Maja Göpel: „Unsere Welt neu denken: Eine Einladung“ (Rezension)

Lb-Mhs. Bauer, Marl, Corona-Pandemie-Kritik, 07.04.2020
Am 7. April 2020 in den Zeitungen des Medienhauses Bauer, Marl
Rezension Maja Göpel ´Unsere Welt neu denken` beim Mhs, Bauer, Marl, 09.04,2020
Gebundene Ausgabe € 17,99,  E-Book € 16,99

Cover Maja Göpel

Klappentext: Maja Göpel ´Unsere Welt neu denkern`- Klappentext
Klappentext

Die Ereignisse überschlagen sich derart, dass Maja Göpels Buch überholt zu sein scheint. Als sie es schrieb – es erschien am 28. Februar 2020 –, war die Corona-Pandemie noch nicht ausgebrochen.

Nach heutiger Kenntnis ist das Virus erstmals Ende Dezember 2019 in einer chinesischen Großstadt von Fledermäusen und beim Handel mit lebenden Tieren auf Menschen übertragen worden. Es hat sich rapide zu einer Pandemie entwickelt und sich weltweit ausgebreitet.

Maja Göpels Buch ist dennoch hochaktuell. Die junge (* 1976) Transformationsforscherin, Politökonomin, Nachhaltigkeitswissenschaftlerin und Hochschullehrerin hat ein immenses Wissen, denkt systemisch und ökologisch. Sie hinterfragt die weltweiten Krisen in Umwelt und Gesellschaft: „Sie offenbaren, wie wir mit uns und dem Planeten umgehen, auf dem wir leben.“ Wenn wir diese Krisen meistern wollen, schreibt sie, „müssen wir uns die Regeln bewusst machen, nach denen wir unser Wirtschaftssystem aufgebaut haben. Erst wenn wir sie erkennen, können wir sie auch verändern – und unsere Freiheit zurückgewinnen.“

Maja Göpel ist weltweit vernetzt und in vielen internationalen wissenschaftlichen und politischen Gremien und auf Kongressen aktiv. Sie hat sich der von Greta Thunberg gegründeten Klimaschutzbewegung „ Fridays for Future“ angeschlossen und scheut sich nicht, auch auf der Straße, in Berlin vor dem Bundestag und in Washington vor dem Weißen Haus  zu demonstrieren.

Ihr Buch hat mir viele neue Erkenntnisse gebracht und lauter Aha-Erlebnisse.

Ihr Scharfsinn und ihr kritischer Blick, ihre ganzheitliche Sicht, ihre Fähigkeit, so zu schreiben, dass nahezu alle, die lesen können, sie verstehen, sogar Teenager, sind unübertroffen. Nur so können möglichst viele Menschen erreicht und motiviert werden.

Der Versand des Buches hatte sich durch die Corona-Kontaktsperre verzögert. Ich kenne die berechtigte Kritik an dem Konzern. Aber betrifft das nicht das gesamte kapitalistische System? Die Digitalisierung („KI“) könnte – das hält auch Maja Göpel*) für möglich – den Kapitalismus vollkommen transformieren und völlig neue Verhältnisse schaffen, demokratische.

——-

->  https://de.wikipedia.org/wiki/Maja_G%C3%B6pel

[Unsere Welt neu denken: Eine Einladung, Berlin 2020]

 

 

Dalai Lama: Unser Weg in eine friedliche Welt

Der Dalai Lama Exklusiv in der HÖRZU: Herzensbildung, Toleranz, Empathie: Franz Alt fragte den geistlichen Führer der Tibeter, was jeder von uns tun kann, um die Erde in einen friedlicheren Ort zu verwandeln.
Wie kann das 21. Jahrhundert eine Epoche des Friedens werden? Welche Werte sind heute wichtig? Was muss sich ändern in der Welt? Der Dalai Lama, spiritueller Führer der Tibeter, findet Antwort auf bedeutende Fragen unserer Zeit. Vor zwei Jahren hat er zusammen mit dem Journalisten Franz Alt das Buch „Der Appell des Dalai Lama an die Welt“ (Benevento, 56 Seiten, 4,99 Euro) veröffentlicht, das inzwischen in 16 Sprachen übersetzt wurde und ein Weltbestseller ist.

Jetzt haben sich die beiden Freunde in Frankfurt wieder getroffen, bereits zum 36. Mal. Der Dalai Lama ist nach 58 Jahren im Exil einer der ältesten Flüchtlinge der Welt. Dass er immer noch optimistisch ist, nennt Franz Alt das „Wunder des Dalai Lama“. Exklusiv in HÖRZU fasst er die wichtigsten Botschaften Seiner Heiligkeit zusammen:

Abrüstung und Toleranz

Der Dalai Lama sagt: „Abrüstung ist praktiziertes Mitgefühl. Voraussetzung einer äußeren Abrüstung ist allerdings eine innere Abrüstung von Hass, Vorurteilen und Intoleranz. Ich appelliere deshalb an alle aktuellen Kriegsparteien: ‚Rüstet ab und nicht auf!‘. Und an alle Menschen: ‚Überwindet Hass und Vorurteile durch Verständnis, Kooperation und Toleranz!‘“

Donald Trump und Amerikas Zukunft

„Wenn der amerikanische Präsident sagt ‚America first’, dann macht er seine Wähler glücklich. Das kann ich verstehen. Aber aus globaler Sicht ist diese Aussage nicht relevant. In der globalen Welt hängt heute alles mit allem zusammen. Amerikas Zukunft hängt auch von Europa ab und Europas Zukunft auch von den asiatischen Ländern. Deshalb sollte der US-Präsident mehr nachdenken über das, was für die ganze Welt relevant ist.“

Nationalismus und Konflikte

„Nationalismus ist ein ernstes Problem. Es ist zunächst einmal logisch, dass die vielen Nationen sich um ihre eigenen Belange kümmern. Die Europäische Union ist jedoch ein gutes Beispiel für gelungene internationale Zusammenarbeit. Nach Jahrhunderten der Kriege und des gegenseitigen Abschlachtens hat in den letzten 60 Jahren kein einziges Land der Europäischen Union gegen ein anderes Krieg geführt. Die Geschichte lehrt uns: Wenn Menschen nur ihre nationalen Interessen verfolgen, gibt es Streit und Krieg. Die EU ist weltweit das vorbildliche Friedensprojekt. Die Zukunft einzelner Nationen hängt immer auch von den Nachbarn ab – davon, dass es auch ihnen gut geht. Wir müssen jetzt lernen, dass die Menschheit eine einzige Familie ist. Wir alle sind physisch, mental und emotional Brüder und Schwestern. Aber wir legen den Fokus noch viel zu sehr auf unsere Differenzen anstatt auf das, was uns verbindet. Dabei sind wir doch alle auf dieselbe Weise geboren und sterben auf dieselbe Weise. Es ergibt wenig Sinn, mit Stolz auf Nation und Religion auf dem Friedhof zu landen!“

