Wilhelm Neurohr: Stellungnahme zum Landesentwicklungsplan NRW im Rahmen der Bürgerbeteiligung

Das Landeskabinett NRW hat in seiner Sitzung am 17.4.2018 einschneidende Änderungen am Landesentwicklungsplans (LEP) beschlossen und bittet nun die Öffentlichkeit und die Bürgerinnen und Bürger bis zum 15. Juli um Stellungnahmen und Vorschläge. Im Vorgriff auf die Ergebnisse der Parlaments- und Bürgerbeteiligung hat der zuständige FDP-Wirtschaftsminister Pinkwart bereits per vorgezogenem Erlass den umstrittenen LEP in Kraft gesetzt, damit bauwillige Investoren mit dem Landschaftsverbrauch bereits beginnen können. Die bisherige Begrenzung des Freiflächenverbrauchs auf max. 5 ha pro Tag – tatsächlich wurde bis zu dem sechsfachen an Fläche, nämlich bis 30 ha täglich bebaut – wird zugunsten „marktwirtschaftlicher Lösungen“ komplett aufgehoben und die Landschaft für die ungebremste Zersiedelung freigegeben. Dabei benötigt das dramatische Aussterben der Tier- und Pflanzenarten sowie der Klimawandel des stärkeren Schutzes der Landschaftsräume.

Mit Ausweitung der Splittersiedlungen im ländlichen Raum für teuren Eigenheimbau mit infrastrukturellen Folgekosten und zusätzlichen Pendlerströmen kann jedoch die Wohnungsnot in den Städten und Ballungsräumen für bedürftige Bevölkerungsschichten nicht behoben werden. Hier wären Nachverdichtung und Umnutzungen mit sozialem Wohnungsbau in urbanen Stadtteilen stattdessen vonnöten. Doch die Regierungskoalition aus CDU und FDP will ihre Klientel im ländlichen Raum bedienen und verzichtet dafür auf ihre landesplanerische Steuerung, entgegen ihren Verpflichtungen nach dem Bundesraumordnungsgesetz. Ein skandalöser Vorgang!

Hierzu lesen Sie meine nachfolgende kritische Stellungnahme als Bürger im Klartext zu den inakzeptablen und folgenschweren Änderungen des Landesentwicklungsplanes:

An das

Ministerium für Wirtschaft, Innovation,

Digitalisierung und Energie

des Landes Nordrhein-Westfalen

– Referat VIII B

Berger Allee 25
D-40213 Düsseldorf

poststelle@mwide.nrw.de

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit nehme ich im Rahmen der Bürgerbeteiligung fristgerecht zum vorliegenden Änderungsentwurf des LEP Stellung und bitte um Berücksichtigung meiner Anregungen und Bedenken.

Meine wesentlichen Anregungen und Bedenken in der Zusammenfassung:

LEP-Erlass:

  • Es ist außerordentlich zu bedauern und zu kritisieren, dass der LEP-Erlass noch vor Abschluss der Bürgerbeteiligung und des parlamentarischen Änderungsverfahrens wesentliche Inhalte des LEP-Änderungsentwurfs mit sofortiger Wirkung vorwegnimmt, ausweitet und vorab bereits in Kraft setzt. Zudem gehen die Erläuterungen und Interpretationen des Erlasses über die LEP-Inhalte hinaus und schaffen eigene Rechtsvoraussetzungen, bei denen weder die Bürger noch das Landesparlament inhaltlich einbezogen wurden.
  • Damit wird aus Bürgersicht deutlich, dass die Parlamentsbeteiligung und die Bürgerbeteiligung nicht wirklich ernst genommen werden, sondern im Vorgriff darauf vollendete Tatsachen „handlungsorientiert“ geschaffen werden sollen, insbesondere im Hinblick auf den nunmehr ungebremsten baulichen Flächenverbrauch, kaschiert als „Entfesselungspaket II“.
  • Besonders bedenklich erscheint die laut LEP-Erlass eröffnete Möglichkeit, kleinere Ortsteile bewusst über den Eigenbedarf hinaus zu entwickeln, trotz der daran geknüpften Bedingungen und Kriterien. Auch die ausnahmsweise zugelassene Ausweisung von Gewerbe- und Industriegebieten isoliert im landschaftlichen Außenbereich erscheint völlig inakzeptabel. Dies würde dazu verführen, bei jedweden planerischen Konflikten und temporären Hindernisse unter dem Zeitdruck von Investoren und Ansiedlungswilligen in die freie Landschaft auszuweichen.

Begründung zur LEP-Änderung:

  • Die LEP-Änderungen führen laut Begründung erklärtermaßen dazu, dass eine intensivere planerische Inanspruchnahme des Freiraumes erfolgt. Damit spitzt sich als erklärtes Planungsziel der jetzt schon ökologisch unverträgliche Freiflächenverbrauch mit den schwerwiegenden Folgen weiterhin zu. Dies ist weder mit dem Bundesraumordnungsgesetz noch mit dem Baugesetzbuch und anderen Vorgaben vereinbar.
  • Der LEP verzichtet hierbei auf die Darstellung der räumlich-konkreten Auswirkungen auf die Umweltschutzgüter etwa durch Flächeninanspruchnahmen und verschiebt die konkreten Umweltprüfungen auf die nachfolgenden Planungsebenen. Damit stiehlt sich die Landesplanung aus ihrer Verantwortung für die von ihr planerisch ausgelösten oder zugelassenen Fehlentwicklungen. Dies ist völlig inakzeptabel.
  • Die erklärte Absicht, durch Flächenausdehnung von Ortsteilen unter 2000 Einwohnern den ländlichen Regionen und Ballungsräumen gleichwertige Entwicklungschancen zu gewährleisten, erscheint äußerst fragwürdig. Weder kann der weitere quantitative Flächenverbrauch in der freien Landschaft mit dem Entwicklungsgedanken gleichgesetzt werden noch lässt sich die zuspitzende Wohnungsknappheit im Mietwohnungsbau der Städte für einkommensschwächere Bevölkerungsschichten durch kostspielige Erschließung von Eigenheimsiedlungen im ländlichen Raum für einkommensstärkere Schichten lösen oder kompensieren.
  • Das angeführte Ziel der „erweiterten Entwicklungsspielräume und Planungssicherheit für unsere Wirtschaft“ war schon in allen vorherigen Landesentwicklungsplänen die Maxime. Dass diesem Anliegen nunmehr die landschaftlichen Freiräume leichter geopfert werden sollen, erscheint befremdend und nicht sachangemessen.

