Das „Maß aller Dinge“ – Unsere anthropozentrische Lebensweise hat keine Zukunft

Viele Menschen, die sich vom Monotheismus und anderen Religionen abgewendet haben, fühlen und wissen sich als Teil der Natur eingebunden in die Natur und durchaus nicht als „Maß aller Dinge“, wie Protagoras proklamiert haben soll: „Omnium rerum homo mensura est.“

 Wir Menschen sind zwar, verglichen mit allen anderen Lebewesen auf unserer Erde, die am höchsten entwickelte Spezies, unsere Intelligenz wird jedoch übertroffen von der Gesamtnatur, die uns hervorgebracht hat. Diese (philosophische) Erkenntnis impliziert keine neue Religion, wie noch der Pantheist Goethe geglaubt hat, keine als Ersatz etwa esoterische  Metaphysik oder eine romantische Verklärung der Natur, sondern ein wissenschaftlich fundiertes Naturverständnis, das stets offen für neue Erkenntnisse ist.

 Wir haben Zahlen und Maße erfunden und fast die gesamte Natur vermessen, wir haben Naturprozesse beobachtet und versucht, sie zu beschreiben, sie zu erklären und zu verstehen, gestützt auf Hypothesen und Theorien. Wir haben von ihr gelernt, sie uns nutzbar zu machen. Aber wir haben sie auch maßlos ausgebeutet, mit Chemikalien vergiftet, radioaktiv verstrahlt und haben massiv in die Natur eingegriffen: Abholzungen und Versiegelung, industrielle Land-, Forst- und Plantagenwirtschaft, Landschafts- und Ressourcenverbrauch, Luft- und Lichtverschmutzung u. dgl. mehr. Damit haben wir die Ökosysteme derart belastet, dass auch die klimatischen Folgen, das Artensterben und der Ressourcenschwund nicht mehr rückgängig zu machen sind und wir längst auf Kosten der Zukunft, damit unserer Nachkommen leben.

Unsere anthropozentrische Lebensweise hat keine Zukunft! Wenn wir noch etwas retten wollen, müssen wir uns alle radikal ändern. Ich bin da sehr skeptisch, wie es Arthur Schopenhauer (1788 –1860) war, ein ganzheitlich und ökologisch denkender atheistischer Philosoph.

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Siehe auch ökologischer Rucksack und ökologischer Fußabdruck

Die Intelligenz der Natur  →  https://stahlbaumszeitfragenblog.wordpress.com/2015/09/12/die-intelligenz-der-natur/

Wer war Martin Luther? Was hat er gelehrt? Was hat er gewollt? Rezension

War er „Der radikale Doktor Martin Luther“, den Wolfgang Beutin uns in seinem gleichnamigen Buch präsentiert? Oder war er ein innerlich zerrissener, daher auch in seinem Denken widersprüchlicher Psychopath?

    Das eine schließt das andere nicht aus. Denn auch ein von Selbstzweifeln getriebener Mensch kann über sich hinaus wirken und die Welt verändern – negativ und positiv, vorsätzlich und wider Willen. Luthers Widersprüchlichkeit, wie sie sich in seinen Schriften äußert, machte es seinen Gegnern leicht, ihn der Doppelzüngigkeit zu überführen und zu verteufeln, seinen Anhängern wiederum, ihn zu verherrlichen, und politischen Akteuren, ihn für ihre Zwecke einzuspannen. Die evangelischen Deutschen Christen (DC) zum Beispiel beriefen sich auf Luthers Hetzschrift „Von den Juden und ihren Lügen“ und hatten nach 1933 großen Einfluss auf den Protestantismus. Auch der Katholik Hitler lobte und verehrte ihn:  „Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung, sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen.“ (Dietrich Eckart, Der Bolschewismus von Moses bis Lenin – Zwiegespräche zwischen Adolf Hitler und mir, München 1924, S. 35)

Wer ihn bewunderte, verachtete oder nur benutzte, der hatte eine Vorstellung von Luther, die der eigenen Anschauung entsprach, aber nicht der ganzen Wirklichkeit. So sind infolge partieller Wahrnehmung lauter verschiedene Lutherbilder entstanden.

