Notizen, Kommentare, Tagebuchaufzeichnungen

Donald Trump ist ein gefährlicher, wahrscheinlich unheilbarer Psychopath. Er gehört in eine geschlossene psychiatrische Station. Medien berichten, dass prominente Mitglieder seiner Partei, immer mehr hochrangige Mitarbeite*innen, sogar ehemals engste Vertraute sich von ihm abwenden. „Der Mann ist ein Lügner, ein geistiger Brandstifter und ein Volksverhetzer. Sein Verständnis von Recht und Gesetz gleicht dem eines Mafia-Paten. Seit langem ist Donald Trump psychisch instabil, und sein traumatischer Absturz bei der Wahl hat die mentalen Probleme des Narzisten beängstigend vergrößert. Keine Frage: Der Möchtegern-Diktator ist des Amtes nicht gewachsen. Er gleicht einer tickenden Zeitbombe. Sein Finger muss schleunigst vom Atomknopf entfernt werden.“ (Frankfurter Rundschau vom 11. 01 2021)

Außerdem ist er ein übler Sexist.

Donald Trump hat wie Hitler mit seinem Größenwahn die Massen angesteckt. Es ist eine politische Pandemie. 

11. 01. 2021

Wird fortgesetzt.

Uri Avnery: Eine Geschichte der Idiotie

ICH BIN wütend. Und ich habe gute Gründe, wütend zu sein.

 Ich war im Begriff, einen Artikel über ein Thema zu schreiben, über das ich seit langer Zeit nachgedacht habe.

 In dieser Woche öffnete ich die New York Times und siehe da, mein noch ungeschriebener Artikel erscheint auf ihrer Meinungsseite im Ganzen, ein Argument nach dem anderen.

 Wie kommt es dazu? Ich habe nur eine Erklärung: der Autor – ich habe den Namen vergessen – hat die Ideen mit einem magisches Mittel, das gewiss als kriminell bezeichnet werden muss, aus meinem Kopf gestohlen. Eine Person versuchte, einmal, mich deswegen umzubringen.

 Doch habe ich mich trotz allem entschieden, diesen Artikel zu schreiben.

DAS THEMA ist Idiotie. Speziell die Rolle der Idiotie in der Geschichte.

Je älter ich werde, umso überzeugter werde ich, dass reine Idiotie eine größere Rolle in der Geschichte der Nationen spielt.

Große Denker, verglichen mit denen ich nur ein intellektueller Zwerg bin, haben andere Faktoren verfolgt, um zu erklären, wie die Geschichte in ein Schlamassel verwandelt wurde. Karl Marx klagte die Wirtschaft an. Die Wirtschaft hat die Menschheit von Anfang an begleitet.

Andere klagen Gott an. Die Religion hat schreckliche Kriege verursacht und tut es noch immer. Schauen wir uns die Kreuzzüge an, die fast zweihundert Jahre in meinem Land gewütet haben. Schauen wir auf den 30jährigen Krieg, der Deutschland verwüstet hat. Kein Ende in Sicht.

Einige klagen die Rasse an. Weiße gegen die Indianer. Arier gegen Untermenschen. Nazis gegen Juden. Schrecklich.

Oder Geopolitik. Die Bürde des Weißen Mannes. Der Drang nach Osten.

Seit vielen Generationen haben große Denker nach einer tiefsinnigen Erklärung gesucht, der den Krieg verursacht. Es muss solch eine Erklärung geben. Schließlich können schreckliche Ereignisse sich nicht nur ereignen. Da muss es etwas Unerklärliches geben, etwas Unheimliches, das all dieses unerhörte Elend verursacht. Etwas, das die menschliche Rasse von Anfang an begleitet und das unser Schicksal leitet.

ICH HABE die meisten dieser Theorien meiner Zeit akzeptiert. Viele von ihnen beeindruckten mich sehr. Große Denker. Tiefsinnige Gedanken. Ich las viele dicke Bände. Aber am Ende ließen sie mich unbefriedigt.

Am Ende hat es mich getroffen. Es gibt tatsächlich eine allgemeine Kraft, die all diese historischen Ereignisse verursacht hat: die Idiotie, die Torheit.

Ich weiß, dass dies unglaubwürdig klingt. Idiotie? All diese Tausenden von Kriege? All diese Hunderte von Millionen von Opfern? All diese Tausenden Herrscher, Könige, Staatsmänner, Strategen? Alle Toren?

Vor kurzem wurde ich um ein Beispiel gebeten. „Zeige mir, wie das funktioniert,“ fragte ein ungläubiger Zuhörer.

Ich erwähnte den Ausbruch des ersten Weltkrieges, ein Ereignis, das das Gesicht Europas und der Welt für immer veränderte und der nur fünf Jahre, bevor ich geboren wurde, endete. Meine früheste Kindheit wurde im Schatten der Katastrophe verbracht.

Es geschah folgendermaßen:

Ein österreichischer Erzherzog wurde in der Stadt Sarajewo von einem serbischen Anarchisten getötet. Es geschah fast durch Zufall. Der geplante Versuch scheiterte, aber der Terrorist stieß zufällig später noch einmal auf den Herzog und tötete ihn.