Flächenentwicklung:

  • Der Verzicht des LEP auf die bisherige Begrenzung des ausufernden Freiflächenverbrauchs und der Flächenversiegelung für Siedlungs-, Verkehrs- und Gewerbezwecke bedeutet einen inakzeptablen Rückschritt und einen Paradigmenwechsel im jahrzehntelangen Konsens einer ökologisch nachhaltig orientierten Siedlungs-und Umweltpolitik sowie Raumentwicklung.
  • Deshalb sollten die bisherigen Regelungen des noch gültigen LEP zur Begrenzung des Flächenverbrauchs weitgehend aufrecht erhalten und sogar verschärft werden. Die Änderungen dienen weniger der „ausgewogenen Verteilung von Wohn, Gewerbe- und Industrieflächen sowie Freizeitzentren zwischen städtischen und ländlichen Räumen“, als vielmehr den großzügigen Spielräumen für private Investoren für problemlosere bauliche Erschließungen landschaftlicher Freiräume.
  • Der unverzichtbar notwendige Landschafts- und Freiflächenschutz in dem ohnehin dichtbesiedelten NRW war Ergebnis eines rationalen ökologischen Bewusstseinsprozesses seit den 1970-er Jahren, nicht zuletzt in Anbetracht der dramatischen Gefährdung der Tier- und Pflanzenarten und der sich verschärfenden Klimaverhältnisse und ihrer Folgen. Deshalb ist eine mit der LEP-Änderung geplante Lockerung des dringender denn je notwendigen Freiflächen- und Landschaftsschutzes durch großzügig erweiterte Spielräume für erleichterte bauliche Entwicklungen im ländlichen Raum äußerst bedenklich. Die Behauptung im LEP-Erlass, dass damit das Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie angeblich erhalten bleibe, indem Siedlungserweiterungen in den umgebenden Freiraum erleichtert werden, ist nicht nachvollziehbar.
  • In NRW beklagen die Bauern und ihre Landwirtschaftskammer den Verlust von täglich 74 ha Weide- und Ackerland. Seit 1990 sind durch Siedlungswachstum und Verkehrsflächen, trotz Bevölkerungsrückgang, fast 1 Mio. ha landwirtschaftliche Flächen in NRW verschwunden. In NRW werden täglich 10 bis 30 ha Flächen neu bebaut. (Insofern war das bisherige sinnvolle Ziel des LEP zur Begrenzung auf 5 ha wirkungslos, weil die Landesplanung die Einhaltung dieses Ziels als angebliches „Hemmnis für die Baulandentwicklung“ nicht ernsthaft verfolgt und kontrolliert hat!) Auch von daher verbietet sich ein ungebremstes Siedlungsflächenwachstum, dessen Fortschreibung in die Zukunft in ein völlig zersiedeltes Landesgebiet münden würde. Die Behauptung „andere Planungsziele im LEP gewährleisten einen sparsamen Umgang mit Flächen“, ist eine bloße Schutzbehauptung im geänderten LEP, die konkret nicht nachvollziehbar ist.
  • Unter dem Vorwand der fehlenden Wohnungen (vor allem in den Städten und im jahrzehntelang vernachlässigten sozialen Wohnungsbau) sollen nunmehr mit der Behauptung eines „Wachstumsrückstandes“ ausgerechnet die nicht von Wohnungsnot betroffenen ländlichen Räume mit ihren Ortsteilen unter 2000 Einwohnern der Zersiedelung preisgegeben werden mit infrastrukturellen Folgekosten, anstatt die Siedungsschwerpunkte in den von Wohnungsnot betroffenen großen Städten (Innenentwicklung und Umnutzungen) für die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten zu stärken und deren Naherholungsgebiete im angrenzenden ländlichen Raum zu schonen. Insofern ist zu begrüßen, dass für die Weiterentwicklung von kleinen Ortsteilen zu einem allgemeinen Siedlungsbereich ein nachvollziehbares gesamtgemeindliches Konzept zur angestrebten Siedlungsentwicklung zwingend erforderlich ist.
  • In den meisten Fällen hat nicht die angeblich „ortsansässige Bevölkerung“ von der Ausweitung der so genannten Ortsteile oder Splittersiedlungen unter 2000 Einwohnern profitiert, sondern es fand überwiegend der massive externe Zuzug einkommensstarker Bevölkerungsschichten aus den Städten und Ballungsräumen ins ländliche Umland statt (Krasses Beispiel ist die Stadt Haltern am See für eine solche verfehlte Siedlungspolitik, mit daraufhin explodierenden Grundstücks- und Mietpreisen und zunehmenden Pendlerströmen). Der Erweiterungsbedarf für die ortsansässige Bevölkerung in den kleinen Ortsteilen ist in Wirklichkeit nur sehr gering und untergeordnet; er rechtfertigt nicht die allerorts ausufernden Siedlungserweiterungen an den Ortsrändern. Dort ist auch die Schaffung eines vielfältigen Infrastrukturangebotes kaum oder nur mit großem Kostenaufwand möglich, so dass der Schwerpunkt auf die Erhaltung vorhandener Infrastruktur gelegt werden sollte.
  • Insofern sind die auch zulässigen „Angebotsplanungen“ laut LEP-Erlass äußerst fragwürdig, ebenso die als Alibi eingeforderten „Belege“ für Bauwünsche und Erweiterungsbedarfe der Ortsansässigen. In den außerdem vorzulegenden Bevölkerungsprognosen wird i. d. R. nicht erkennbar, inwieweit sich durch ländliche „Angebotsplanungen“ an Baugebieten im städtischen Umland der Bevölkerungszuwachs überwiegend durch Abwerbung und Fortzug aus sich entleerenden Städten etwa im Ruhrgebiet ergibt, wo es lange Zeit deshalb sogar Wohnungsleerstände gab (Gelsenkirchen, Herten u.a.) bis zum Flüchtlingszuzug.