Flüchtlingskrise und Heimat

„Die Politik muss Mitgefühl für Menschen in Not zeigen. Migranten dürfen nicht diskriminiert werden. Ein paar Tausend Flüchtlinge jedes Jahr sind kein Problem für die reichen Länder. Deutschland hat in den letzten zwei Jahren sogar über eine Million Flüchtlinge aufgenommen, was ich sehr begrüße. Aber eine Million geht nicht jedes Jahr. Auf lange Sicht sollten die Flüchtlinge wieder zurückkehren und ihre Heimat aufbauen.“…

Volltext

Neuerscheinung: »Verschiedene Ansichten. Neue zeitkritische Beiträge« von Dietrich Stahlbaum

coverpic3d.php.png

Klappentext:

Auch für den 90-Jährigen ist es eine „Selbstverständlichkeit, das Zeitgeschehen kritisch zu begleiten und im Netz mitzudebattieren.“ Dies ist nun sein 10. eBook, Fortsetzung des neunten mit Beiträgen des letzten Jahres (2016) zu den gleichen Themen (aktuelle Politik, Globalisierung, Kolonialismus, Krieg und Pazifismus, Flüchtlinge, Fluchtursachen, alte und Neue Rechte, ihr Rassismus, ihre Ängste; philosophische Betrachtungen…) Dazu: Die Arier.  Der folgenschwere Missbrauch eines Begriffes durch Rassisten, Verschwörungstheorien; Entwicklungshelfer – ein Afrika-Fest in Bild und Text, Wer war Martin Luther?… – Rezension eines außergewöhnlichen Buches und ein Zeitungsbericht zu Stahlbaums 90.

Der Autor: geboren 1926, aufgewachsen in einem völkisch deutsch-nationalen Milieu, militaristisch erzogen, faschistisch indoktriniert. „Hitlerjugend“, Militär, I944-45 an zerbröckelnden Fronten, 1949-54 bei der Fallschirmtruppe der französischen Legion in Algerien und Vietnam. Heimkehr als Kriegsgegner. Engagement in Bürgerinitiativen und in der Friedens- und Ökologiebewegung. Berufe: u. a. Fabrikarbeiter, Buchhändler, Verlagsangestellter, Bibliothekar. Publikationen: Prosa, Lyrik, Essays, Reportagen etc. Ein Roman, ein „Lesebuch“, Print- und eBooks.

INHALT:

Verschiedene Ansichten – – Warum feiert heute der Nationalkonservatismus Urständ in Europa? – – Gesamtkultur, Menschheitskultur – – „Fremde“ Kulturen und Verhaltensweisen – – Historische Fluchtursachen – – Deutsche Auswanderer, deutsche Kolonialherrschaft – – PEGIDA, AfD und CO. verbreiteten verschwörungstheoretische Übertreibungen – – „Völkisch“ – – Muslimvereine – – Araberinnen – – Die Arier. Der folgenschwere Missbrauch eines Begriffes durch Rassisten – – Verschwörungstheorien. Eine WDR-Sendung und kritische Anmerkungen – – Multi-ethnischer Staat in Syrien? – – Zur Klimaerwärmung – – Afrika-Fest am 11.Juni 2016 auf dem Schulbauernhof in Recklinghausen (Bild und Text) – – Pazifisten – – Raus aus der NATO? Die Friedensbewegung im „Kalten Krieg“. Wortprotokoll einer Diskussion (1983) – – Der Gewalt (in uns) ein Ende setzen – – Das zurück gegebene Schwert. Eine vietnamesische Legende – – Barack Obama – – Herz und Hirn – – Frauen, die für Gleichberechtigung kämpfen – – Der SPD ist die soziale Kompetenz verloren gegangen – – Wer war Martin Luther? Was hat er gelehrt? Was hat er gewollt? Rezension – –  90 Jahre mitten im Strom der Zeit. Ein Lebensbericht

*  *   *

Dietrich Stahlbaum:  »Verschiedene Ansichten- Neue zeitkritische Beiträge«                   BookRix-eBook  2017, 11658 Wörter, € 3,99, ISBN: 978-3-7396-9350-7

Das eBook kann für € 3,99 auf Ihren Computer oder ein Lesegerät heruntergeladen werden.

Deutsche Auswanderer, deutsche Kolonialherrschaft

Es sollte daran erinnert werden, dass auch Deutsche, die, weil sie politisch oder religiös verfolgt wurden oder aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen in Gruppen ausgewandert sind, einen Teil ihrer Heimat mitgenommen haben, ihre Gewohnheiten, ihre Kultur: ihre Sprache, ihre Religion, ihre Sitten und Gebräuche, ihre Architektur. Und überall, wo sie sich gruppenweise angesiedelt haben, haben deutsche Immigranten sich nicht an die vorgefundenen Verhältnisse angepasst, sich integriert oder gar assimiliert, sondern – nach heutigem Sprachgebrauch – Parallelgesellschaften gebildet, vor allem in den USA (Bsp. Germantown, heute ein Vorort von Philadelphia), in Afrika, in Afrika, in Russland.

Und erinnern wir uns an die gewaltsame Besitznahme, an den Landraub deutscher Kolonisatoren besonders in Afrika, wo die indigene Bevölkerung teilweise von Deutschen betrogen, enteignet, vertrieben, ermordet oder versklavt und zwangschristianisiert worden ist und wo purer Rassismus geherrscht hat. →  https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Kolonien#Strukturbedingungen_in_den_deutschen_Kolonien

Das hat sich im kollektiven Gedächtnis von Nachfahren der „Eingeborenen“ traumatisch eingeprägt.

Albrecht Thöne: Wo sind die Denkmäler für Ku-Klux-Klan-Opfer?

7987001

Leserbrief zu Todesschüsse von Dallas: „Ein Land in Aufruhr“, FR-Titel und Tagesthema vom 9. Juli 2016

Wer beispielsweise kürzlich auf „zdf neo“ die Lehrstücke über die „Geschichte des Kolonialismus“ sehen konnte, der bekam eine Ahnung davon, in welchem Maße bislang auch die Geschichte des US-amerikanischen Rassismus’ unbewältigt ist. Was ist z.B. die nahezu vollständige Ausrottung der Indianer anderes als Völkermord? Man vernichtete ihre Lebensgrundlage, nämlich die riesigen Bisonherden in der Prärie! Nach wie vor ist die ethnologische Geschichtsschreibung in den USA vorwiegend eine „weiße“, d.h. von entsprechendem institutionellen Rassismus, von tendenziellem Verschweigen sowie von Akten- u. Quellenvernichtung beeinträchtigt. Wo sind die Denkmäler für die ca. 300 000 bestialisch hingefolterten Lynchopfer des Ku-Klux-Klans, wo ist der „Walk of Fame“ für die Helden der Bürgerrechtsbewegung? Die Tatsache ist kaum auszuhalten, dass nach Ende des Zweiten Weltkrieges schwarze US-Soldaten, die gerade noch gegen das rassistische Nazi-Deutschland gekämpft hatten, im Süden der USA gelyncht wurden, weil sie sich mit dem „Ehrenkleid ihrer Nation“, der Uniform, in die dortige Öffentlichkeit begeben hatten. Es sprengt fast unsere Vorstellungskraft, dass diese Demokratie heute weit über eine Million Schwarze in ihren Jailhouses wegsperrt – bei Entzug des Wahlrechtes schon für Bagatelldelikte.