Da erscheint nun zur rechten Zeit die dritte überarbeitete und erweiterte Auflage eines Buches, das uns den ganzen Luther nahe bringt. Sein Autor ist kein Theologe, kein Kirchenmann, sondern Literaturwissenschaftler: Germanist und Mediävist, ein Historiker, der sich in der Geistesgeschichte des Abendlandes auskennt. Er befasst sich seit den sechziger Jahren mit der Reformation und ihren Akteuren und hat dabei Ludwig Feuerbachs These, „dass Theologie Anthropologie sei“ (20), im Hinterkopf. Schon sehr früh wird er auf die gesellschaftspolitische Bedeutung Luthers aufmerksam. Diesen Aspekt hatte die Forschung bisher zu wenig, wenn überhaupt im Blick. Deshalb versucht Beutin zu ermitteln, „ob Luther, die historische Gestalt, und sein Werk unter dem demokratischen Gesichtspunkt historisch gerecht erfasst werden können..“ (Einl. 1.,2.Aufl. 64)

Er hat nahezu das gesamte Mittelalter und die Neuzeit durchforscht und bisher auch unbekanntes authentisches Textmaterial ans Licht gebracht: Reden, Briefe, Aufzeichnungen – Würdigungen, Kritiken und Schmähschriften – von Klerikern, Theologen, Historikern, Biografen, Politikern, Dichtern und Philosophen, darunter Melanchthon, Erasmus von Rotterdam, Goethe, Heinrich Heine, Friedrich Engels, Karl Marx, Franz Mehring, Gotthold Ephraim Lessing, Heiner Geißler und Margot Käßmann. Vor allem aber sind es die vielen langen Textpassagen, mit denen Beutin Luther selber zu Wort kommen lässt. Teile davon hat er in unsere heutige Sprache übertragen. Beweismaterial, mit dem die vielen Missverständnisse, Fehldeutungen und Lutherbilder und – legenden aus dem Weg geräumt werden sollen.

Was hat er gelehrt? Was hat er gewollt? Beutin: „Als Luther daran ging, die für ihn unerträglichen Mißstände in der Kirche seiner Zeit und die aufgeschwemmte Kirchenlehre, wie er sie vorfand – verunstaltet durch nicht bibelgemäße, nicht von Jesus herrührende ´Zusätze`–, zu reformieren, war es sein Vorhaben, ausgehend vom ´Wort Gottes` die frühere, genuine Kirche wiederherzustellen, die vorgefundene also soweit möglich in den Urzustand zurückzuversetzen, wie ihn die Evangelien beschreiben.“

Ein Grundgedanke Luthers war die „Gleichheit aller Christenmenschen“ in seiner  Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation… (1520). Daraus: „Es hat sich eingebürgert, daß Papst, Bischöfe, Priester und Klosterinsassen als ´geistlicher Stand` bezeichnet werden, Fürsten, Adlige, Handwerks- und Ackersleute als ´weltlicher Stand: in Wirklichkeit eine ausgeklügelte, aufpolierte Lüge. (…) In Wahrheit sind nämlich alle Christen geistlichen Standes, und es besteht unter ihnen keinerlei Unterschied. (…) Das kommt daher, daß wir eine Taufe, ein Evangelium, einen Glauben haben, also gleiche Christen sind. Denn die Taufe, das Evangelium und der Glaube, die allein machen geistlich, konstituieren die Christenheit. Aber daß der Papst und Bischof salbt, Mönche erschafft, Pfarrer ordiniert, Gebäude weiht, sich anders kleidet als die Laien, macht aus ihm vielleicht einen Blender und Ölgötzen, aber nimmermehr einen Christen oder geistlichen Menschen. Nämlich nur durch die Taufe werden wir allesamt zu Priestern geweiht. (…)  Da wir ja alle gleichberechtigte Priester sind, darf sich niemand selber hervortun und sich unterstehen, ohne unser Einverständnis und ohne daß wir ihn gewählt haben, dasjenige auszuüben, wozu wir alle gleich bevollmächtigt sind.“

Beutin: „Wie Luthers Gleichheitslehre, so ist seine Freiheitslehre von den berufenen evangelischen Theologen im wesentlichen mißdeutet, verdeckt, versteckt worden. (…) Der sich selbst bestimmende Mensch, der keine Macht sucht, sondern die Unterordnung in Freiheit; der schöpferische Mensch, der in Freiheit seiner selbstgewählten freien Arbeit nachgeht, auch der untergeordneten; der neue Mensch, der die Ketten des alten abgeworfen hat, – das ist Luthers geistlicher Entwurf. Es ist das ideale Bild eines Christen, der in Vereinigung mit anderen Christen, brüderlich verbunden mit ihnen in einem Personenverband, dem Reich Gottes, die Zeiten durchwandert.“

Der Autor zeigt den Reformator als radikalen Vorkämpfer der Demokratie – samt Gleichberechtigung der Geschlechter – und der Säkularisierung. Sein Buch soll aber auch „Laien“ aller Konfessionen zu kritischer Beschäftigung mit Glaubensfragen anregen. Agnostiker und Atheisten haben das längst getan.