  • So hat z. B. die ländliche Stadt Haltern am See durch expansive Angebotsplanung ca. 8.000 Einwohner aus den schrumpfenden Städten des Ruhrgebietes in wenigen Jahrzehnten abgezogen und die dortige Infrastruktur gefährdet sowie eigene Infrastruktur neu aufgebaut. Seit 1950 hat sich dadurch die Einwohnerzahl Halterns sogar verdreifacht. Eine aktuell von der Stadt massiv angestrebte weitere Siedlungsausdehnung würde das bevorzugte Naherholungsgebiet für das Ruhrgebiet im Raum Haltern innerhalb des flächendeckenden Naturparks Hohe Mark beeinträchtigen und konnte bisher nur durch restriktive Regional- und Landesplanung etwas gebremst werden.
  • Deshalb darf die Landesplanung ihre steuernde Funktion nicht an die Umlandgemeinden delegieren, wenn sie solche räumliche Fehlentwicklungen mitsamt Konkurrenzkämpfen zwischen benachbarten Gemeinde um Flächen und Einwohner vermeiden will. „Städtebauliche Entwicklung“ sollte nicht nur quantitativ mit Flächenerweiterung und Siedlungswachstum gleichgesetzt werden, sondern mit qualitativer Entwicklung. Für den Wohnungsbau und die Gewerbebedarfe gibt es auch intelligentere und verträglichere Lösungen mitsamt Nachverdichtungen im bestehenden Stadtgefüge. Insofern ist die unverbindliche landeplanerische Empfehlung im LEP für gesamtgemeindliche Konzepte für die Ortsteilentwicklung mitsamt Analyse der Infrastruktur zu einer verpflichtenden Planungsaufgabe der Gemeinden aufzuwerten als Voraussetzung für Genehmigungen.
  • Die stetige Siedungserweiterung an den Ortsrändern in Jahresringen ist völlig kontraproduktiv, irrational und ganz offensichtlich ideologisch und parteipolitisch motiviert, um bestimmte Interessengruppen im ländlichen Raum zu bedienen. Ackerland und Grünland in Bauland zu verwandeln, mag einigen profitierenden Landwirten und involvierten Immobilienmaklern oder Investoren zugutekommen. Es existiert aber weniger ein Mangel an aufwändig zu erschließenden Eigenheim-Baugebieten im Außenbereich für gehobene Einkommensschichten, sondern vielmehr ein Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen in der städtischen Urbanität für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen, auch um lange und kostspielige Pendelwege mit erhöhtem Verkehrsaufkommen zu vermeiden.
  • Der Grundsatz gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land ist nicht von der Besiedelung der freien Landschaft oder der Ausdehnung dortiger Siedlungsansätze abhängig, sondern durch andere sinnvolle Maßnahmen zu erreichen (z. B. Landarzt-Praxen, ÖPNV-Verbindung, Dorfladen und Dorfschule, Sparkassen-Filiale etc.).
  • Die großzügige Freigabe der ländlichen Landschaftsräume für weitere Kleinst- und Splittersiedlungen, die angeblich durch „organische Siedlungsentwicklungen“ im Freiraum verhindert werden sollen, und für neue Siedlungsentwicklungen mit teuren infrastrukturellen Folgekosten geht an der eigentlichen Problemlage und den bedürftigen Zielgruppen vorbei und wirkt kontraproduktiv. Die erweiterten Spielräume für die dann unkontrollierten Gemeinden lassen absehbare massive Fehlentwicklungen in kürzester Zeit befürchten. Landesplanung und Raumordnung geben dadurch ihre gesetzlich gebotenen planerischen Steuerungsmöglichkeiten im Interesse einer ausgewogenen Raumentwicklung insgesamt aus der Hand.
  • So sehr es grundsätzlich angebracht ist, die Planungshoheit der Kommunen zu stärken, so können die politischen Kräfteverhältnisse und Interessengruppen und -Verflechtungen vor Ort jedoch erhebliche planerische Fehlentwicklungen auslösen, wenn die Regional- und Landesplanung auf ihre bisherige steuernde und kontrollierende Funktion, losgelöst von örtlichen Bindungen, verzichtet, entgegen den Vorgaben des ROG (Hierzu erscheint die anderslautende Rechtsauffassung der Landesregierung NRW nicht haltbar).
  • Für die Kommunen wäre es eher hilfreich, wenn einflussstarken privaten Investoren Einhalt geboten würde. Dies hat sich erfahrungsgemäß in der Vergangenheit gerade bei der Siedlungsflächenexpansion in den Freiraum immer wieder als planerisches Konfliktfeld erwiesen, so dass die landesplanerische Einflussnahme weiterhin unverzichtbar ist, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Ansonsten werden Planungskonflikte nicht durch die Raumordnung ausgeglichen, sonder vielfältig erzeugt und verstärkt.
  • Auch die ausdrücklich zugelassene Weiterentwicklung und Erweiterung vorhandener und Erschließung neuer Standorte von überwiegend durch bauliche Anlagen geprägte Erholungs-, Sport- und Freizeit- sowie Tourismuseinrichtungen (Freizeitparks) sowie Ferien- und Wochenendhausgebiete verfestigt und fördert zumeist landschafts- und umweltschädigende Fehlentwicklungen in unverträglicher Weise an oftmals fragwürdigen Standorten und sollte deshalb eingegrenzt und teilweise zurückgebaut werden. Der bloße Hinweis auf die Umwelt-, sozial-und zentrenverträgliche Planung sowie auf vorrangige Freiraumfunktionen und auf das Orts- und Landschaftsbild war schon bislang relativ wirkungslos. Überdies sollte industrielle Tierhaltung in großem Maßstab beendet werden und solange weiterhin in Industriegebieten statt im Außenbereich stattfinden.