Es nimmt offenbar kein Ende, dass wöchentlich zwei Schwarze von der Polizei erschossen werden, weitere im Rollstuhl enden. Es war für mich neu, dass es bei den prekären polizeilichen Überprüfungen zu erfüllende „Quoten“ gibt – das erinnert an die „body counts“ im Vietnam-Krieg.

Gewiss: Auch die Polizisten haben Angst, und wer studieren will, was Lobbyismus anrichten kann, der möge nachlesen, wie die National Rifle Association es verstand, dieser Nation der Amokläufe 300 Millionen Feuerwaffen anzudienen, durch die täglich 89 Menschen und allein pro Jahr hundert Kinder durch Kinderhand ums Leben kommen. Wie gewaltbesessen und rassistisch vernagelt jene Gesellschaft ist, erhellt auch der Lebenslauf jenes Genies, das einst seinen „Sklavennamen Cassius Marcellus Clay“ ablegte: Muhammad Ali musste selbst erst „schlachten“ und sich (unmerklich allmählich in die Parkinsonsche Krankheit hinein) „schlachten“ lassen, um jene Weltgeltung zu erreichen, die es ihm ermöglichte, u.a. mit seiner Wehrdienstverweigerung wirksam gegen das Napalm- und Agent-Orange-Schlachten in Vietnam anzugehen. Sein Antlitz gehört in den Mount Rushmore gemeißelt!

Albrecht Thöne, Schwalmstadt

[Diskussion: frblog.de/dallas in der Frankfurter Rundschau vom 13. 07. 2016]

Raus aus der NATO? Die Friedensbewegung im „Kalten Krieg.“ Eine Diskussion aus dem Jahre 1983 – im Wesentlichen immer noch aktuell!

Raketen
Collage mit dem Holzschnitt „Die Mutter“ von Käthe Kollwitz

Am 7. Dezember 1983 diskutierten in Recklinghausen Vertreter/innen von Parteien (DKP, SPD, DIE GRÜNEN), Friedensgruppen, ein junger evangelischer Pfarrer und zwei Redakteure einer Alternativzeitung über die NATO und Protestaktionen in Deutschland. Ich habe hier die Positionen der GRÜNEN, die auch meine eigenen waren, eingebracht. Ausschnitte aus dem Tonbandprotokoll:

Redakteur der Alternativzeitung: Wie soll es nach der Stationierung der Pershing II-Raketen mit der Friedensbewegung weitergehen? Was sind nun die Hauptforderungen? Müssen die Methoden und Formen der Arbeit verändert werden? Radikalisierung?

Dietrich Stahlbaum: Stichwort inhaltliche Diskussion. Zunächst einmal zur Analyse: Den Eindruck, den ich auch in Gesprächen gewonnen habe und den ich aus meinen Erfahrungen, was die Buchausleihe in der Bücherei betrifft, bestätigt finde, ist der, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Stationierung einerseits ablehnt, andererseits aber zum großen Teil resigniert und sich obrigkeitsfixiert in die Dinge fügt: „Wir können nichts tun, die machen ja doch, was sie wollen.“

Das ist ein Punkt, über den wir uns klar werden müssen, der auch zur inhaltlichen Diskussion gehört… Zunächst einmal, meine ich, müssen wir uns – alle Initiativen und Gruppen, die dieser Gesamtfriedensinitiative angehören in Recklinghausen – über die Inhalte einig werden, die wir durch unsere weitere Friedensarbeit, durch unsere Aktionen, vermitteln wollen. Ich glaube, es genügt nicht, wenn wir auf der militärisch-rüstungstechnischen Ebene stehen bleiben und nur die Rüstungspolitik und die Militärpolitik, die Strategien und dergleichen kritisieren. Wir müssen positive Elemente hineinbringen. Wir müssen die militärische und rüstungstechnische Ebene verbinden mit der wirtschaftlichen, mit der sozialen, mit der psychologischen und mit der ökologischen Ebene. Da besteht ein ganz enger Zusammenhang, da greift eins ins andere.

Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit, die Friedenspolitik. Ich meine, wir sollten versuchen, Friedenspolitik nicht nur von der Negation her zu verstehen, sondern auch vom Positiven her. Das heißt, etwas muss in unseren Köpfen geschehen, etwas muss psychologisch weiter, etwas muss auch in unserem Bauch passieren; und wir müssen nicht nur Nein sagen zu den Raketen, zu der Rüstungspolitik, sondern auch das Aggressionspotential ansprechen, das sich in unserer Gesellschaft angestaut hat, bedingt vor allem durch die sozialen Verhältnisse, durch die soziale Krise, durch die Arbeitslosigkeit, durch den unmittelbaren Druck, unter dem der größte Teil der Bevölkerung steht.

Wie kann dieses Aggressionspotential, das manipuliert und gesteuert werden kann – durch Feindbildprojektion – abgebaut und umgesetzt werden in aktives Verhalten, in friedenspolitisch aktives Verhalten, auch individuell?

Unter Friedenspolitik verstehe ich mehr als antimilitaristische Politik. Ich verstehe darunter auch eine Art von Friedenspädagogik oder Friedenspsychologie. Es gibt da ein hervorragendes Buch von Hans-Eberhard Richter, mit dem man sehr gut arbeiten kann: Zur Psychologie des Friedens (Rowohlt, Reinbek 1984).

Das sind Dinge, die wir aufarbeiten müssen, um dann praktisch damit arbeiten zu können. Es geht darum, Ängste abzubauen, falsche, irrationale Ängste. Es gibt auch reale, gesunde Ängste: Ängste vor der realen Bedrohung durch die Hochrüstung, das Hochschrauben der Rüstungsspirale, was sich jetzt wieder durch das Stationieren von SS 21 zeigt. Die Bevölkerung muss befähigt werden, die realen Ängste zu erkennen und aktiv zu werden, um die Ursachen dieser Bedrohung zu beseitigen. Das heißt also: die militärisch- rüstungstechnische Ebene verbinden mit der politischen, mit der sozialen, mit der wirtschaftlichen, mit der psychologischen Ebene, um dadurch der Friedensbewegung (FB) eine neue Qualität zu geben, mittel- und langfristig. Wir haben ja gesehen, wie lange es dauert, bis sich Bewusstsein so weit entfaltet, dass die Leute sagen: „Nein, ich bin dagegen!“ – wie lange es dauert, bis die Leute aktiv werden.

Wir müssen also auch mittel- und langfristig denken. Denn ich gehe davon aus, dass der Abbau der Raketen, abgesehen von einem Abbau der atomaren, biologischen und chemischen Rüstung, erst mittel- oder vielleicht auch langfristig zu erreichen ist, ganz abgesehen von den konventionellen Waffen.

