… an die Frankfurter Rundschau zu „Buddhist predigt Hass auf Muslime“, FR Politik vom 23. Juli 2013
Es ist nun leider eine Tatsache, dass immer wieder die Lehren des Gotama Buddha missachtet werden, sogar von „buddhistischen“ Mönchen. In seinen Lehrreden und -gesprächen, die, mündlich überliefert, vor rd. 2300 Jahren im heutigen Sri Lanka auf Palmblättern aufgezeichnet worden sind und als authentisch gelten können, befindet sich nichts, was als Aufforderung zu Intoleranz, Hass und Gewalt verstanden oder missverstanden werden könnte. Die Absage an jegliche Gewalt ist eindeutig und klar in Buddhas Ethik verankert und psychologisch begründet.
Es gibt zahlreiche, sich „Buddhismus“ nennende Mischformen, die sich vom ursprünglichen Buddhismus entfernt und zum Teil seltsame Blüten getrieben haben. Ein Beispiel: In Japan sind ab 6. Jh. buddhistische Elemente in den Shintoismus eingeschmolzen worden. So verkam die buddhistische Moral zu Ahnenkult, Patriotismus und Kampfsport. Damals entstand das japanische Zen. 1868 begann man sogar, Zen für militaristische Zwecke zu missbrauchen. Man benutzte die meditative Konzentrationspraxis, um junge Männer total zu entmündigen und aus ihnen für den Tenno, den „Gott-Kaiser“, gefügige, todesbereite, aufs Äußerste disziplinierte Soldaten zu machen. Daher auch das große Interesse von SS-Führern an diesem „Buddhismus.“
Kommentare:
Echsenwut:
Nunja. 😉
Es dürfte wohl kaum eine (Welt-) Religion geben, die noch nicht missbraucht und zielgerichtet missverstanden wurde.
Unglücklicherweise betrifft dies natürlich auch den Buddhismus.
Es hat durchaus (auch) historische Gründe, weshalb es Muslime besonders vor Polytheismus gruselt – die resultieren aus bizarren Gewalt- und Vernichtungsfantasien, welche ihnen gerade aus dem Buddhismus entgegenschlagen. Die blutige Verfolgung der Rohingya durch buddhistische Hassmönche, die entsetzlichen Massaker und gelegten Großbrände in Burma kommen keineswegs aus dem Off.
Wer sich dafür interessiert, der recherchiere doch mal mit den Begriffen „Kalachakra“ in Beziehung mit dem Begriff „Weltherrschaft“ – und schon erhält das Bild vom geradezu pazifistischen, weichgespülten Mönch mit seinem sanften Lächeln tiefe Risse. Ausgerechnet (!) dem Dalai Lama bringe ich seit meinen diesbezüglichen Recherchen ein tief empfundenes und sehr aufrichtiges Misstrauen entgegen.
Sicher – und ich wiederhole mich gern: vermutlich würde sich Gautama Buddha im Grabe herumdrehen, wüsste er von dieser bizarren Vergewaltigung seiner Lehre. Ich habe nichts gegen Buddhisten – aber, ehrlich gesagt, kenne ich mich unter ihnen nicht gut genug aus, um ihnen vorbehaltlos vertrauen zu können. Die „Kalachakra“-Vorstellungen sind dazu viel zu eindeutig, grauenvoll und abstoßend (wenn sie, um es NOCHMAL zu sagen, auch nur von einem Teil von ihnen vertreten werden).
Wir verbinden hier in Europa ganz speziell das Gesicht des ewig scherzenden und milden Dalai Lama mit „Buddhismus“ – das ist m.E. ein furchtbarer Fehler. Denn erstens repräsentiert er „den“ Buddhismus dankenswerterweise ebensowenig wie etwa Ajatollah Chomenei jemals für „den“ Islam gestanden, geschweige denn gesprochen hätte und zweitens bin ich davon absolut überzeugt, dass es den „echten“, absolut vertrauenswürdigen und milden Buddhisten ohne Rückhalt und schreckliches Geheimnis ebenso gibt wie „den“ echten, aufrichtigen, friedfertigen und milden Muslimen.
Dietrich Stahlbaum:
Ich bin zwar kein Anhänger des Dalai Lama und des „Tibetischen Buddhismus“, den man besser unter dem Begriff «Lamaismus» zusammenfasst, aber man sollte bei aller Kritik auch berücksichtigen, dass dieser Dalai Lama eben diesen Lamaismus nicht mehr für zeitgemäß zu halten scheint, besonders bei uns im Westen.