Windkraft:

  • Der auf 1.500 m erweiterte Abstand von Windkraftanlagen zu Wohngebieten ist ebenso nachdrücklich zu begrüßen wie die Verhinderung von Windkraftanlagen in Waldgebieten und die Freihaltung von anderen sensiblen Landschaftbereichen.
  • Begrüßenswert ist deshalb auch die bisher fehlende stärkere planerische Steuerungs- und Einflussmöglichkeit der Kommunen bei der Standortwahl von Windparks (Vorranggebiete sowie frei zu haltenden Tabubereiche), um dem bisherigen ungeplanten Wildwuchs und der Standortfestlegung durch Privatinvestoren entgegenzuwirken.
  • Bedauert wird die im LEP weiterhin vernachlässigte negative Auswirkung der großen Windkraftanlagen auf das Landschaftsbild und die Erholungsfunktion generell, die einer ausgewogenen Konfliktlösung bedürfen.

Rohstoffsicherung:

  • Die im LEP angestrebte „Erleichterung des Abbaus von Rohstoffen“ und der allgemeine „Verzicht auf die vorgegebene Konzentration der Abgrabungsbereiche“ sind ein offenkundiges Zugeständnis allein an die Konzerninteressen der Abbauunternehmen. Vielfältige „Planerische Konfliktlagen“ sind bei Rohstoffabbau in der Landschaft fast immer gegeben, so dass die „Ausnahmen“ überwiegend der Regelfall sind und deshalb die Konzentrationsbereiche beibehalten werden sollten. Die Bezeichnungen als Vorrang-, Eignungs- oder Reservegebiete sind nur unklar unterschieden und auch Ausnahmen zugelassen, so dass selbst in Konfliktfällen nahezu allen Abbaubegehren stattgegeben werden kann. (Hier zeigt sich offensichtlich das Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit mit mangelnder Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Belangen).
  • Die nach dem alten Bergrecht geregelten Abbaugenehmigungsverfahren bedürfen stattdessen zeitgemäßer neuer planungsrechtlicher Genehmigungsgrundlagen, die auch eine wirksamere Behörden-und Bürgerbeteiligung und weiter reichende Umweltverträglichkeitsprüfungen ermöglichen.

Flughäfen:

  • Die schon bisher im LEP als landesbedeutsam genannten Flughäfen als landesbedeutsam in ihrer Entwicklung zu sichern, erscheint sinnvoll.

Rechtsgrundlagen und Rechtswirkungen:

  • Mit dem geänderten und gelockerten LEP zugunsten erleichterter Bauflächenentwicklung und Rohstoffausbeutung im landschaftlichen Außenbereich gibt die Raumordnung ihre gesetzlich zugewiesene übergeordnete und überörtliche Funktion als Mittlerin zwischen gemeindlicher Bauleitplanung und privaten Investoren preis. Sie verzichtet auf die überörtlichen Vorgaben der räumlichen Entwicklungslinien auch gegenüber den Gemeinden, wie m ROG eigentlich vorgeschrieben. Hier scheint die Partei-Ideologie des derzeit zuständigen amtierenden Wirtschafts- und Digitalministers (FDP) nach der Devise „privat vor Staat“ in rechtlich unzulässiger Weise den Ausschlag für diese LEP-Änderung gegeben zu haben, entgegen der Aufgabenzuweisung des § 1 ROG.
  • Insofern mangelt es dem geänderten LEP bezüglich der Flächenentwicklung an der notwendigen Verbindlichkeit für die nachfolgenden Abwägungs-und Ermessenentscheidungen der Gemeinden. Das weiterhin als Alibi enthaltene LEP-Ziel der „flächensparenden Siedlungsentwicklung“ wird nicht näher quantifiziert oder kontingentiert, und kann nicht allein mit dem bloßen Hinweis auf Innenentwicklung und Nachverdichtung aufgefangen werden. Die komplette Streichung des bisherigen Punktes 6.1-2 (Leitbild flächensparende Siedlungswicklung) lässt katastrophale Folgen für die räumliche Landesentwicklung befürchten.
  • Demgegenüber wäre es laut ROG eigentlich die prioritäre Aufgabe des Landesentwicklungsplanes, die landschafts- und Erholungsräume vor ökonomisch attraktiven Raumnutzungswünschen zu sichern und die erstmalige Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungs-und Verkehrszwecke zu verringern. Trotz anderslautender Beteuerungen in der LEP-Änderungsbegründung verstößt die Landeplanung NRW damit gegen den § 2 (2) 6. Satz 3 des ROG. Stattdessen werden die notwendigen Grundätze und Leitvorstellungen einer nachhaltigen Raumentwicklung verlassen, statt diese zu konkretisieren und zu sichern. Der LEP hat verbindliche Vorgaben zu treffen, die eine strikte Bindung auslösen und nicht durch Abwägung der Gemeinden überwindbar sind. Vielmehr besteht für die Kommunen eine Handlungspflicht zur Umsetzung der Ziele der Raumordnung, die mit der LEP-Änderung unterlaufen wird.
  • Stattdessen räumt der LEP bezüglich der Siedlungsflächenentwicklung den Gemeinden ein schrankenloses Recht auf kommunale Selbstverwaltung ein, dass jedoch gem. Art. 78 (2) der Landesverfassung NRW in diesem Zusammenhang eingeschränkt ist, wie durch Urteil des BVerWG bestätigt. Die Festlegung der Nutzungen und Funktionen des Raumes kann also nicht den Gemeinden allein und uneingeschränkt überlassen oder an diese delegiert werden, wie jedoch mit der LEP-Änderung rechtswidrig angestrebt.
  • Außerordentlich bedenklich erscheint darüber hinaus die von der Landesregierung erwogene Eindämmung des Flächenverbrauchs durch Einführung eines Zertifikatehandels (analog zum CO2-Zertifikatehandel) als „marktwirtschaftliche Lösung“. Damit wäre vorprogrammiert, dass nicht mehr raumplanerisch sinnvolle Flächennutzungen und -zuordnungen zum Zuge kämen, sondern zufällige Verteilungslösungen nach Grundstücksverfügbarkeit und Verhandlungsergebnis sowie völlig unterschiedliche Versiegelungsgrade in den beteiligten Gemeinden. Plan und Markt lassen sich nicht vermischen oder vertauschen. Von einem solchen Modell sollte die Landesregierung umgehend Abstand nehmen, da sie sich damit von einer planvollen und ökologisch sinnvollen Raumordnung vollends verabschieden würde.

Wilhelm Neurohr, Dipl.-Ing. für Städtebau und Landesplanung

18.06.2018

Unser Mikrokosmos. Fotos und Leserbrief (2)

Da ist jetzt auch was dran:

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Unsere Pappeln

Unsere Pappeln, vor 60 Jahren gepflanzt, sind heute so hoch, dass sie von Weitem zu sehen sind.

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Im Vorgarten

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Heimische Gewächse gegen Insekten- und Vogelsterben

Leserbrief an die Redaktion der Recklinghäuser Zeitung:

– Von: Ursel und Dietrich Stahlbaum – Betr.: „Wildkräuterstreifen gegen Insekten- und Vogelsterben“ – RZ vom 21. Juli *

Wir freuen uns über die längst fällige Initiative, die uns allen nützt. Wer einen Garten und/oder Vorgarten besitzt, kann und sollte dazu beitragen, Lebensräume zu schaffen: für Insekten, die für die Bestäubung vieler Pflanzen und als Nahrung vieler Vögel unerlässlich sind. Dazu müssen heimische Gewächse (Bäume, Sträucher, Wildkräuter) angepflanzt und gesät werden. Exoten wie Magnolien mögen in der Blüte prächtig aussehen, Vögeln und Insekten sind sie fremd, ebenso wie Steinwüstenvorgärten.

Am 24. Juli in der RZ

——–

 * Anmerkung:

Der Leserbrief bezieht sich auf einen Bericht über die Anlage von Wildkräuterstreifen an Feldrändern, auf ehemaligen Halden und anderen Brachflächen der Stadt Recklinghausen.

Wilhelm Neurohr: „Glyphosat-Zulassung würde das Vorsorgeprinzip in Europa aushebeln“ (Leserbrief)

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….zum Kommentar von Rasmus Buchsteiner  in der Recklinghäuser Zeitung vom 7. Juni über den Glyphosat-Streit in der EU „peinliche Posse“.

Glyphosat-Zulassung würde das Vorsorgeprinzip in Europa aushebeln“

Bis zum endgültigen Nachweis der Schädlichkeit  solle gefälligst das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat „aus pragmatischen  Gründen“ einstweilen zugelassen werden, so die Argumentation von Rasmus Buchsteiner über den anhaltenden Streit in der EU. Alles andere hält er für eine „peinliche Posse“. Mit seiner Forderung quasi nach Umkehrung der Beweislast offenbart der Kommentator seine Unkenntnis über das in  Deutschland und Europa seit Jahrzehnten  gültige und ausnahmslos angewendete „Vorsorgeprinzip“. Dieses gilt aus guten Gründen bei der Marktzulassung für sämtliche Produkte und Dienstleistungen, die immer erst dann zugelassen werden, wenn ihre nachgewiesene Unbedenklichkeit für die Gesundheit und Sicherheit der Menschen eindeutig erwiesen ist. Damit sind wir über Jahrzehnte gut gefahren.