Noch ein Punkt, der eingebracht werden muss und der zu den positiven Aspekten der FB gehört: die Alternativen zur gegenwärtigen Abschreckungspolitik, militärisch gesehen; soziale Verteidigung als Stichwort.

Zu den Widerstandsformen ganz kurz: Das sind Dinge, die, glaube ich, wohl kaum insgesamt von der ganzen FB getragen werden können; geschweige denn, dass jeder einzelne dem zustimmt, was in dem Rosa-Block-Papier (?) gefordert wird oder in anderen Papieren vor allem der Autonomen: Aufkündigung der Loyalität gegenüber dem Staat oder ziviler Ungehorsam.

Das sind Dinge, die wohl in der Verantwortung jedes Einzelnen liegen
müssen, bzw. in der Verantwortung von Gruppen, die bereit sind, solche Widerstandsformen zu praktizieren.

[…]

D. St.: Ich glaube, wir sind in der Diskussion eigentlich schon einen Schritt zu weit gegangen. Wir überlegen uns, wie es möglich ist, die Bevölkerung anzusprechen, aufzuklären, zu aktivieren. Ich sehe, dass in der Bevölkerung immer noch eine sicherlich nicht unbegründete Angst vor der Sowjetunion besteht. Das wird als Antikommunismus bezeichnet oder als Antisowjetismus.

Das ist in diesem Falle eine ganz reale Angst. Bei Großteilen der Bevölkerung, überwiegend bei den Älteren, die den Krieg erlebt haben und vielleicht auch in der Sowjetunion gekämpft haben, oder denjenigen, die jetzt den Kalten Krieg der Nachkriegszeit erleben, und auch bei den Jüngeren ist eine Angst vorhanden, die sie jetzt wieder bestätigt finden durch die Nachrüstungsmaßnahmen der Sowjetunion.

Sowohl der Westen als auch der Osten betreiben eine höchstgefährliche Politik. Ein Teil der Bevölkerung mag sich immer noch geschützt fühlen durch die NATO, durch die USA, durch den „atomaren Schutzschild“. Das kann aber abbröckeln. Andererseits gibt es die Frage: „Ja, und die Sowjetunion? Die rüstet ja auch. Also müssen wir ebenfalls rüsten.“ Daher liegt den Duisburger Beschlüssen der Grünen die Forderung nach einer blockübergreifenden Friedenspolitik von unten zugrunde.

Das heißt also: nicht mehr systemimmanent argumentieren, indem nur die Rüstungspolitik des Westens aufs Korn genommen wird, sondern genauso die Rüstungspolitik des Ostens kritisieren. Wir fordern eine einseitige Abrüstung. Wir fordern aber ebenso, dass die Sowjetunion jetzt nicht ihrerseits die Rüstungsspirale weiter hochdreht, sondern Wege sucht, um dieses gegenseitige Hochschaukeln der militärischen Bedrohung abzustoppen.

Ich meine, eine Möglichkeit wäre gewesen, die geplante Stationierung der
Kurzstreckenraketen in der DDR und in der CSSR – die ja nur 3 Minuten brauchen, um hier zu sein, die Pershing braucht 5-6, um Moskau zu erreichen – nicht durchzuführen. Die Sowjetunion müsste aufgefordert werden, ihrerseits die militärische Bedrohung nicht noch weiter zu verschärfen. Denn da zeigt sich die Fragwürdigkeit der Friedenspolitik auch des Ostens.

Das ist ein Punkt auf der militärischen Ebene, auf den wir sicherlich immer wieder in den Gesprächen mit der Bevölkerung angesprochen werden. Die werden uns sagen: „Ja Gott, seht ihr, es geht ja weiter.“ Die Friedensbereitschaft ist nirgends vorhanden. Wie gefährlich die ganze Sache geworden ist, allein durch die Stationierung der Pershing, zeigt sich einmal darin, dass (Bundeskanzler) Kohl in seiner Rede gesagt hat, es müsse jetzt versucht werden, politisch und wirtschaftlich mit dem Osten zu kooperieren. Offenbar ist es denen heiß unterm Hintern geworden.

Ein anderer Punkt ist der, dass nach einer kleinen Notiz der Frankfurter Rundschau vom Freitag der US-Senat angeregt hat, eine atomare Alarmzentrale einzurichten, zusammengesetzt aus Vertretern der UdSSR und der USA. Dies deutet darauf hin, dass sie damit zugeben, es könne auch durch technisches Versagen oder andere Dinge ungewollt ein Atomkrieg ausgelöst werden. Das ist ein Punkt, glaube ich, den wir in unserer Argumentation sehr deutlich machen müssen. Dadurch allein sind die Bundestagsabgeordneten – die 268 –, die der Stationierung zugestimmt haben, im Grunde schon widerlegt.

Wenn man die Reden einmal verfolgt, die da vom Stapel gelassen wurden – dieser Versuch, die Bedrohung herunterzuspielen! Auch typisch die Sprachverschleierung durch Fernsehen und Presse. Die Dinge werden nicht mehr beim Namen genannt, sondern es werden harmlose Begriffe dafür eingeführt. Das ist ein Punkt, über den wir auch praktisch sehr viel Aufklärungsarbeit betreiben müssen, um den Leuten mal klar zu machen, wie hier die Gefahr, in der wir stehen, verschleiert wird.

[…]

D. St.: Ich glaube, G. (die Vertreterin der SPD)  hat auch einmal davon geträumt, dass die SPD sich geschlossen gegen die Stationierung ausspricht, und das ist eingetroffen. Das heißt, es ist ganz wichtig, dass man Utopien hat, die dann eines Tages auch Wirklichkeit werden. Und eine der Utopien, die wir haben, ist tatsächlich der Austritt aus der NATO, eine Auflösung der Blöcke. Eine gesamteuropäische Friedenspolitik, Sozial- und Ökologiepolitik und darüber hinaus eine globale Friedenspolitik.

Aber etwas anderes will ich einbringen aus eigenen Erfahrungen:  G. (die Vertreterin der SPD) sagte ganz richtig, dass diese Zahl 71% (Ablehnung weiterer Stationierung von US-Raketen in Europa, lt. Meinungsumfragen) keine abgesegnete Zahl ist. Es sind ja mehr Stimmungen, die sich hier ausdrücken, als ein klares Bewusstsein der Gefahren, in denen wir stehen, das durch Wissen fundiert ist. Wer hat sich denn mit den militärstrategischen Rüstungsfragen befasst? Das wird mehr gefühlsmäßig abgelehnt. Das ist keine im Bewusstsein der Bevölkerung abgesicherte Haltung.

Was jetzt möglicherweise in Gang kommt, ist ein ähnlicher Prozess, wie ich ihn als Kind im Zweiten Weltkrieg erlebt habe. Nämlich das, was ich als 15-, 16-jähriger erlebt habe: die Militarisierung der Köpfe bzw. Herzen. Das hat eine Bereitschaft in der Bevölkerung bewirkt nach dem Motto: „Lieber frei sein, als tot sein!“ Also Freiheit oder Untergang in der Parallele zu „Lieber tot als rot“.