Und nun? Der Herzog war eine ganz unbedeutende Person. Tausende solchef Aktionen haben sich vorher und danach ereignet. Aber dieses Mal dachten österreichische Staatsmänner, dass dies eine gute Gelegenheit wäre, den Serben eine Lektion zu lehren. Sie nahm die Form eines Ultimatums an.

Keine große Sache. So etwas geschieht immer wieder. Aber das mächtige russische Reich war mit Serbien verbündet, deshalb hat der Zar eine Warnung erlassen: er befahl, die Mobilisierung seiner Armee, nur um seine Ansicht durchzusetzen.

In Deutschland gingen alle roten Lichter an. Deutschland liegt in der Mitte Europas und hat keine unüberwindlichen Grenzen, keine Meere, kein hohes Gebirge. Es war umgeben von zwei großen Militärmächten, Russland und Frankreich. Jahrelang hatten deutsche Generäle darüber nachgedacht, wie das Vaterland gerettet werden kann, wenn es von beiden Seiten gleichzeitig angegriffen wird.

Ein Meisterplan entwickelte sich. Russland war ein riesiges Land, und es würde mehrere Wochen dauern, bis die russische Armee mobilisiert war. Diese Wochen müssen ausgenützt werden, um Frankreich zu zerschlagen, die Armee umzudrehen und die Russen anzuhalten.

Es war ein brillanter Plan, der bis ins kleinste Detail von brillanten militärischen Planern ausgearbeitet war. Aber die deutsche Armee wurde vor den Toren von Paris angehalten. Die Briten intervenierten und halfen Frankreich. Die Folge war ein Krieg von vier Jahren, in denen sich wirklich nichts bewegte, außer dass Abermillionen menschlicher Wesen hingeschlachtet oder zum Krüppel gemacht wurden.

Am Ende wurde ein Frieden geschlossen, ein Frieden, der so dumm war, dass er einen zweiten Weltkrieg unvermeidbar machte. Dieser brach kaum 21 Jahre später aus mit einer viel größeren Anzahl von Todesfällen/ Gefallenen.

VIELE BÜCHER sind über den „Juli 1914“ geschrieben worden, den entscheidendsten Monat, in dem der 1. Weltkrieg unvermeidbar wurde.

Wie viele Leute waren in die Entscheidungsfindung in Europa involviert? Wie viele Herrscher, Könige, Minister, Parlamentarier. Generäle – ganz abgesehen von Akademikern, Journalisten, Schriftstellern und anderen?

Waren sie alle dumm? Waren sie alle blind gegenüber dem, was sich in ihrem Lande und auf ihrem Kontinent zutrug?

Unmöglich, man ist versucht, aufzuschreien. Viele von ihnen waren äußerst kompetente, intelligente Leute, Leute, die die Geschichte kannten. Sie wussten alles über die früheren Kriege, die während Jahrhunderten in Europa gewütet haben.

Aber all diese Leute spielten ihre Rolle, den schrecklichsten Krieg in den Annalen der Geschichte zu verursachen. Ein Akt reinster Idiotie-

Der menschliche Verstand kann solch eine Wahrheit nicht akzeptieren. Da muss es andere Gründe geben. Tiefsinnige Gründe. Sie schrieben unzählige Bücher, um zu erklären, warum dies logisch war, warum es geschehen war, welches die „hintergründigen“ Ursachen waren.

Die meisten dieser Theorien sind sicherlich plausibel. Aber verglichen mit den Auswirkungen, sind sie kümmerlich. Millionen Menschen marschierten hinaus, um geschlachtet zu werden, singend und fast tanzend vertrauten sie ihrem Herrscher, König, Präsident, Oberkommandeur. Und kehrten nie zurück.

Konnten all diese Führer Idioten sein? Sicherlich konnten sie und sie waren es.

ICH BRAUCHE nicht die Beispiele von tausenden ausländischer Kriege und Konflikte zu nennen, weil ich mitten in solch einem gerade jetzt lebe.

Es ist egal, wie er zustande kam. Die gegenwärtige Situation ist die, dass in dem Land, das gewöhnlich Palästina genannt wird, zwei Völker von verschiedenen Ursprüngen, Kulturen, Geschichte, Religion, Sprachen, Lebensstandard u.a. m. leben. Sie sind jetzt von mehr oder weniger gleichem Umfang.

Zwischen diesen beiden Völkern hat sich seit mehr als einem Jahrhundert ein Konflikt abgespielt.

Theoretisch gibt es nur zwei vernünftige Lösungen: entweder sollen die beiden Völker zusammen als gleiche Bürger in einem Staat leben oder sie sollen Seite an Seite in zwei Staaten leben.

Die dritte Möglichkeit ist keine Lösung – ein ewiger Konflikt, ein ewiger Krieg.

Dies ist offensichtlich so einfach, sie zu leugnen, ist reine Idiotie.

In einem Staat zusammen zu leben, klingt logisch, ist es aber nicht. Es wäre ein Rezept für einen ständigen Konflikt und internen Krieg. Es bleibt also nur, was „Zwei-Staaten für zwei Völker“ genannt wird.

Als ich direkt nach dem 1948er-Krieg, in dem Israel gegründet wurde, darauf hinwies, war ich mehr oder weniger allein. Jetzt ist es ein weltweiter Konsens, überall – außer in Israel.