Es gibt keinen plausiblen Grund, erstmalig davon abzuweichen, nur weil die Glyphosat-Pestizid-Lobby massiven Druck macht.  Faktisch fordert Rasmus Buchsteiner somit stattdessen die Anwendung des umgekehrten „Nachsorgeprinzips“ nach dem Vorbild der USA, wo jedes Produkt erst einmal uneingeschränkt auf den Markt darf, solange ein davon Geschädigter dem Hersteller nicht nachweist, dass es an dem Produkt lag. Dies wäre in Europa ein bedenklicher Präzedenzfall und zugleich ein erstes Einfallstor für eine völlig andere Gesundheits- und Marktpolitik im Interesse der Lobbyisten.

Denn genau dies Thema „Vorsorgeprinzip“ oder „Nachsorgeprinzip“ ist auch eines der am heftigsten  umstrittenen Kernpunkte der Freihandelsverträge TTIP und CETA. Hier möchte die EU als Verfechterin von TTIP & Co. am Beispiel Glyphosat wohl den USA  prinzipiell entgegenkommen, obwohl sie gegenüber der Bevölkerung – die laut Umfragen mehrheitlich die Freihandelsverträge ablehnt – wahrheitswidrig behauptet, sie verteidige das bewährte „Vorsorgeprinzip“ bei den Verhandlungen. Mit der (auch temporären) Zulassung von Glyphosat als Pestizid trotz zweifelhafter Unbedenklichkeit wäre offenkundig, dass unser „Vorsorgeprinzip“ auf der Abschussliste stünde.

Dies bezeichnet der Kommentator Rasmus Buchsteiner als „Weg der Vernunft“, und nicht die konsequentere Haltung der Bundesumweltministerin. Diese nimmt die Warnungen der Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation ernst, die wegen festgestellter Tumore bei Tierversuchen für ein Verbot von Glyphosat, das als meistgenutztes Pestizid immer wieder mit Rückständen im Essen auftaucht. Guten Appetit, Herr Buchsteiner!

Wilhelm Neurohr

Schwerarbeit und technischer Fortschritt

Die Lebenserwartung der Landbevölkerung (Frauen haben früher auf dem Felde mitgearbeitet) und der Fabrikarbeiterschaft in den Städten war – verglichen mit heute – in etwa dieselbe: sehr niedrig. Das lag bei beiden Bevölkerungsgruppen an den sozialen Verhältnissen und bei Landarbeitern und Bauern außerdem an den jeweiligen örtlichen Bedingungen. Landarbeiter/innen, die von den Gutsherren bis auf die Knochen ausgenutzt, unter Stress gesetzt wurden, lebten nicht lange; sie waren mit 45-50 ausgelaugt. Kleinbauern mit schlechten Böden wird es ebenso ergangen sein. Es waren die schwere körperliche Arbeit und der lange Arbeitstag unter Stress.

Nicht allein Historiker neigen dazu, dies auf die heutigen Arbeitsbedingungen zu beziehen und dem Irrtum aufzusitzen, die Technik habe dem Arbeiter auf dem Lande und in der Fabrik das Leben verbessert und daher verlängert, weil schwere und schwerste Körperarbeit durch Maschinen ersetzt worden ist.

Ich habe 1957/8 ein Jahr lang in einer Glasfabrik und 1961 ein halbes Jahr lang in einer Chemiefabrik gearbeitet und wäre, wie die meisten meiner KollegInnen, dort nicht alt geworden, denn in der Glasfabrik waren Hitze, Staub und die Abgase aus Kühlöfen und von qualmenden Gabelstaplern und in der Chemiefabrik (CWH Marl) ätzende Stoffe in der Atemluft ein Stress, dem auf Dauer kein Mensch gewachsen war.
Dementsprechend groß war die Fluktuation in der Glasfabrik. ChemiearbeiterInnen waren sowieso seit Generationen daran gewöhnt, mit lädierten Bronchien zu leben wie Bergmänner mit einer Staublunge.

Schwere körperliche Arbeit auf dem Lande: Dem urbanisierten Menschen von heute – die meisten Bauern gehören dazu – fehlen die Muckis, wie man hier im Ruhrgebiet sagt, um Lasten mit Lust zu tragen, den Spaten, die Hacke, die Mistgabel mit Leichtigkeit zu benutzen. So etwas können sie nicht nachvollziehen und meinen, der Elektroschraubendreher sei die größte Errungenschaft der Menschheit. Sie haben nur keine Kraft mehr in den Fingern!

Ich habe als 15/16-jähriger in Ostpreußen teilweise und nach dem 2. Weltkrieg lange genug auf dem Lande gelebt und gearbeitet, um dies beurteilen zu können. Wir haben als Schüler während des Krieges im Ernteeinsatz im Sommer das Getreide eingeholt und im Herbst Rüben aus dem schweren Boden gezogen und aufgeladen und Kartoffeln gelesen. Einmal habe ich drei Tage lang einen Schweinestall ausgemistet und drei Wochen lang danach gestunken und ein andermal im Frühjahr mit Pferd und Schwingpflug tagelang Furchen durch den Acker gezogen, ganz allein auf weiter Flur. Ich kann nur sagen, dass ich abends müde war und gut geschlafen habe – nicht mit der Bäuerin, deren Mann als Soldat in Russland kämpfen musste.

Schwere Arbeit ist nicht immer Fronarbeit. Wenn die sozialen Beziehungen und Bedingungen stimmen, wie ich das auf dem Landgut meiner Großtante bei „ihren Leuten“ beobachten konnte, dann geht sie trainierten Menschen leicht von der Hand und macht sogar Spaß. Kaputt gemacht haben sich Städter, die aushilfsweise mal geholfen haben, weil sie den gewohnten Arbeitsrhythmus der Landarbeiter nicht richtig einschätzen konnten: sie wollten schneller sein.