Ich will das nicht mit dem Begriff der Todessehnsucht beschreiben; aber es gibt Beispiele wie etwa Massenselbstmord, so vor einigen Jahren in Amerika. Es ist denkbar, dass die Masse der Menschen auch weit über Europa hinaus das Gefühl bekommt, die Uhr des Menschen ist abgelaufen, es geht zu Ende.

Es kann also ein psychischer Mechanismus in Gang kommen – Todestrieb, das ist der Begriff aus der Psychoanalyse –, der die Menschen von einem gewissen Trieb her dahin führt. Wir haben historische Beispiele dafür, dass ganze Völker untergegangen sind, sich in die Schlacht gestürzt haben, bis zum letzten Mann gekämpft haben. So etwas ist denkbar, eine Hypothese.

Wenn so etwas möglich sein sollte, in der Resignation vieler zeigt es sich ja, dass diese negative Einstellung zum Leben sich durchsetzt, müssen wir dem etwas Positives entgegensetzen.

G. (SPD): Sie ist noch nicht einmal überzeugt davon, dass eine Volksbefragung über die geplante Stationierung weiterer Raketen ein taugliches Mittel ist… Wir treten mit dem Anspruch auf, die Mehrheit zu beweisen, von der wir behaupten, dass wir sie hätten. Wir laufen Gefahr zu beweisen, dass wir die Mehrheit nicht haben… Um bei der nächsten Wahl an allen 90 Wahllokalen in Recklinghausen eine Volksbefragung durchführen zu können, brauchen wir 360 Leute rein organisatorisch, die den ganzen Tag bereit sind, dort zu stehen. Hier kriegen wir die Leute vielleicht noch, glaubt ihr denn, im Sauerland, in jedem Dorf kriegt die Friedensbewegung die Leute, in Bayern auf dem Land…? Wenn die Volksbefragung schiefgeht, gibt es nämlich eine Sache, die für uns schädlicher ist, als wenn wir die Volksbefragung lassen…

Ich träume genau den Traum der Grünen „Raus aus der NATO!“ mit. Ich träume genau den Traum mit, dass es in Europa zu einer Ordnung kommt, wie sie 1958 etwa angestrebt war mit dem Rapacki-Plan, dass ganz Europa zu einer atomwaffenfreien Zone wird… Das Problem, das ich bei der Forderung jetzt habe, ist, dass die Bevölkerung soweit noch nicht ist. Also, die 71,8% haben sicher kein Verständnis dafür, wie wir das meinen. Sondern die glauben, wenn es jetzt heißt „Raus aus der NATO!“, geben wir unseren Schutz weg und machen uns erpressbar… Deswegen ist es für mich eine Frage, ob das, was ich erreichen will, nicht so formuliert werden kann, dass „Raus aus der NATO!“ irgendwann mal die notwendige und sinnvolle Konsequenz ist.

Aber dass ich das etwa jetzt laut sage als Forderung der FB, kommt mir nicht klug vor, weil ich damit einem großen Teil der 71,8%, die jetzt vielleicht emotional auf unserer Seite stehen, vor den Kopf stoße und wieder zurücktreibe zu den anderen. Deswegen bin ich damit als konkrete, aktuelle Forderung sehr vorsichtig.

D. St.: Ich sehe das auch nur als mittelfristigen Prozess. Das müsste jetzt noch umgesetzt werden in den Köpfen der Menschen. Vitus Lersch meint, bei einer Volksbefragung käme die Aussagekraft auch zustande, wenn nicht jedes einzelne Wahllokal erreicht wird. Wir müssen uns nur genau überlegen, welche weitergehenden Ziele wir damit verbinden. Wenn da „nur“ ein NEIN zur Stationierung herauskommt, wäre das sicherlich etwas zu wenig. Eine mögliche Perspektive der Volksbefragung wäre es gerade auch, wenn sie am Tage der Europawahlen stattfindet, in der vorhergehenden Diskussion zu verbinden mit der Frage eines atomwaffenfreien Europas. Das ist natürlich einerseits ein Traum, andererseits jedoch nicht so weit weg. Hier muss man auch ein bisschen die Prioritäten sehen, wenn man die Forderung atomfreies Europa mit der Forderung Austritt aus der NATO vergleicht. Ich denke, wenn wir realistisch sind, dann müssen wir sagen, dass der Schritt eher so ist, dass sich eine atomwaffenfreie Zone in Europa – egal wie groß sie ist – nur durch Verhandlungen zwischen den beiden Militärblöcken herstellen lässt. Erst danach könnte man langfristig überhaupt als reale Möglichkeit eine Auflösung der Militärblöcke ins Auge fassen. Andersrum würde man den zweiten Schritt vor dem ersten tun…

Bei der Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten am 10. Oktober 1981  (Foto © Dietrich Stahlbaum 1981)
Bei der Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten am 10. Oktober 1981
(Foto © Dietrich Stahlbaum 1981)

Der Pfarrer: Stichwort Todestrieb. Also für mich gibt es keinen Todestrieb an sich, sondern einen Todestrieb in einem Kontext. Das ist eine Ohnmachtserfahrung, die letztendlich in so eine Art Fatalismus endet. Der individuelle oder der kollektive Suizid, eigene Vorwegnahme der Vernichtung, ist dann doch im Grunde der letzte souveräne Akt. Für mich wäre es wichtig, diesen Ablauf, der sicher stattfinden kann, zumindest, dass er im Fatalismus endet, aufzuhalten… Im Folgenden über den Vorschlag Volksbefragung.

D. St.: Unser (grüner) Antrag zur Volksbefragung ist ja abgeschmettert worden im Bundestag. Wir hatten das… so abzusichern versucht, dass Manipulationen weit möglichst ausgeschaltet werden können. Ein allgemeines Problem für uns ist, dass über die Friedensbewegung kaum inhaltlich berichtet wird. Unsere Forderungen und unsere Argumente werden weitgehend totgeschwiegen. Es werden nur Umstände beschrieben nach dem Motto „Sind schon Steine geschmissen worden? Hat es Verletzte gegeben? Hat die Polizei eingegriffen?“

Oder was unsere Bundesversammlung anbetrifft: „Wie viele Hunde laufen dort herum? Wie viele Babys sind im Saal? Wie viel Schmutz bleibt übrig, wenn die Grünen nach Hause gehen?“

Inhaltlich wird kaum etwas vermittelt und wenn, dann nur das, womit man meint, uns madig machen zu können. Das geht der Friedensbewegung genauso. Deshalb hatten wir in unserem Antrag auch gefordert, dass die Friedensinitiativen entsprechenden Zugang zu den Medien haben und zwar ohne Zensur. Uns war natürlich klar, dass dies nicht durchgeht; aber es war notwendig, das einzubringen.