Gibt es eine Alternative? Es gibt keine. Man macht mit der gegenwärtigen Situation weiter: ein kolonialer Staat, in dem 7Millionen israelische Juden 7 Millionen palästinensische Araber unterdrücken. Die Logik sagt, dass dies eine Situation ist, die so auf Dauer nicht bestehen kann. Früher oder später wird sie zusammenbrechen.

Was sagen unsere Führer dazu? Nichts. Sie geben vor, sich dieser Wahrheit nicht bewusst zu sein.

An der Spitze der Pyramide haben wir einen Führer, der intelligent aussieht, der gut spricht, der kompetent erscheint. Tatsächlich ist Benjamin Netanjahu ein mittelmäßiger Politiker, ohne Vision, ohne Tiefe. Er gibt nicht einmal vor, dass er eine andere Lösung hat. Auch seine Kollegen und möglichen Erben haben keine Lösung.

Was ist das also? Es tut mir leid, dies zu sagen: es gibt dafür keine andere Definition als dass dies die Herrschaft der Idiotie ist.

Uri Avnery vertritt seit 1948 die Idee des israelisch-palästinensischen Friedens und die Koexistenz zweier Staaten: des Staates Israel und des Staates Palästina, mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt. Uri Avnery schuf eine Weltsensation, als er mitten im Libanonkrieg (1982) die Front überquerte und sich als erster Israeli mit Jassir Arafat traf.

Uri Avnery und Arafat
Uri Avnery trifft Jassir Arafat – Foto Uri Avnery 1982

Er stellte schon 1974 die ersten geheimen Kontakte mit der PLO-Führung her. 1993 begründete er mit Freunden die israelische Friedensinitiative Gusch Schalom , erhielt 1997 den Aachener Friedenspreis , 2008 die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte und viele andere Auszeichnungen.

Der 1923 in Beckum geborene jüdische Politiker, Schriftsteller und Journalist war als Kind mit seinen Eltern aus dem Münsterland nach Israel ausgewandert und zehn Jahre lang Abgeordneter der Knesset.

[Uri Avnery-Texte, 18. November 2017., dt. Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert]

Erst Kaiser-treu, dann Hitler-treu. Von deutschem Bürgertum

„Ist dein Vater Parteiführer gewesen?“

„Nein, aber er war Mitglied der Partei, seit 33. Er hatte 1930 in unserer Stadt eine Ortsgruppe des Deutschen Luftsportverbandes gegründet. Er hatte sein junges Leben lang vom Fliegen geträumt, und dieser Traum sollte nun verwirklicht werden. Es wurden drei Fluggleiter gebaut. Das sind fliegende Schaukelstühle aus Kieferholmen und Sperrholz, Tragflächen und Leitwerk mit Leinwand überspannt und lackiert. Diese Apparate wurden von einem Gummiseil auf einem kleinen Hügel am Stadtrand in die Luft katapultiert. Angeschnallt und durch einen ledernen Sturzhelm geschützt, saß man am Steuerknüppel und flog immerhin einige Minuten lang.

Der Deutsche Luftsportverband wurde 1933 als Nationalsozialistisches Fliegerkorps gleichgeschaltet. Diese Organisation bildete die künftigen Militärpiloten im Segel- und zum Teil auch im Motorflug aus und warb in der Öffentlichkeit für die Deutsche Luftwaffe.

Ich war dreizehn, als meine Segelflugausbildung begann. Wir wurden also schon als Kinder auf den Krieg vorbereitet.“

„Du bist systematisch zum Nazi erzogen worden; dein Vater war vor 33 nicht in der Partei, aber doch wohl schon ein Nazi?“

„Er hatte sehr früh seine Eltern verloren und ist in der Obhut seiner älteren Schwestern aufgewachsen. Sie haben ihn nicht zum Militaristen gemacht. Er hat seinen Vater vermißt und einen Übervater gefunden.“

„Hitler.“

„Ja. Mein Vater ist am Ende des ersten Weltkrieges als junger Soldat in deutschnationales Fahrwasser geraten, und als Zwanzigjähriger hat er in einem Freikorps, in einer der präfaschistischen, paramilitärischen Verbände, die sich nach dem ersten Weltkrieg in Deutschland gebildet hatten, im Baltikum gegen die Rote Armee gekämpft. Dann studierte er Zahnmedizin und gehörte einer präfaschistischen Studentenverbindung an. Die Backe hat er sich allerdings nicht zerhauen lassen. Er wollte ja Zahnarzt werden.“

„Die Backe zerhauen – wie? Womit?“

„In den schlagenden Verbindungen war es seit den 1850er Jahren üblich, bei den Mensuren, beim Fechten, sich Schmisse, Verletzungen, an der Backe anzubringen und sie eitern zu lassen, damit dicke Narben entstehen. Diese sollten später die Doktoren als akademische Helden ausweisen. Die älteren Heldensemester, in Altherrenschaften organisiert, verhalfen den jüngeren Heldensemestern nach deren Studium zu einem guten Posten und ebneten ihnen eine Karriere. Mein Vater hatte eine solche Erkennungsmarke nicht.“

„Er wollte kein Held sein. Was dann?“

„Er war ein eher ängstlicher, ein sehr sensibler Mensch. Er war rücksichtsvoll und behutsam. Ein sehr liebenswerter Mensch. Alles andere als ein Haudegen.“

„Ein sanfter Idealist?“

„Er nahm die Parole Volksgemeinschaft, mit der den Massen nationale und soziale Solidarität suggeriert wurde, sehr ernst.