Beutin hat ein immenses Material zusammengetragen und zum Teil neu bewertet. Deshalb kann hier nicht auf alle Aspekte seiner gründlichen Darstellung der „Streitsache Luther“ eingegangen werden. Erwähnt werden soll aber noch, dass der Germanist die Bibelübersetzung als „die größte sprachschöpferische Leistung des Reformators und der gesamten frühen Neuzeit“ würdigt: Luther „verschmolz“ „das Schriftdeutsch der Amtsprache“ „mit der Sprache des Volks, mit Wörtern und Wendungen, die der Vorstellungs- und Gedankenwelt des gemeinen Mannes Ausdruck gaben.“ Sprache auch als Mittel der Kommunikation, „das nicht bloß der Befehlsgebung von oben her diente, sondern hervorragend die Verständigung der Menschen untereinander ermöglichte, in den Massen, des gemeinen Mannes mit dem gemeinen Mann.“

Wolfgang Beutin: Der radikale Doktor Martin Luther. Peter Lang-Verlag, Frankfurt a. M 2016, 3. Aufl. 378 Seiten. € 59,95

Der Atheist und das Vaterunser

Die Beerdigung eines Mannes, der noch im Rentenalter politisch engagiert und vor wenigen Jahren gestorben war, hatte ein merkwürdiges Ende. Der Tote war in der Friedhofshalle aufgebahrt. Schlichter Sarg, ein Foto von ihm, Kränze, Blumen. In der Halle waren, als ich eintraf, nur noch wenige Plätze frei. Klassische Musik: ein Satz aus einer Sinfonie. Ein Genosse hielt die Trauerrede, schlicht wie der Sarg, ohne Pathos. Danach sprach ein junger Mann ein Gedicht von Brecht. Sinfonische Musik erklang, begleitete die Trauergäste und den Sarg hinaus.

Sechs Schwarzgekleidete hängten Kränze um den Sarg, zogen ihn, angeführt von der Bestatterin, auf einem Wagen den Friedhofweg entlang und versenkten den Schrein im Grab. Die Witwe, Verwandte und politische Weggefährten des Toten warfen Erde, Blüten, Blumen auf den Sarg. Die Gäste stellten sich danach in die Reihe, gingen zur Witwe und zum Bruder des Verstorbenen und kondolierten.
Es war Herbst. Die Blätter der alten, hohen Bäume rauschten leise. Krähen krächzten. Die Natur besang den Toten.

Als Letzter ging der junge Mann, der das Brechtgedicht rezitiert hatte, zum Grab, warf eine Handvoll Erde und eine rote Blume auf den Sarg, streckte die Faust zum Himmel und rief so laut, dass die Krähen aufflogen: „Eberhard, der Kampf geht weiter!“

Die Trauerversammlung begann sich aufzulösen. Da trat die Bestatterin aus dem Hintergrund hervor, stellte sich demonstrativ vor das Grab und sprach, ebenfalls unüberhörbar – das Vaterunser!

[Aus: Eberhard, der Kampf geht weiter! Gesellschaftskritische Beiträge  (eBook) BookRix 20012)
→  http://www.bookrix.de/_title-de-dietrich-stahlbaum-8222-eberhard-der-kampf-geht-weiter-8220

Hitler war kein A-Theist

Leserbrief zu: „Kein singulär muslimisches Problem“, Frankfurter Rundschau 31. 01. 15