Wenn eine Volksbefragung jetzt von uns aus in Gang gebracht wird, dann stellt sich eben das Problem der Öffentlichkeit. Wie weit gelingt es uns, eine eigene, eine Gegenöffentlichkeit herzustellen gegen die Medien.. Denn wir müssen wieder damit rechnen, dass – ganz abgesehen von unserer Lokalpresse hier – auch Fernsehen und überregionale Presse versuchen werden, die Volksgemüter ihrerseits zu beeinflussen.

Auch durch die Bundesregierung wird eine Militarisierung der Köpfe stattfinden. Sie wird versuchen, die Mehrheit auf ihrer Seite zu behalten oder auf ihre Seite zu ziehen. Das scheint für mich gerade auch bei Versuchen, eine Volksbefragung hier in Recklinghausen durchzuführen, ein ganz großes Problem zu sein.

D. (DKP): Für mich ist es eine wichtige Frage, inwieweit die Organisationseinheit, die sich hier in Recklinghausen herausgebildet hat, die Zusammenarbeit der Friedenskräfte, inwieweit diese Organisationseinheit erhalten werden soll und unter welchen Bedingungen sie überhaupt zu erhalten ist…

(Die DKP hat befürchtet, ihren Einfluss in der Friedensbewegung zu verlieren. Diesen Einfluss verdankte sie vor allem den organisatorischen Erfahrungen der Kommunisten und ihrem persönlichen Einsatz, sowie ihrer dialektischen Schulung. Da sie die Aktivsten waren, befand sich nahezu der gesamte organisatorische Bereich in ihren Händen. Ihr inhaltlicher, ideologischer Einfluss hingegen ist umstritten und wird sicherlich überbewertet. Kommunisten haben es zwar immer verstanden, Wasser auf ihre Mühlen zu lenken, aber die Partei hat nach 1968 wohl kaum davon profitiert. Anmerkung D. St., 1996)

Nach dem Statemant des Pfarrers meint G. (SPD), dass wir, „die hier am Tisch sitzen, wieder eine Organisationseinheit finden können. Wenn das in die Richtung geht, dass wir sagen, wir müssen jetzt nicht weiter fordern: ´Die Waffen weg!`, das ist klar, also darauf dürfen wir uns nicht festreiten. Sondern das militärische Denken, das dahinter steht, ist das, was eigentlich weg muss. Nämlich das Gleichgewicht des Schreckens hat ausgedient, und zweitens müssen wir deutlich machen, welche Verbindungen es zwischen Problemen im sozialen Bereich und in der Dritten Welt und der Rüstung gibt. Drittens als konkrete Forderung müssen wir versuchen, daraufhin zu kämpfen, dass der (Olaf) Palme-Vorschlag mehr Resonanz in der Bevölkerung findet, bekannt wird und als real angehbares Ziel begriffen wird.“

Allgemeine Zustimmung zum weiteren Ausbau der Friedensinitiativen in Recklinghausen.

D. St.: Ein Punkt ist der, den ich als Feindbildpsychose bezeichnen möchte in der Bevölkerung. Wir müssen, verbunden mit einem Sicherheitsbedürfnis, versuchen, diese Feindbildprojektionen in der Bevölkerung abzubauen. Diese Feindbildprojektionen, die sich zu einer Psychose, zu einem Bedrohungssyndrom verstärkt haben.

Nicht nur gegenüber der Bundesrepublik im Osten, sondern auch umgekehrt dem Osten gegenüber in der BRD. Nicht nur international, sondern auch innernational, in der Gesellschaft, beispielsweise in der Bundesrepublik. Ich denke da an die Angst vor den Ausländern. Das ist Angst, die sich zeigt als Forderung: „Ausländer raus!“ zum Beispiel. Eine soziale Angst der Bevölkerung, die ausgenutzt wird und verstärkt wird mit politischen Parolen, die älter sind als der Faschismus selbst…

Es gibt reichlich andere Bereiche, in denen dieses Feindbild auch
innergesellschaftlich vorhanden ist gegenüber allen möglichen Minderheiten. Wir müssen damit rechnen, dass dieses Feindbild jetzt auf die FB projiziert wird, noch mehr als bisher. Wenn nämlich in der FB Aktionen des zivilen Ungehorsams in Gang kommen, Aktionen so nach dem Motto: „Wir sind nicht aufzuhalten durch die Straßenverkehrsordnung“ und dergleichen. Wir müssen damit rechnen, dass man uns nicht nur kriminalisiert, sondern uns regelrecht zum Feind der Gesellschaft macht, also nicht nur zum Feind des Staates. Zum Verfassungsfeind kann man uns noch nicht machen. Auch das wird man möglicherweise versuchen. Aber man wird zumindest versuchen, uns in einen Gegensatz zur Gesellschaft zu bringen. Das, meine ich, sollten wir verhindern.

Einen Punkt dem entgegensetzen, einen emanzipatorischen Prozess in der Bevölkerung, in der Gesellschaft in Gang setzen, den Leuten Mut machen, ihre Interessen selber wahrzunehmen und zwar in allen Bereichen, nicht nur innerhalb der Friedensaktionen und der FB, sondern auch im sozialen Bereich für die 35-Stunden-Woche zu kämpfen.

Den Leuten Mut machen auf allen Gebieten, in allen Bereichen aktiv zu werden und sich nicht einlullen zu lassen und beschwichtigen zu lassen durch falsche Informationen, durch falsche Ansätze. Das, was ich als Alternative zu dieser Feindbildprojektion nennen möchte, sind Partnerschaft und Kooperation auf allen Ebenen innerhalb der Gesellschaft. Das heißt jetzt nicht prokapitalistisch; das System an sich muss in Frage gestellt werden, das kapitalistische Gesellschaftssystem, das selbst die zerstörerischen Kräfte mobilisiert und selbst gesellschaftsfeindlich ist. Sondern natürlich Kritik am kapitalistischen System; denn es ist eine Frage des Systems in der BRD, in Westeuropa, wie übrigens auch in Osteuropa. Auch das osteuropäische System muss sich ändern, muss weiterentwickelt werden, muss emanzipatorische Entwicklungen vorantreiben, die mir sehr blockiert scheinen in Augenblick.

Das heißt, wir müssen auch hier die emanzipatorischen Bedürfnisse der Menschen ansprechen und versuchen, sie zu entwickeln, umzusetzen in Aktivität. Wir müssen gegen – man nennt das – kompensatorische Interessen arbeiten. Ein Ausweichen vor Problemen. Ich erlebe dies in der Bücherei. Ich sehe das an dem, was die Leute lesen, womit sie sich befassen. Ich möchte den Leuten sagen: „Schmeißen Sie den Dreck weg! Lassen Sie den Dreck stehen! Wir müssen ganz was anderes heute lesen!“

Ich deute das oft an, ganz praktisch, nicht so pauschal. Anhand von Büchern. Ich gebe ihnen etwas anderes an die Hand. Ich meine, in dieser Richtung müssen wir arbeiten.