Dennoch setzte er sich nicht mit unserer Hausangestellten an einen Tisch. Das Dienstmädchen mußte seine Malzeiten allein in der Küche einnehmen. Einmal hat er, wie mir meine Mutter später erzählt hat, sich überwinden müssen, eine Proletarierwohnung zu betreten. Ich war zu den Arbeiterkindern ins Haus gegangen und, als mein Vater hereintrat, unter die Ehebetten gekrochen. Minna hatte Urlaub, und meiner Mutter wollte er wohl den Anblick des Elends ersparen. Du gehst nicht wieder zu Kommunistenkindern! befahl er mir nachher. Ich war fünf oder sechs.“

„Volksgemeinschaft…“

„Im Grunde litt er unter der materiellen Not anderer und half, wo er helfen konnte. Er hat die Ärmsten unserer Stadt ohne Honorar behandelt. Selbst den russischen Kriegsgefangenen, die, von einem auf einem Hocker sitzenden Altreservisten mit aufgepflanztem Bajonett bewacht, bei uns im Flur warten mußten, hat mein Vater Füllungen, ja sogar Kronen und Brücken eingesetzt – ohne Honorar, und ihnen Zähne gerettet. Er hätte sie herausreißen sollen. Ebenso verfuhr er bei den sogenannten Fremdarbeitern und Fremdarbeiterinnen. Ein besiegter Feind, hat er einmal gesagt, muß menschlich behandelt werden. Sonst bist du selber kein Mensch. Ohne Zähne oder mit kaputten würden sie verhungern.“

„Dann war er also auch ein Humanist, ein deutscher Humanist.“

„Das war er wohl, mit allen seinen Widersprüchen. Er verabscheute Brutalität. Er hat verfaulte Zähne gezogen und vereiterte Zahnhöhlen gesäubert. Aus dieser Zahnarztperspektive hat er die Verbrechen des Staates gesehen, falls ihm überhaupt klar geworden ist, was da passierte. Denn sie wurden geheimgehalten oder als Maßnahmen zum Schutze des deutschen Volkes verschleiert. Mein Vater, staatsfromm und autoritätshörig, verehrte Hitler wie einen Gott. Ich habe Tränen in seinen Augen gesehen, als er vorm Volksempfänger, so hießen unsere Radioapparate, saß und Hitler reden hörte. Was Der Führer sagte, das war für ihn jenseits aller kritischen Überlegungen.“

„Und deine Mutter?“

„Sie war neunzehn, als ich geboren wurde, und in allem unerfahren. Sie stammt aus einer völkisch-deutschnational gesinnten Familie und gehörte als junges Mädchen dem Luisenbund an. Viele junge Mädchen haben damals die Königin Luise von Preußen, die in Tilsit mit Napoleon zusammentraf, um mildere Friedensbedingungen zu erwirken, angehimmelt. Nach ihr wurde der Bund genannt. Die Luisentöchter veranstalteten Kaffeekränzchen, strickten in Tischdecken vaterländische Symbole ein, sangen dementsprechende Liederund stopften Vierzehnachtzehn den Frontsoldaten die Socken. Im zweiten Weltkrieg war meine Mutter im NS-Frauenbund.“

„Wo lebt sie jetzt?“

„In Norddeutschland bei einer wohlhabenden Großtante, einer Gutsbesitzerin. Die Großtante hat nach dem Tod ihres Mannes Männerstiefel angezogen und ist in die Fußtapfen des Verstorbenen getreten. Sie hätte sich als Unternehmerin in einer Männergesellschaft anders nicht behaupten können. Wir sind in den Sommerferien fast jedes Jahr dort gewesen. Nahezu die gesamte Verwandtschaft war da versammelt, dazu zwei Ferienkinder aus Berlin. Sie wurden wieder aufgepäppelt. Meine Großtante, wenn sie mit ihrem zerknitterten Filzhut über die Felder geht oder, auf ihrem Krückstock gestützt, mit dem Verwalter spricht, wenn sie am Kopfende des langen Eßtisches in der Diele auf ihrem Lehnstuhl sitzt, sieht sie aus wie der Alte Fritz, Friedrich II. von Preußen. Der Alte Fritz wird sie auch genannt, von uns und von den Landarbeitern. Den Lehnstuhl hat ihr der Husholer, der Haushalter, zum 50.Geburtstag gezimmert. Die Landarbeiter mögen sie. Sie gibt ihnen ein gutes Deputat und spricht mit ihnen plattdeutsch. Vor Weihnachten hat sie, die Achtzigjährige, um wenigstens in den Festtagen Not zu lindern, fast hundert Pakete und Päckchen gepackt: mit Fleisch, selbstgemachter Wurst, Schmalz, Eiern und Grütze. Die Pakete brachte der Chauffeur in die Stadt zu kinderreichen Familien. Am 24. Dezember lädt sie vormittags die Gutsarbeiter mit ihren Familien zur Bescherung ins Haus. Es gibt einen Korn, belegte Brötchen, Bier und für die Kinder Himbeersaft, und jede Familie bekommt ein großes Paket: Bettwäsche, Kleidung, Schuhe, Spielzeug. Einmal war es ein Kinderwagen. Oft besucht sie die Katen, die Landarbeiterhäuser am Gutshof, um zu sehen, wie es den jungen Müttern und den Alten geht.“