Es stimmt, „Menschen zu quälen und zu töten, ist kein singulär muslimisches Problem“. Auch die Fakten stimmen – außer diesem Satz: „Adolf Hitler war Atheist.“ Dass er einer gewesen sei, wird kirchlicherseits zwar immer wieder behauptet, um den Nationalsozialismus dem A-Theismus zuzuschreiben. Aber Hitler war bis an sein Lebensende Katholik und hat an einen Gott geglaubt. Die Kirche hat ihn auch später, als die Nazigräuel offenkundig wurden, nicht exkommuniziert.
Schon 1923 schrieb er in »Mein Kampf«: „Indem ich mich des Juden erwehre, erfülle ich das Werk des Herrn.“ Hitler verehrte Martin Luther. Bezogen auf dessen Judenhass sagte er in einem Gespräch: „Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung, sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen.“ (Dietrich Eckart, Der Bolschewismus von Moses bis Lenin – Zwiegespräche zwischen Adolf Hitler und mir, München 1924, S. 35)

Auch die Deutschen Christen (DC) beriefen sich auf Luthers Hetzschrift „Von den Juden und ihren Lügen“ und hatten nach 1933 großen Einfluss auf den Protestantismus. Dann gab es noch die „gottgläubigen“ Nationalsozialisten ohne Kirche und Konfession. Zu ihnen habe ich mich als Dreizehnjähriger bekannt, als ein evangelischer Pastor mir beim Konfirmandenunterricht weiß machen wollte, dass Jesus kein Jude gewesen sei: „Er war blond wie du.“

1936 sagte Hitler zu Kardinal Faulhaber bei dessen Besuch auf dem Obersalzberg: „Ohne Gottesglauben können die Menschen nicht sein. Der Soldat, der drei und vier Tage im Trommelfeuer liegt; braucht einen religiösen Halt. Gottlosigkeit ist Leerheit.“ (Quelle: PETER PFISTER, SUSANNE KORNACKER, VOLKER LAUBE: Kardinal Michael von Faulhaber 1869-1952. Obersalzberg-Protokoll 1936 S. 541-547)

Auf dem Koppelschloss der Deutschen Wehrmacht (1936-45) stand:

NDS-KoppelschlossHitler sprach später oft von der „Vorsehung“, für dessen Werkzeug er sich hielt. „Die Vorsehung“ ist im Christentum der allmächtige und allwissende Gott. „Es konnte“, schrieb er in »Mein Kampf«, „ in den Reihen unserer Bewegung der gläubige Protestant neben dem gläubigen Katholiken sitzen, ohne je in den geringsten Gewissenskonflikt mit seiner religiösen Überzeugung geraten zu müssen. Der gemeinsame gewaltige Kampf, den die beiden gegen den Zerstörer der arischen Menschheit führten, hatte sie im Gegenteil gelehrt, sich gegenseitig zu achten und zu schätzen.“ (München 1933, 70. Auflage, S. 628 ff.).

Ich bin seit 60 Jahren Agnostiker und A-Theist.

Dietrich Stahlbaum, Recklinghausen

Am 4. Februar gekürzt in der FR.

Anmerkungen:

„Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung, sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen.“ Hitler *

Es geht mir in diesem Leserbrief vor allem darum, die Behauptung, der Nationalsozialismus habe seinen Ursprung im Atheismus, in der „Gottlosigkeit“, auch „Gottferne“, zu widerlegen.
Die Mentalität eines Menschen, d. h. das, was er glaubt und denkt, lässt sich aus seinen Äußerungen erschließen, aus dem, was er sagt und schreibt und aus seiner Gestik. Um herauszufinden, ob jemand das, was er sagt oder schreibt, auch glaubt, ob er „die Wahrheit sagt“, muss man nicht unbedingt tiefenpsychologisch geschult sein. Meistens genügt es, genau auf die Gestik zu achten.

Bei Hitler ist offensichtlich, dass Glauben, Denken, Sagen und Schreiben übereinstimmen, dass er an seine kruden Vorstellungen auch geglaubt hat. Belege dafür gibt es genug, mehr als die paar Zitate in meinem Leserbrief.

Ich bin in einer Nazi-Familie aufgewachsen. Fast alle meine nächsten Vorfahren waren völkisch-deutsch-national(istisch) und militaristisch. Durch sie und in der Schule bin ich dementsprechend indoktriniert worden und habe den Nationalsozialismus hautnah erlebt und nach 1945 unter der Uneinsichtigkeit und dem Schweigen aller meiner Verwandten gelitten.  Seitdem bin ich daran interessiert, den Nationalsozialismus, alle faschistischen Systeme und ihre Geschichte kritisch aufzuarbeiten und mit meinen geringen Möglichkeiten darüber aufzuklären. Denn faschistisches Gedanken“gut“ ist in Deutschland noch längst nicht überwunden. Immer wieder wird versucht, Hitler, den Nationalsozialismus, faschistische Regime und ihre Kollaborateure aus Kirche und Kapital reinzuwaschen. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch!“ Brecht: Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui

* Adolf Hitler in:  →  http://www.theologe.de/adolf-hitler_martin-luther.htm#Dietrich-Eckart In: DER THEOLOGE Nr. 84: Der Katholik Adolf Hitler unter dem Einfluss Martin Luthershttp://www.theologe.de/adolf-hitler_martin-luther.htm

Braucht der Mensch überhaupt eine imaginäre Autorität? (Leserbrief)

…an das Medienhaus Bauer, Marl, zu: „Es ist den Männern somit eine Verpflichtung auferlegt, ihre Frauen zu lieben…“ vom 2. September 2005

Religionen sind sensible Bereiche, weil Gläubige sich darin verorten und befürchten, ohne Religion die Orientierung zu verlieren. So ist im Unterschied zu wissenschaftlicher Erkenntnis und Rationalität der religiöse Glaube meistens mit irrationalen, ins Unbewusste verdrängten Ängsten verbunden. Deshalb ist Religionskritik, ohne die Gefühle Gläubiger zu verletzen, kaum möglich. Ich werde es dennoch versuchen:

In dem o. g. Leserbrief wird darauf hingewiesen, dass die „Wahrheit […] beweisbar sein [müsse], indem man die Indizien prüft, Tatsachenbeweise, die eine Wahrheit stützen müssen und nicht fragwürdige Hypothesen“. Der nächste Satz ist ein Zitat aus dem Schöpfungsbericht: „Und Gott ging daran, den Menschen in seinem Bilde zu erschaffen, im Bilde Gottes erschuf er ihn, männlich und weiblich erschuf er sie….“ (1. Mose 1:27, 28).
Dies wird als „Tatsache“ aufgefasst, die „eindeutig alle anderen Ansichten dahingehend widerlegt, dass eine Evolution durch Zufall wahrscheinlicher sei als die Beschreibung im Schöpfungsbericht.“ – Wo ist der Beweis?

Ein Bibeltext ist kein Beweis, auch wenn er als “Gottes Wort“ bezeichnet wird. Die „Schöpfung“, wie in der Genesis beschrieben, gehört zu den vorwissenschaftlichen Vorstellungen aus der Kinderstube der Menschheit. Die Genesis, große Teile der Bibel überhaupt, wörtlich und nicht mythologisch zu verstehen, ist christlicher Fundamentalismus, neuerdings als «Kreationismus» wiederauferstanden.
Ebenfalls nicht beweisbar ist die Existenz eines Gottes. Schon der Philosoph Immanuel Kant hat alle „Gottesbeweise“ eifriger Theologen widerlegt – und ein Hintertürchen für den Glauben an einen solchen offen gelassen.

+++  Wer ist nun dieser Gott? Psychologisch gesehen, der eigene leibliche Vater – so, wie er vom Kleinkind wahrgenommen wird. Ein Übervater, idealisiert und verinnerlicht als Über-Ich.
Braucht der Mensch überhaupt eine imaginäre Autorität?  +++

Übrigens: Für die vielen patriarchalischen und frauenfeindlichen Textstellen, die ich in der Bibel gefunden habe, reicht dieser Platz nicht aus. Nur ein Beispiel aus dem N. T.:

„Der Schleier der Frauen. Ihr sollt aber wissen, dass Christus das Haupt des Mannes ist, der Mann das Haupt der Frau und Gott das Haupt Christi. Eine Frau aber entehrt ihr Haupt, wenn sie betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt. Sie unterscheidet sich dann in keiner Weise von einer Geschorenen. Wenn eine Frau kein Kopftuch trägt, soll sie sich doch gleich die Haare abschneiden lassen. […] Der Mann darf sein Haupt nicht verhüllen, weil er Abbild und Abglanz Gottes ist; die Frau aber ist der Abglanz des Mannes. Denn der Mann stammt nicht von der Frau, sondern die Frau vom Mann. Der Mann wurde auch nicht für die Frau geschaffen, sondern die Frau für den Mann.“

[1. Brief des Paulus an die KORINTHER 11,3.5-9. Quelle: Neue Jerusalemer Bibel 1985]

Am 8. September unter dem Titel „Ein Bibeltext ist kein Beweis“ in den Zeitungen des Medienhauses Bauer gekürzt veröffentlicht. Weggekürzter Text in ++++++ und kursiv.

