiner Homepage ZEITFRAGENFORUM → http://www.dietrichstahlbaum.de/
Weiteres über «Buddhismus» (Stichwort) in meinem Zeitfragenblog → http://zeitfragen.blog.de/

Von blog.de (24. 07. 2013) übernommen.