„Und sie war auch…?“

„Erst kaisertreu, dann Hitler-treu. Sie hat schon 1936 auf den Kotflügeln ihres schwarzen Mercedes je einen schwarzweißroten und einen Hakenkreuzwimpel anbringen und ihrem Chauffeur, einem Treckerfahrer, eine uniformartige Kleidung schneidern lassen, eine Livree. Wir Jungen wurden in Matrosenanzüge gesteckt und saßen auf kleinen Hockern zwischen den Beinen der Erwachsenen hinter der Trennscheibe des Sechszylinders, wenn wir nach Kiel fuhren, in die Marinestadt: Kriegschiffe bestaunen.“

„Und dein Vater, wie ist er gestorben?“

„Ausgehungert und erschöpft, in einem Eisenbahnwagon. Im Winter 45. Bei mehr als 30° Frost. Pflichterfüllung bis zum letzten Hosenknopf hieß seine Devise. Sein Gehorsam hat ihn das Leben gekostet. Er blieb, als er seine Frau und wenigstens zwei seiner Kinder in Sicherheit wußte, ich war an der Westfront, in unserer Stadt zurück, um mit einem Häuflein alter Männer sein Vaterland gegen die sowjetische Armee zu verteidigen. Die anderen Naziführer hatten sich längst verpißt. Mein Vater war 45 Jahre alt, als er auf dem Transport nach Sibirien starb.“

[Aus meinem zeitdokumentarischen, autobiografischen Roman Der Ritt auf dem Ochsen oder Auch Moskitos töten wir nicht, Aachen 2000, S. 35 ff., vergriffen, jetzt als eBook im BookRix-Verlag 2012]

Die Arier. Der folgenschwere Missbrauch eines Begriffes durch Rassisten

Mein „Ahnenpaß“, die „weiße Herrenrasse“,  die Angst vor „Überfremdung“ und ein Dokumentarfilm von Mo Asumang über den Arierbegriff und dessen Missbrauch durch Rassisten in Deutschland und den USA

Der Pimpf

1943 füllte mein Vater, wie verlangt, für mich diesen „Ahnenpaß“ aus:

Ahnenpass I

 Darin wurde vom Standesamt meine „arische Abstammung“ bestätigt.

Ahnenpass II

Ahnenpass III

Ahnenpass IV

Damit gehörte ich als „Arier“ der weißen Herrenrasse an, hatte einen „Führer“ namens Adolf Hitler und war diesem Menschen, der gar nicht so aussah, wie wir uns einen “Arier“ vorgestellt haben, in vasallenhafter Treue ergeben.

Als mir nach 1945 die Augen geöffnet wurden und ich das ganze Ausmaß der Nazigräuel erfahren habe, war in meiner Verwandtschaft der Nationalsozialismus kein Thema mehr. Dieser Teil der Vergangenheit wurde verdrängt.

1961 habe ich die Tochter eines Vaters, der Nazigegner war, und einer Mutter, die eine „arische Abstammung“ nicht nachweisen konnte und wahrscheinlich Jüdin war, geheiratet:

»Agnes Miegel, Ernst Schenke und der Nationalsozialismus«

Weitere Beiträge über NATIONALSOZIALISMUS auf Stahlbaums Zeitfragen-Blog

Heute, im 21. Jahrhundert, ist die afrodeutsche Filmemacherin Mo Asumang der Frage nachgegangen: Woher stammt der Begriff »Arier«? und: Gibt es Menschen, die Arier sind? Sie hat Neonazis und andere Rassisten, die sich „Arier“ nennen, interviewt, reist in den Iran, besucht eine Gruppe Arier und beweist die wahre Herkunft des missbrauchten Begriffs.

Ausschnitte aus ihrem Film »Die ARIER«

Ihr Buch:

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Hitler war kein A-Theist

Leserbrief zu: „Kein singulär muslimisches Problem“, Frankfurter Rundschau 31. 01. 15

Es stimmt, „Menschen zu quälen und zu töten, ist kein singulär muslimisches Problem“. Auch die Fakten stimmen – außer diesem Satz: „Adolf Hitler war Atheist.“ Dass er einer gewesen sei, wird kirchlicherseits zwar immer wieder behauptet, um den Nationalsozialismus dem A-Theismus zuzuschreiben. Aber Hitler war bis an sein Lebensende Katholik und hat an einen Gott geglaubt. Die Kirche hat ihn auch später, als die Nazigräuel offenkundig wurden, nicht exkommuniziert.
Schon 1923 schrieb er in »Mein Kampf«: „Indem ich mich des Juden erwehre, erfülle ich das Werk des Herrn.“ Hitler verehrte Martin Luther. Bezogen auf dessen Judenhass sagte er in einem Gespräch: „Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung, sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen.“ (Dietrich Eckart, Der Bolschewismus von Moses bis Lenin – Zwiegespräche zwischen Adolf Hitler und mir, München 1924, S. 35)