Noch ganz kurz zu der Friedensarbeit auch hier in Recklinghausen. Ich meine, der Pluralismus der Friedensbewegung muss bewahrt bleiben. Das heißt, die verschiedenen Positionen innerhalb der Friedensgruppen in RE müssen zum Ausdruck gebracht werden können, aber als Position der jeweiligen Gruppe und Initiative. Sie können natürlich nicht als Positionen der Gesamtinitiative dargestellt werden.

* * *

Religion und Politik. Weitere Beiträge zur Islam-Kontroverse

Vorangestellt sei ein Leserbrief, der am 20.07.07 unter dem Titel „Zitate willkürlich interpretiert“ in der Recklinghäuser Zeitung erschienen ist:

– Von: Dietrich Stahlbaum, Recklinghausen – Betr.: „Debatte hat erst begonnen“. Leserbrief von Georg Schliehe – RZ vom 13. Juli 2007

Georg Schliehes Islam-Kritik basiert u. a. auf einer umfangreichen Streitschrift anonymer Verfasser mit dem Titel „Das Islam-Prinzip“. Gemeint ist damit nicht etwa der islamistische Fundamentalismus, der seit einiger Zeit in der Türkei wieder Boden zu gewinnen und die Politik zu beherrschen versucht, sondern der Islam insgesamt, mithin auch der alevitische Islam und damit etwa ein Viertel der türkischen Bevölkerung. Gerade an diesem Beispiel zeigt sich die Absurdität des „Islam-Prinzips“.

Die Methode, mit der der Islam inkriminiert werden soll, ist dieselbe, die islamistische Fundamentalisten anwenden: Es werden Koranstellen aus Text- und Sinnzusammenhängen herausgerissen, es werden Zitate willkürlich interpretiert; es wird weder die „blumige“, nämlich poetische Sprache, in der der Koran verfasst ist, berücksichtigt, noch werden die Zeitbedingtheit, Ungenauigkeit und Vieldeutigkeit arabischer Wörter und daher auch die unterschiedlichen Übersetzungen, die Mentalität arabischer Völker, ihre Fabulierfreude und -kunst u. v. a. m. beachtet.

Schliehe und die anonymen Verfasser der Streitschrift warnen vor einer „schleichenden Islamisierung Deutschlands und Europas“. Die in der Mehrzahl türkischen Einwanderer waren aber bereits Muslime, und ihre hier Nachgeborenen sind es zumeist geblieben. Von massenhaften Übertritten „alt“deutscher und anderer Europäer zum Islam ist nichts bekannt. Oder meinen Schliehe und die Verfasser des Islam-Prinzips etwa, es drohe ein islamischer Gottesstaat Deutschland bzw. Europa? Auf solche abstrusen Gedanken kommt nicht einmal der zurzeit amtierende Bundesinnenminister.

RZ 20.07.07

~~~~~~~~
Sogar Lenin, der in seiner Kirchen- und Religionskritik nicht gerade zimperlich war und die „völlige Trennung der Kirche vom Staat und der Schule von der Kirche“ verlangt hat, sowie „die uneingeschränkte und vorbehaltlose Erklärung der Religion zur Privatsache“, sagte am 19. November 1918 auf einem Arbeiterinnenkongress:
„Im Kampf gegen religiöse Vorurteile muß man außerordentlich vorsichtig vorgehen; großen Schaden richtet dabei an, wer in diesem Kampf das religiöse Gefühl verletzt. (…) Die tiefsten Quellen religiöser Vorurteile sind Armut und Unwissenheit; eben diese Übel müssen wir bekämpfen.“

~~~~~~~~
[Religiöse] Glaubensfragen sollten psychologisch verstanden und philosophisch diskutiert werden. Verhindert werden muss jeder Versuch, eine Religion zu politisieren. Selbstverständlich trifft dies auch auf den Islam zu. Nur wäre es falsch, hier nicht zu differenzieren, nicht zu unterscheiden zwischen willkürlicher Exegese (Auslegung) religiöser Texte durch einige Geistliche, um damit Machtmissbrauch und Unterwerfung zu ermöglichen und zu rechtfertigen und – auf der anderen Seite − friedlicher (pazifistischer), Menschenfreundlicher und Weltoffener Religiosität.

1. Der KORAN – Aufklärung statt Verbote

(Ein Brief aus 2004)

Lieber …,

um es vorweg zu sagen:
Von Verboten halte ich nichts, denn sie bedeuten eine Entmündigung und sind, wie die Erfahrung zeigt, leicht zu unterlaufen. Eine absolut sichere Kontrolle ist in unserem Zeitalter der elektronischen Kommunikation unmöglich, es sei denn in einem totalen Überwachungsstaat, der das, was ein Staat schützen soll, die Freiheitsrechte – mithin das Recht auf Glaubens- und Gedankenfreiheit, das Recht auf Meinungsäußerung und –bildung, das Recht auf Selbstentfaltung usf. – abgeschafft hat.

Geistige Autonomie und Immunität können nicht dadurch entstehen, dass man anfällige, nämlich leichtgläubige und autoritätshörige Menschen auf Quarantäne setzt und versucht, sie von allem, was sie infizieren könnte, fernzuhalten, sondern allein durch eine zwar mühsame, langwierige, aber nachhaltig wirkende geistige Auseinandersetzung mit allem, was wir Menschen hervorbringen, kurz: durch eine umfassende Bildung und Aufklärung in allen Schichten und auf allen Ebenen der Gesellschaft.

Es hat lange Zeit gebraucht und viele Generationen haben sich schwer getan, bis der Humanismus, der Wert und Würde jedes einzelnen Menschen betont, das, was wir heute Menschenrechte nennen, in Westeuropa verbreitet war, im 14. und 15. Jh. Und es war nicht die Leitkultur des christlichen Abendlandes, an der sich der Humanismus orientiert hat, sondern die klassische Antike. Ebenso wie die Aufklärung des 17./18. Jh., deren Früchte viel Zeit zum Reifen gebraucht haben, bis am 26. August 1789 die Menschen- und Bürgerrechte in der französischen Nationalversammlung verkündet worden sind. Und auch heute sind diese Rechte im Bewusstsein der europäischen Völker noch nicht genügend verwurzelt und daher gefährdet.

Aufklärung ist keine einmalige Angelegenheit, die bestenfalls in der Schule stattfindet, sie ist ein permanenter Prozess, ein Lernprozess, der nie endet, denn stets von Neuem entsteht „Verdunkelungsgefahr“.