Alles, was sich „Buddhismus“ nennt, sollte daran gemessen werden, was Gotama Buddha aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich gelehrt und gelebt hat. Die Buddhologie ist heute so weit, festzustellen, welche Texte authentisch sind und was dem Buddha später in den Mund gelegt worden ist. Ein Beispiel aus meinem Roman:
« Than hat Buddha-Texte mitgebracht, seine Übersetzungen ins Vietnamesische, und der Roshi ist jetzt damit einverstanden, daß ich sie lese:
„Than hat sie aus dem Pali-Original übersetzt. Er hat dabei die Vieldeutigkeit mancher Begriffe nicht außer acht gelassen. Du wirst deswegen verschiedene Versionen zahlreicher Textstellen finden. Und du wirst auf Aussagen stoßen, die verschlossen sind wie bei einem Kôan. Der Schlüssel dazu ist nicht die formale Logik. Wenn du ihre Widersprüchlichkeit akzeptierst und nicht an Worten, an Begriffen, an Gedanken klebst, hast du klare Sicht. Unvoreingenommen, frei von Vorurteilen, frei von Illusionen, kannst du den Sinn intuitiv erfassen.
Der Buddha hat uns kein Lehrgebäude hinterlassen, keine Theorie, keine Systematik, keine geschlossene Anstalt für Dogmatiker. Die endgültige Fassung des Pali-Kanons ist erst dreihundert Jahre nach Gotamas Tod entstanden, aus dem Gedächtnis der Mönche. Es ist eine Sammlung unterschiedlichster Art. Daher sollte es dich nicht verwundern, daß es Unstimmigkeiten mitunter auch zwischen Textteilen verschiedener Sutras gibt. Es sind Teile aus verschiedenen Puzzles.
Im ANDABHUTA-JATAKA erzählt der Gotama einem Mönch die Geschichte von einer Frau, die sich zum Betrug ihres Mannes verleiten läßt, und bezeichnet dann die Frauen als betrügerisch, listenreich und als von bösem Wandel heimgesucht.
Im MAHAMANGALA-JATAKA zitiert er ein Gedicht, in dem es heißt:
Glücklich ist, wer alle Lebewesen liebevoll in Ehren hält, sich zu allen demütig verhält, zu Frau, zu Mann, zu Kind, und wer bei böser Rede geduldig bleibt und nicht widerspricht.“
„Ja, das paßt nicht zusammen.“
„Wäre er ein Frauenfeind gewesen – einige westliche Buddhologen unterstellen ihm dies – , hätte er der Gründung eines Nonnenordens zugestimmt? Er hat sie sogar lobend erwähnt, seine Hauptschülerinnen – vor den Männern:
Ihr Mönche, unter meinen Schülerinnen ist Mahapajapati Gotami die Älteste; die Erhabenste wegen ihrer Weisheit ist Khema; die Größte wegen ihrer außergewöhnlichen Kräfte ist Uppalavanna; die Beste in der Vinaya-Disziplin ist Patacara. Die oberste der Dhamma-Lehrerinnen ist Dhammadinna; die meditativen Kräfte hat Nanda am meisten verfeinert; den größten Eifer beweist Sona; die beste Hellsicht hat Sakula. (ANGUTTARA-NIKAYA)
Der Buddha hat niemandem die Fähigkeit abgesprochen, sich zu erlösen und Vollkommenheit zu erlangen, weder den Männern noch den Frauen.“ »
[Aus DER RITT AUF DEM OCHSEN oder AUCH MOSKITOS TÖTEN WIR NICHT, Aachen 2000, S. 294 ff. , Printausgabe vergriffen, jetzt als eBook → http://www.bookrix.de/_title-de-dietrich-stahlbaum-der-ritt-auf-dem-ochsen-oder-auch-moskitos-toeten-wir-nicht ]
Bei den frauenfeindlichen bzw. -unfreundlichen Textstellen ist man auf Wörter gestoßen, die es zu Gotamas Zeiten und dort, wo er gelehrt hat, nicht gab (!). Auch Übersetzungsfehler konnten aufgespürt werden.
Der ursprüngliche Buddhismus war keine Religion, sondern Lebenspraxis. So verstehe ich ihn auch heute als eine Philosophie, die gelebt sein will und von vielen BuddhistInnen praktiziert wird (beispielhaft: Thich Nhât Hanh, Chang Kong, Claude AnShin Thomas, die ich persönlich kenne.)
Mehr über sie auf meiner Homepage ZEITFRAGENFORUM → http://www.dietrichstahlbaum.de/
Weiteres über «Buddhismus» (Stichwort) in meinem Zeitfragenblog → http://zeitfragen.blog.de/
Von blog.de (24. 07. 2013) übernommen.
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