Auch die Deutschen Christen (DC) beriefen sich auf Luthers Hetzschrift „Von den Juden und ihren Lügen“ und hatten nach 1933 großen Einfluss auf den Protestantismus. Dann gab es noch die „gottgläubigen“ Nationalsozialisten ohne Kirche und Konfession. Zu ihnen habe ich mich als Dreizehnjähriger bekannt, als ein evangelischer Pastor mir beim Konfirmandenunterricht weiß machen wollte, dass Jesus kein Jude gewesen sei: „Er war blond wie du.“

1936 sagte Hitler zu Kardinal Faulhaber bei dessen Besuch auf dem Obersalzberg: „Ohne Gottesglauben können die Menschen nicht sein. Der Soldat, der drei und vier Tage im Trommelfeuer liegt; braucht einen religiösen Halt. Gottlosigkeit ist Leerheit.“ (Quelle: PETER PFISTER, SUSANNE KORNACKER, VOLKER LAUBE: Kardinal Michael von Faulhaber 1869-1952. Obersalzberg-Protokoll 1936 S. 541-547)

Auf dem Koppelschloss der Deutschen Wehrmacht (1936-45) stand:

NDS-KoppelschlossHitler sprach später oft von der „Vorsehung“, für dessen Werkzeug er sich hielt. „Die Vorsehung“ ist im Christentum der allmächtige und allwissende Gott. „Es konnte“, schrieb er in »Mein Kampf«, „ in den Reihen unserer Bewegung der gläubige Protestant neben dem gläubigen Katholiken sitzen, ohne je in den geringsten Gewissenskonflikt mit seiner religiösen Überzeugung geraten zu müssen. Der gemeinsame gewaltige Kampf, den die beiden gegen den Zerstörer der arischen Menschheit führten, hatte sie im Gegenteil gelehrt, sich gegenseitig zu achten und zu schätzen.“ (München 1933, 70. Auflage, S. 628 ff.).

Ich bin seit 60 Jahren Agnostiker und A-Theist.

Dietrich Stahlbaum, Recklinghausen

Am 4. Februar gekürzt in der FR.

Anmerkungen:

„Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung, sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen.“ Hitler *

Es geht mir in diesem Leserbrief vor allem darum, die Behauptung, der Nationalsozialismus habe seinen Ursprung im Atheismus, in der „Gottlosigkeit“, auch „Gottferne“, zu widerlegen.
Die Mentalität eines Menschen, d. h. das, was er glaubt und denkt, lässt sich aus seinen Äußerungen erschließen, aus dem, was er sagt und schreibt und aus seiner Gestik. Um herauszufinden, ob jemand das, was er sagt oder schreibt, auch glaubt, ob er „die Wahrheit sagt“, muss man nicht unbedingt tiefenpsychologisch geschult sein. Meistens genügt es, genau auf die Gestik zu achten.

Bei Hitler ist offensichtlich, dass Glauben, Denken, Sagen und Schreiben übereinstimmen, dass er an seine kruden Vorstellungen auch geglaubt hat. Belege dafür gibt es genug, mehr als die paar Zitate in meinem Leserbrief.

Ich bin in einer Nazi-Familie aufgewachsen. Fast alle meine nächsten Vorfahren waren völkisch-deutsch-national(istisch) und militaristisch. Durch sie und in der Schule bin ich dementsprechend indoktriniert worden und habe den Nationalsozialismus hautnah erlebt und nach 1945 unter der Uneinsichtigkeit und dem Schweigen aller meiner Verwandten gelitten.  Seitdem bin ich daran interessiert, den Nationalsozialismus, alle faschistischen Systeme und ihre Geschichte kritisch aufzuarbeiten und mit meinen geringen Möglichkeiten darüber aufzuklären. Denn faschistisches Gedanken“gut“ ist in Deutschland noch längst nicht überwunden. Immer wieder wird versucht, Hitler, den Nationalsozialismus, faschistische Regime und ihre Kollaborateure aus Kirche und Kapital reinzuwaschen. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch!“ Brecht: Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui

* Adolf Hitler in:  →  http://www.theologe.de/adolf-hitler_martin-luther.htm#Dietrich-Eckart In: DER THEOLOGE Nr. 84: Der Katholik Adolf Hitler unter dem Einfluss Martin Luthershttp://www.theologe.de/adolf-hitler_martin-luther.htm

Israelis und Palästinenser. Eine gewagte Hypothese

Eine gewagte Hypothese, tiefenpsychologisch aber durchaus denkbar:

Israelische Nationalisten rächen sich heute für das, was Nazideutschland den Juden angetan hat, an den PalästinenserInnen. Die Bundesrepublik Deutschland kann wegen ihrer guten Beziehungen zu Israel nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Stattdessen wird ins »kollektive Unbewusste« (Carl Gustav Jung) verdrängter Hass auf die Araber projiziert.
Andererseits gibt es reale, historische Gründe für den israelischen Antisemitismus (Auch Araber sind Semiten; das sollte man endlich zur Kenntnis nehmen.):

Der Großmufti von Jerusalem beim Führer

Aus der Aufzeichnung des Gesandten Schmidt über die Unterredung
zwischen Adolf Hitler und dem Großmufti von Jerusalem
Hadji Mohammed Amin el Hussein:

28.11.1941

Der Großmufti bedankte sich zunächst beim Führer für die große
Ehre, die ihm dieser erwiese, indem er ihn empfinge. Er benutzte
die Gelegenheit, um dem von der gesamten arabischen Welt
bewunderten Führer des Großdeutschen Reiches seinen Dank für die
Sympathie auszusprechen, die er stets für die arabische und
besonders die palästinensische Sache gezeigt habe, und der er in
seinen öffentlichen Reden deutlichen Ausdruck verliehen habe. Die
arabischen Länder seien der festen Überzeugung, daß Deutschland
den Krieg gewinnen würde, und daß es dann um die arabische Sache
gut stehen würde. Die Araber seien die natürlichen Freunde
Deutschlands, da sie die gleichen Feinde wie Deutschland, nämlich
die Engländer, die Juden und die Kommunisten, hätten. Sie seien
daher auch bereit, von ganzem Herzen mit Deutschland
zusammenzuarbeiten, und stünden zur Teilnahme am Kriege zur
Verfügung und zwar nicht nur negativ durch Verübung von
Sabotageakten und Anstiftung von Revolutionen, sondern auch
positiv durch Bildung einer arabischen Legion. (…)

[Quelle: NS-Archiv. Dokumente zum Nationalsozialismus]

Der Großmufti von Jerusalem Hadsch Mohammed Amin al-Husseini war ab 1943 SS-Mitglied und hat sich mit der Organisation und Ausbildung von bosnisch-islamischen Wehrmachteinheiten und Waffen-SS-Divisionen befasst.

Von blog.de (07. 01. 2009) übernommen.

Haben wir de facto einen Kirchenstaat?

Leserbrief an das Medienhaus Bauer, Marl, zu:

Lb. Konkordat 29-11-12

Ja, Herr Weber, es ist schon merk- und kritikwürdig, dass der Staat Kirchengehälter zahlt, jedes Jahr mehr als 442 Millionen Euro.
Aber das ist nicht alles: Hinzu kommen 42 Milliarden Euro − wohlgemerkt ebenfalls jährlich − für den Unterhalt kirchlicher Einrichtungen und Verbände. Sogar Caritas und Diakonie, die beiden größten Sozialkonzerne Deutschlands mit zum Teil schlecht bezahlten rd. 1 200 000 Mitarbeitern und einem zig-Milliarden-EURO-Jahresumsatz, werden mindestens zu 90% vom Staat unterhalten. [Quelle: Carsten Frerk: «Caritas und Diakonie in Deutschland», Aschaffenburg 2005]
Hinzu kommen Zuschüsse für die Seelsorge an öffentlichen Einrichtungen (Militär, Polizei, Gefängnis, Anstalten, ca. 66 Mio. €/Jahr). [Quelle: Spiegel Online 08.06.2010] Außerdem gibt es staatliche Zuwendungen in Millionenhöhe für Kirchen- und Katholikentage, Papstbesuche, Weltjugendtreffen usw.

Auch trifft es zu, dass auf diese Weise die beiden Großkirchen in Deutschland von etwa einem Drittel der Bürgerinnen und Bürgern, die keiner oder einer anderen Glaubensgemeinschaft angehören, mit finanziert werden.

Zurückgeführt wird dies auf eine Vereinbarung, die vor 200 Jahren getroffen worden ist, und auf das Reichskonkordat zwischen Nazideutschland und dem Vatikan im Jahre 1933. Dieser Vertrag räumte der katholischen Kirche Sonderrechte ein, die auch heute noch gelten, und verschaffte Hitler einen erheblichen Prestigegewinn im In- und Ausland. Das Reichskonkordat hat sicherlich dazu beigetragen, dass der Diktator nicht exkommuniziert worden ist. So war Hitler bis zu seinem Ende Katholik! Die Sonderrechte der evangelischen Kirche stammen größtenteils aus der Weimarer Reichsverfassung.

Haben wir de facto einen Kirchenstaat, obwohl sich immer mehr Menschen vom Glauben und von der Kirche abwenden?

Am 6. Dezember 2012 in den sechs Zeitungen des Medienhauses Bauer veröffentlicht.

Von blog.de (03. 12. 2012) übernommen.

Agnes Miegel, Ernst Schenke und der Nationalsozialismus

Kommentar zu einem Bericht in den Ruhrnachrichten vom 15. 07. 11 *) über die beantragte Namensänderung des Agnes-Miegel-Weges in Olfen:

Ich war von 1938 bis 1944 Schüler einer Agnes-Miegel-Schule in Ostpreußen und habe nationalsozialistische Indoktrination auch im Unterricht erfahren. Dabei spielte das Werk der deutsch-völkischen Dichterin keine geringe Rolle. Sie selber ließ sich bei einem Besuch als Patin unserer Schule feiern – von uns Pimpfen in Uniform, von den Lehrern und Lehrerinnen, samt „Direx“, ebenfalls in Uniform, war er doch zugleich der Ortsgruppenleiter, oberster NSDAP-Chef unserer kleinen Stadt.
Ostpreußen war eine Nazihochburg, trotz des großen Königsbergers, der uns allen nahegelegt hat, „sich des eigenen Verstandes zu bedienen“: Immanuel Kant. Von ihm war in unserer Schule keine Rede.