Glauben ohne Religion

Kommentar zu: “Und die Affinität vieler Interviewter zur Auflösung des Ich in Massen ist ein Schoß, der gepaart mit einem nihilistischen, wahlweise biologistischen oder physikalischen Weltbild, durchaus fruchtbar für autoritäre Unterordnung ist, die die Befragten bei Kirchgängern wiederum kritisieren.”  [Markus Rackow am  21. Aug 2013 in  →  http://e-politik.de/artikel/2013/glauben-ohne-religion/#comment-4007 ]

Die „Auflösung des Ich in Massen“ trifft sicherlich auf diese Menschen zu. Leider wurden keine Konfessionsfreien interviewt, die sich auf die ursprünglichen Lehrtexte des Buddha berufen und den „Buddhismus“ nicht als Religion, sondern als Philosophie verstehen, als Denk- und zugleich Lebensweise. Hierzu:

Das “Ich”. Gespräch zwischen einem [zen-buddhistischen] Rôshi und seinem europäischen Schüler:

“Der Buddhismus lehrt, man solle sich von seinem ICH, von
seinem Ego befreien. Bei uns im Westen ist ein autonomes ICH
Ziel der Persönlichkeitsentwicklung. Unter dieser Autonomie
versteht man das Vermögen, verantwortungsbewußt sich frei zu
entscheiden und zu handeln. Es ist das sich selbst erkennende,
seiner selbst bewußte, selbstkritische Individuum. Das ist kein
übersteigerter Individualismus! Wie siehst du das, Rôshi?”
“Es wird viel Energie verschwendet, wenn man sich immer wieder
von neuem seiner selbst vergewissern muß. Das wird
zur Manie. Dieses Ich-Bewußtsein ist ein sehr labiler Zustand.”
“Es gibt doch auch Menschen, die in sich selber ruhen. Einer
von diesen bist du, Rôshi.”
“Wenn das so ist, wie du sagst, My, dann liegt es sicherlich
daran, daß der Rôshi sich nicht immer wieder von neuem um
sein Ich-Bewußtsein bemüht. Unsere gesamte Mitwelt –
Menschen, Pflanzen, Tiere – leidet an einem Krieg, verursacht
durch ein schlechtes Karma, das sich in fast hundert Jahren
Kolonialherrschaft aufgestaut hat: dies ist unser Problem, hier
und jetzt!”
“Ich…”
“Auch du hast Grenzen um dich gezogen, My. Sie engen dich
ein.”
Damit schien das Gespräch beendet zu sein. Aber der
Rôshi ließ My nicht hilflos dreinblickend stehn. Er fragte:
“Übst du nachher Zazen?”
“Ja.”
“Dann laß dein Bewußtsein in der Bauchhöhle ruhen, im hara!”

[AUS: Dietrich Stahlbaum: Der Ritt auf dem Ochsen oder Auch Moskitos töten wir nicht. Ein Roman, Aachen 2000, S. 305 f., Printausgabe vergriffen, jetzt als eBooK → http://www.bookrix.de/_ebook-dietrich-stahlbaum-der-ritt-auf-dem-ochsen-oder-auch-moskitos-toeten-wir-nicht/ ]
Mehr über das Buch im ZEITFRAGENFORUM → http://www.dietrichstahlbaum.de

Stahlbaums Ebooks: „Eberhard, der Kampf geht weiter!“

Stahlbaums Ebooks Foto.

Gesellschaftskritische Beiträge

Der Titel dieses Buches ist ein authentisches Zitat. Ein Aufruf eines jungen Attac-Aktivisten bei der Beerdigung eines alten, bis zu dessen Tod sozialpolitisch engagierten Menschen. (Siehe Kapitel XVI) Eberhard U. starb im November 2007 – nach unermüdlichem Einsatz für soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Frieden. Ihm ist Stahlbaums sechstes eBook gewidmet. Im Mittelpunkt dieser Beiträge steht die soziale Frage mit den Folgen der neoliberalen wirtschaftlichen und technologischen Globalisierung. Eine umfassende und zugleich in konkrete Details gehende Gesellschafts- und Kapitalismuskritik.