Schwere Lasten tragen: Ich habe – glaubwürdige – Berichte über kleine Menschen im Regenwald gelesen, die Baumstämme wie Streichhölzer getragen und dabei gesungen haben. Auch dies ist eine Frage der Gewohnheit und natürlicher Intelligenz. Wie sagt man doch: „Der Glaube versetzt Berge.“ Das ist manchmal ganz konkret gemeint.

Da Ethnologie, Lebensweise und Lebensgeschichte von Naturvölkern mich seit langem beschäftigen, nicht zuletzt deshalb, weil wir durch Urbanisation den unmittelbaren Kontakt zur Natur verloren haben, stellte sich auch die Frage, wie es denn möglich ist, dass es Menschen gibt, die Körperkräfte entwickeln, die es nach den uns bekannten Naturgesetzen eigentlich gar nicht geben kann. So interessierte mich als Ökologe die Kultur eines vietnamesischen Bergvolkes, das ein französisches Team erforschte, kurz bevor im Krieg alles, Menschen und Dörfer, vernichtet wurde, ebenso wie die Kultur nord- und südamerikanischer Indianerstämme und anderer Ethnien, die im Einklang mit der Natur leben oder gelebt haben. Das hat übrigens mit der Blubo-Ideologie *) der Nazis nichts zu tun.

*) Blut- und Boden-I.

Von blog.de (04.06.2008) übernommen.

Unsere Lebensweise ändern? (Zu einem Vortrag von Franz Alt)

Auf dem Maisfeld des Bioland-Bauern Theo Schürmann in Oer-Erkenschwick (NRW)
Auf einem Maisfeld des Bioland-Bauern Theo Schürmann in Oer-Erkenschwick (NRW)

Mir ist durchaus klar, dass sich die Menschen nicht zwingen lassen werden, ihre Lebensweise zu ändern, und dass auch „Vorbilder“, die dem allgemeinen Trend nicht folgen und im Sinne Buddhas oder Kants Vernunft-bestimmt leben, nichts bewirken können. Eher versucht die große Mehrheit, sich den jeweiligen Lebensverhältnissen anzupassen bzw. „das Beste für sich herauszuschlagen“. Mit sehr unterschiedlichem Erfolg.

Unser Verhalten ist zumeist Trieb-gesteuert. Süchte bestimmen unser Denken, unser Tun. Besonders Habgier und Besitztrieb. Deshalb müssen zuerst einmal die (materiellen) Lebensverhältnisse verändert werden, die (sozialen) Strukturen. Ein Prozess, über den politisch, demokratisch zu entscheiden wäre.

Zum Beispiel muss in Deutschland und sicherlich auch in den anderen europäischen Ländern, sowie in den USA die Übermotorisierung gestoppt werden. Jüngst erschienen Zeitungsberichte, die besagen, dass die deutschen Autokäufer Fahrzeuge mit immer stärkeren Motoren, also mehr PS, verlangen, obwohl dies gar nicht nötig wäre, also wohl aus Prestigegründen. Es müssen eben die Steuern für solche Fahrzeuge so angehoben werden, dass die Autoindustrie jegliches Interesse daran verliert, für Spritfresser zu werben, dass sie dem allgemeinen Gigantismus abschwört, mehr in die Entwicklung von „Sparautos“ investiert und mit E. F. Schumachers Leitziel „Small is Beautiful“ wirbt. [Titel eines seiner Bücher, deutsch: Die Rückkehr zum menschlichen Maß, Reinbeck bei Hamburg 1977 (Rowohlt); 316 Seiten; Originalausgabe: Small is Beautiful. A Study of Economics as is People Mattered, London 1973]

Nächster Punkt wäre die Fahrweise: Eine weitere Geschwindigkeitsbegrenzung und Verkehrsberuhigung würde Produktion und Kauf von schnellen Autos sinnlos machen und Autofahrer an ein maßvolles, d. h. angemessenes Tempo gewöhnen.
Die Billigflieger müssen gestoppt werden. Sie verführen zu Kurzurlauben in weiter Ferne. Mehrmals im Jahr. Eine Unsitte, denn dabei wird die „Ferne“ in nächster Nähe gar nicht richtig wahrgenommen. Man bewegt sich kaum weiter als bis zum „Swimming-pool“, und erholt ist man erst ab dritter Urlaubswoche. Also muss die Kerosinsteuer her, und zwar nicht zu knapp! Das muss global beschlossen werden.

Auf die Massentierhaltung kann verzichtet werden, wenn unser Fleischkonsum auf ein Gesundheits-verträgliches Maß eingeschränkt wird und in den Industrieländern die Verschwendung von Nahrungsmitteln aufhört. Auch hier ist die Politik gefragt.
Weltweit vernetzte Initiativen und NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) arbeiten daran, Einfluss zu nehmen, um die Bevölkerungen aufzuklären und zu ermutigen, den Primat der Politik über die Wirtschaft wieder herzustellen. Es wird nur hier bei uns zu wenig darüber berichtet. Franz Alt, den ich ebenfalls sehr schätze, hat in einem Vortrag positive Beispiele genannt und gezeigt.

Ich weiß nicht, ob der selbstzerstörerische Trieb und Trend der Menschheit aufzuhalten sind. Eins ist gewiss: In die richtige Richtung führt allein der »mittlere Weg«, der Weg zwischen Askese und Verschwendung. Das wusste schon der Buddha uns zu sagen, vor 2500 Jahren.

S.  a.  Seite ÖKOLOGIE im ZEITFRAGENFORUM → http://www.dietrichstahlbaum.de

Weiterhin aktuell, deshalb von blog.de (01. 09. 2006) übernommen.