Ob Naivität oder Kalkül, da Agnes Miegel auch nach 1945 die nötige Einsicht gefehlt hat („Dies habe ich mit meinem Gott alleine abzumachen und mit niemand sonst.“) sind die Ehrungen, die ihr nach dem Zusammenbruch des Naziregimes zuteil wurden, unangemessen. Das heißt noch lange nicht, ihre Werke sollten als „entartet“ bezeichnet und verbrannt werden. Dies haben die Nazis getan, z. B. mit den Büchern eines deutschen Dichters, der 1821 schrieb: «Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.» – : Heinrich Heine.

Zitat aus seiner Tragödie Almansor, die von einer Verbrennung des Korans während der Eroberung des spanischen Granada durch christliche Ritter handelt (!).

Übrigens wurde 2010 eine Agnes-Miegel-Schule in Wilhelmshaven in Marion-Dönhoff-Schule umbenannt. –

Ostpreußen ist zwar eine Nazihochburg gewesen, wie andere, vor allem ostdeutsche Grenzregionen auch; dennoch gab es hier Menschen, die den Durchblick und den Mut hatten, das Naziregime, wenn auch vergeblich, zu bekämpfen, wie – Marion Dönhoff. Sie gehörte zum Kreis des Widerstandes vom 20. Juli 1944. Andere, Künstler, Wissenschaftler und Schriftsteller, die das Regime abgelehnt haben und nicht auswandern wollten oder konnten, sind in die „Innere Emigration“ gegangen, wie mein Schwiegervater Ernst Schenke, der bekannteste schlesische Heimatdichter und Redakteur einer Breslauer Zeitung. Er entzog sich der NS-Bevormundung und –bespitzelung durch Umzug mit seiner Familie in ein Dorf am Zobten, wo Paul Löbe, Sozialdemokrat und vor 33 Reichstagspräsident, versteckt wurde.

Ernst Schenke im Alter von ca. 85. In Münster ist nach ihm eine Straße benannt. Foto © Dietrich Stahlbaum (um 1980)
Ernst Schenke im Alter von ca. 85. In Münster ist nach ihm eine Straße benannt.
Foto © Dietrich Stahlbaum (um 1980)

Auch die Schenkes lebten in ständiger Angst vor den Rassisten, denn meine Schwiegermutter, eine Waise, konnte den „arischen Nachweis“ nicht erbringen. Sie hatte, was ihre Herkunft aus Galizien und ihr Mädchenname vermuten ließen, jüdische Eltern oder einen jüdischen Vater.
Sollte Agnes Miegel nichts von solchen Tatsachen gewusst oder nach 45 erfahren haben?

*) → http://www.recklinghaeuser-zeitung.de/nachrichten/region/Noch-keine-Entscheidung-zum-Agnes-Miegel-Weg;art999,512216

Von blog.de (18. 07. 2011) übernommen.

Von Hindenburg zu Hitler (Leserbrief)

… an die Recklinghäuser Zeitung zum Artikel „Ehrenbürgerschaft auf Prüfstand“ und Leserbriefe vom 4. – 10. Mai 2013

Paul von Hindenburg gehörte zu der völkisch-deutsch-nationalistischen Offizierskaste. Ihr, auch einem Onkel von mir, Hauptmann im Ersten Weltkrieg, im zweiten General, galt Hitler als nicht standesgemäß. Trotzdem halfen sie ihm auf den Sattel, weil er – so mein Onkel – der einzige Politiker gewesen sei, der mit seiner Partei „wieder Ordnung in Deutschland schaffen konnte“. Mit Hitler wollte Hindenburg „die völlig zerstrittene politische Rechte zusammenführen“ und die „innere Einigung des deutschen Volkes erreichen.“ (Der Historiker Wolfram Pyta in einem Interview mit der WELT, 09.01.08)

Ziel war eine militaristisch, rassistisch und nationalistisch geprägte „Volksgemeinschaft“ unter einer autoritären (nicht demokratischen) Regierung, eine Restauration der Monarchie. Hitler sollte dann entmachtet werden.

Die vor allem im preußischem Adel, beim Bürgertum und in der Offizierskaste vorherrschende und die nationalsozialistische Ideologie waren fast identisch! Ebenso ihr Revanchismus. Auch meinem Onkel war, wie er es seiner Frau einmal erklärt hat, „das Vaterland wichtiger als der dahergelaufene Fatzke“, und so hat er dem „Gröfaz“, wie Hitler hinter vorgehaltener Hand ironisch genannt wurde, bis zuletzt gedient. Mit diesem „größten Feldherrn aller Zeiten“ ist die Geschichte des deutschen Größenwahns hoffentlich zu Ende.

Am 13.05.13 in der RZ
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Anhang, nicht im Leserbrief:

Hierzu auch dies: „Der Reichspräsident war nie eine Marionette“
Paul von Hindenburg hat Adolf Hitler 1933 zur Macht verholfen. Gemeinhin gilt diese Entscheidung des Reichspräsidenten als ein Zeichen von Alterssenilität und Fremdbestimmung. Der Historiker Wolfram Pyta widerspricht im Interview mit WELT ONLINE: Hindenburg habe Hitler bewusst zum Reichskanzler gemacht….

Volltext → http://www.welt.de/kultur/article1534449/Der-Reichspraesident-war-nie-eine-Marionette.htm