I N H A L T

I. Für eine soziale Politik, lokal/global
I.a. Die sozialen Probleme: Arbeitslosigkeit beseitigen, aber wie?
I.b. Die sozialen Probleme: Arbeitslosigkeit beseitigen – durch Wirtschafts“wachstum“?
I.a.b. Modernität und die SPD
II. Not-wendige Veränderungen, lokal/global
III. Alternativen zur Militärpolitik. Bundeswehr: Abrüstung und Entmilitarisierung
IV. «Meudalismus» – Warum es so ist, wie es ist
V. Beim Barte des Propheten. Linke Theorie und politische Praxis
VI. “Sozialistische Gleichmacherei“
VII. Hemd und Hose
VIII. Für eine andere Verkehrspolitik
IX. Unsere Lebensweise ändern? (Zu einem Vortrag von Franz Alt)
X. Schwerarbeit und technischer Fortschritt
XI. GLOBALISIERUNG
XI.a. Neokolonialistische Globalisierung
XII. „SPD schafft Unterschicht ab“
XIII. Die Finanzmisere der Kommunen
XIV. Bundespräsident Joachim Gauck
XV. Baustelle Europa (Rezension) Wilhelm Neurohrs EU-Kritik
XVI. Der Atheist und das Vaterunser. Realsatire

http://www.bookrix.de/_ebook-dietrich-stahlbaum-8222-eberh…/

Stahlbaums eBooks: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“ A. E.

Stahlbaums Ebooks Foto.

Zeitkritische Beiträge

Der Titel dieses Buches sind Worte von Albert Einstein. Der Physiker war auch Philosoph und Zeitkritiker. Er forderte zu kreativem Denken und Umdenken auf. Wie sehr das nötig ist, demonstriert Dietrich Stahlbaum hier in seinem 7. eBook. Es beginnt mit einem kritischen Rückblick auf seine militaristische „Sozialisation“ in der Nazizeit. Es folgen Bildberichte über Vietnam und den Krieg, an dem der Autor als Fremdenlegionär teilgenommen hat (1951-54). Ein Zeitsprung in die Gegenwart (2012-13): Aufsätze, Kommentare, Leserbriefe, Aphorismen, die sich dem Mainstream widersetzen, zu: Geschichte und Politik, Ökologie, Religion und Glauben (Christentum, Islam), Kirche und Staat (Laizismus), Atheismus, Philosophie, Aufklärung. Ein Autorenportrait (Wolfgang Beutin). Zeitgemäßes über Gautama Buddha und „den Buddhismus“, ein zen-buddhistisches Kôan. Yoga (Fotoserie). Rezension eines Buches des koreanischen Philosophen Ynhui Park über die Krise der technologischen Zivilisation und deren Überwindung. Fotoserie von Flugapparaten vom Schulgleiter zum Gyrocopter. Und schließlich: Humor in Bild und Text.

Von leerem Teller essen. Kôan

Ein Christ, zu Gast bei einem Buddhisten, fragte diesen: „Warum hast du keinen Glauben?“
Der Buddhist nahm einen Teller aus dem Schrank, aus der Schublade einen Löffel, ein Messer und eine Gabel, setzte sich an den Tisch und hantierte mit dem Besteck, als esse er.
„Du hast nichts auf dem Teller“, bemerkte der Christ.
Der Buddhist „aß“ wortlos eine Weile weiter. Dann legte er das Besteck beiseite, wischte sich den Mund ab und fragte: „Weißt du es nun?“

Atheismus?

Theismus – Atheismus: Unserer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Was unterscheidet den Gläubigen vom „Ungläubigen“?
Der Gläubige glaubt an die Existenz eines Gottes.
Der „Ungläubige“ glaubt an die Nichtexistenz eines Gottes.

Dazwischen ist der Agnostiker*. Er sitzt zwischen den Stühlen,
denn er glaubt weder das Eine noch das Andere.

Die beiden ältesten Agnostiker waren wohl Lao Tse und Siddharta Gautama Shakyamuni, der Buddha, wie er genannt wird, der Erleuchtete, der Erwachte, wir können auch sagen: der Aufgeklärte.

Auch Sokrates war Agnostiker: „…dieser glaubt doch, etwas zu wissen, was er nicht weiß, ich aber, der ich nichts weiß, glaube auch nicht zu wissen. Ich scheine doch wenigstens um ein Kleines weiser zu sein als dieser, weil ich, was ich nicht weiß, auch nicht zu wissen glaube…“

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*vom Griechischen ágnostos: unerkennbar, unbekannt, auch a-gnoein: „nicht wissen“