Statt „Grüner Gentechnik“

Fingerhut
Fingerhut

«Grüne Gentechnik» ist Agro-Gentechnik. Sie wird in Saatgutfabriken angewendet. Es sind künstliche Eingriffe in das Erbgut, in biochemische Steuerungsprozesse von Pflanzen.
Hingegen züchten seit jahrtausenden Bauern auf natürliche Weise Pflanzen (und Tiere), die den örtlichen Gegebenheiten und den jeweiligen Verhältnissen (Bodenbeschaffenheit, Klima, Lebensgewohnheiten von Mensch und Tier) angepasst sind. So ist eine Artenvielfalt entstanden, die ein dynamisches, ökologisches Gleichgewicht und dadurch auch die regionale Lebensmittelversorgung des Menschen gewährleistet hat.

Noch gibt es z. B. rund 8000 verschiedene Reissorten auf der Erde. Es sind Wildsorten dabei (z. T. im Bioladen erhältlich); sie sind wie alle Wildpflanzen robuster, also weniger anfällig als Kulturpflanzen, wesentlich nahrhafter und – schmackhafter. Dasselbe bei Wildgemüse und Urgetreide, welches in kleinen Mengen von Biobauern wieder angebaut wird.
In Italien hatte fast jeder Gemüsebauer seine Tomatensorte, selbst gezüchtet. Jede hatte ihren eigenen Geschmack. Die EU-Einheitstomate macht alles kaputt.

Wenn eure Geschmacksnerven nicht durch synthetische Geschmacksverstärker (in den industriell produzierten Nahrungsmitteln) und durch Tabakteer beschädigt sind, könnt ihr den Unterschied zwischen (natürlichen) Lebensmitteln und („veredelten“) Nahrungsmitteln selber feststellen.
Es gibt zwar noch genug Lebens- und Nahrungsmittel auf der Erde. Mangel und Hunger sind ein Verteilungsproblem. Aber durch Abholzung und Raubbau, industrielle Land- und Forstwirtschaft und andere Faktoren wie Urbanisierung, Kolonialismus, Kriege und falsche Politik sind immense Teile der Erde versteppt, verwüstet, unfruchtbar gemacht worden. Hier muss angesetzt werden, um die Welternährung zu sichern.
Dazu gehören großangelegte Projekte zur Begrünung von Wüsten und Steppen. Araber und Israelis haben Erfahrungen auf diesem Gebiet. Auch der japanische Biobauer, Philosoph und Zen-Meister Masanobu Fukuoka → https://de.wikipedia.org/wiki/Masanobu_Fukuoka

Weitere Informationen auf der Seite «ÖKOLOGIE» im ZEITFRAGENFORUM I                                        → http://www.dietrichstahlbaum.de

Weiterhin aktuell, deshalb von blog.de (03. 03. 2006) übernommen.

Schleichende Gifte (Leserbrief)

… an das Medienhaus Bauer, Marl, zu  „Stausee-Wasser macht Fortschritte“ und „Medikamenten-Reste im Abwasser“ vom 20. September 2012

Zwei Artikel an einem Tag, die aufhorchen lassen: „Unkraut“bekämpfungsmittel im Trinkwasser. Kleine Mengen. Medikamentenrückstände im Wasserkreislauf. Kleine Mengen. Zur Beruhigung: Eine Kläranlage (Dülmen) wird nachgerüstet, und es wird ein „Dialog mit Bevölkerung, Ärzten und Apothekern“ angekündigt. −

Kleine Mengen. Schon der Arzt und Philosoph Paracelsus (1493 − 1541) stellte fest: „Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht das Gift.“ Wir müssen dies heute aber auch so lesen: Nicht allein die Menge eines einzelnen Stoffes macht das Gift, sondern die vielen, vor allem die synthetischen Chemikalien , die wir in mehr oder minder kleinen Mengen einatmen, schlucken, essen, in die Haut einreiben oder als Medikament injiziert bekommen, machen zusammen das Gift. Niemand weiß, was davon unser Körper wieder ausscheidet und was im Körper eingelagert wird. Niemand kann sagen, welche dieser Stoffe aufeinander reagieren, ob und welche Folgen dies für uns hat. Ein kleiner Hinweis darauf ist in dem Artikel über die Arzneimittelrückstände, die mit Aktivkohle und Ozon herausgefiltert werden sollen.

Zu den vielen einzelnen Schadstoffen gehören außer den Pestiziden der „konventionellen“ Land- und Gartenwirtschaft und den synthetischen Chemikalien in den Medikamenten: Auto- und Industrieabgase, Alkohol, Tabakrauch und, im Übermaß angewendet, Antibiotika.

Bei einem Klinikaufenthalt wurde mir prophylaktisch ein Antibiotikum verabreicht. Als das Mittagessen hereingebracht wurde und ich den Fleischteller sah und auf meine Frage erfuhr, dass die Essensreste wieder „dem Kreislauf“ zugeführt: an die Schweine verfüttert werden, sagte ich zur Schwester: „Die Antibiotikumtablette könnte eigentlich abgesetzt werden. Im Fleisch ist genug davon.“

Wenn wir das ändern wollen, müssen wir unsere gesamte Wirtschafts- und Lebensweise ökologisch umgestalten. Auch sollten wir uns von unseren Ängsten und Süchten befreien und, statt mit jedem Wehwehchen zum Arzt zu laufen und uns mit Medikamenten vollstopfen zu lassen, auf die Selbstheilungskräfte der Natur vertrauen.

Am 27.09.12 in den Zeitungen des Medienhauses Bauer, Marl