Mit den besten Grüßen aus dem Ruhrgebiet,
in dem es letztendlich immer wieder gelungen ist, EinwanderInnen trotz unterschiedlichster Ethnien und Kulturen in unsere Gesellschaft zu integrieren,
Dietrich Stahlbaum

2. Müssen wir anderen Völkern helfen,
sich aus der islamistischen Zwangsjacke zu befreien?

Das Völkerrecht verbietet, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Völker einzumischen. Menschenrechte verlangen dies, wenn sie missachtet werden. Die Frage ist, welche Art der Einmischung wäre gerechtfertigt? Das sollte von der Völkergemeinschaft, von den Vereinten Nationen (UN), geklärt und von Fall zu Fall entschieden werden.
Der Islamismus und der islamistisch begründete Terrorismus sind nicht zuletzt Folge einer Identitätskrise in den islamischen Ländern, hervorgerufen durch neokolonialistische Globalisierung und Korrumpierung arabischer Ölmagnaten durch westliche Staaten und Konzerne, in erster Linie US-amerikanischer und britischer. Viele Moslems sehen sich durch den Westen gedemütigt und von ihren eigenen Herrschern verraten. Sie sehen ihre Kultur durch unsere modernistische Zivilisation bedroht und geraten in den Bann fanatischer Mullahs, die ihnen das Paradies versprechen. Das macht sie gewaltbereit und gewalttätig bis zur Selbstaufopferung.

Was können wir dagegen tun? Da gibt es viele Möglichkeiten, auf politischer Ebene wie auf privater. Auf jeden Fall sollten wir uns mit allen Moslems und Moslimen, die sich von den alten patriarchalen, autoritären Strukturen des Islams befreit haben oder befreien wollen und Reformen anstreben, wie z. B. der marokkanische König und seine Frau, solidarisieren und sie, soweit möglich, unterstützen. Auch ist der Friedensnobelpreis 2003 an die iranische Bürgerrechtlerin Schirin Ebadi ein gutes Signal. Und wir müssen selber vorleben, was wir von anderen erwarten: demokratisches Verhalten, eine hoch entwickelte Kultur freier Diskussion und fairer Entscheidungen, gewaltfreien Umgang mit Konflikten und Toleranz.

3. Sind Religionen Brutstätten der Gewalt? Oder machen sie gegen Gewalt immun? Ethik und Gewalt, Spiritualität und Gewalt, Geist und Macht, besser gesagt: UNGEIST und Macht

…und andere Beiträge aus dem ZEITFRAGENFORUM (HP) zum Thema RELIGIONEN
http://www.mx-action.de/dietrich/Einleitung_und_Themen/Religionen/religionen.html

Externe Beiträge:

Der aufgeklärte Islam hat das Wort
http://www.arte.tv/de/geschichte-gesellschaft/Aufgeklaerter-Islam/TV-Programm/1626714.html

Heba Raouf Ezzat: „Leider stimmt es, dass der Islam missbraucht wird. Aber auch Liberale oder Sozialisten missbrauchen ihre Ideologien. In unserem globalen Zeitalter müssen wir uns über Ideologien, Religionen und Kulturen hinwegsetzen und uns gemeinsam vor Extremisten jeder Art schützen. Durch konstruktive Debatten könnten wir demokratische Erfahrungen sammeln, die Hegemonie und Arroganz in unserer Welt wegfegen würden und dem Islam erlaubte, seine Botschaft der Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und der wiederzuerlangen.“

Heba Raouf Ezzat ist Dozentin für Politologie und Wirtschaft an der Universität in Kairo, Ägypten. Sie ist in ihrem Heimatland bekannt als gemäßigte Islamistin, Publizistin und Frauenrechtsaktivistin. Sie arbeitet außerdem als Beraterin für den Internetdienst IslamOnline.net, in der englischsprachigen Abteilung. Sie berät in Fragen des zeitgenössischen Islam und der Politikwissenschaften. ber
[Frankfurter Rundschau 04.10.2004]

Anhang:

Aus Koran und Bibel

In der Koran-Ausgabe, die ich besitze [Übersetzung des anerkannten jüdischen Religionswissenschaftlers Lazarus Goldschmidt aus dem Jahre 1920, neu erschienen beim Komer Verlag, Frechen 2000], steht z. B. in der Sure 3,110: „Die an Gott glauben und an den Jüngsten Tag, Fug gebieten, Böses verhindern und im Guten eifrig sind. Diese sind die Rechtschaffenen.“

Gemeint sind die „Schriftleute“, die Schriftgelehrten oder Schriftkundigen! Vorher heißt es nämlich: „Unter ihnen gibt es Gläubige, aber die meisten ihrer sind Gottlose.“ [Sure 3/107]
„Sie sind aber nicht gleich. Und unter den Schriftleuten gibt es eine rechtschaffene Gemeinde (…)“ [Sure 3/109]

Dagegen heißt es im Neuen Testament, Lutherübersetzung): „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.“ [Matthäus 10,34-39]

Sure 4/34 in meiner Ausgabe:
„Wer dies in Frevelhaftigkeit und Ungerechtigkeit tut, den braten wir einst im Fegefeuer; und leicht ist dies für Gott.“

Gemeint ist hier der Umgang mit den „Weibern“ und mit dem ererbten Vermögen.

N. T. Paulusbrief an die Korinther:
„Der Mann aber soll [beim Beten] sein Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist des Mannes Abglanz. Denn Der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib vom Manne. Und der Mann ist nicht geschaffen um des Weibes willen, sondern das Weib um des Mannes willen. Darum soll die Frau eine Macht [Anmerkung: „bedeutet wohl: Schleier“] auf dem Haupte haben um der Engel (!) willen.“ [Kor. 11,7-10]
Im A. T. heißt es: „Die Frau sei dem Manne untertan.“ (Aus dem Gedächtnis)

Die (weltweite) Verbreitung des Christentums war, wie in Deschners Kriminalgeschichte nachzulesen ist, alles andere als eine friedliche und Menschenfreundliche. Die Verbreitung des Islams dagegen war es, wo es durch den Handel und Kulturaustausch geschah. Zum Beispiel in Spanien.

Ergänzungen:

Neue Studie widerlegt Schliehe, WIR & Co:

„Mehr Muslime, besser integriert“

Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge:

In Deutschland leben deutlich mehr Muslime als bisher geschätzt. Nach einer neuen Studie wohnen zwischen 3,8 Millionen und 4,3 Millionen in der Bundesrepublik, was einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von rund fünf Prozent entspricht. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der repräsentativen Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“, die das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz erstellt hat.

Bisher waren die Behörden von 3 bis 3,5 Millionen Menschen muslimischen Glaubens ausgegangen. Laut der Studie haben 45 Prozent der in der Bundesrepublik lebenden Muslime ausländischer Herkunft einen deutschen Pass.

Integration besser als angenommen…

Die Integration der Muslime in die Gesellschaft ist nach den Erkenntnissen der Studie besser als vielfach angenommen. So sind zum Beispiel mehr als die Hälfte der Muslime Mitglied in einem deutschen Verein. Die Untersuchung bestätigt aber auch Defizite bei der sprachlichen Integration.

Generell weisen Muslime niedrigere Integrationswerte auf als Angehörige anderer Religionen aus denselben Herkunftsländern. Die Autoren der Studie schlagen deshalb vor, vorschulische, schulische und außerschulische Förderung der muslimischen Migranten konsequent voranzutreiben.

… deutliche Defizite bei türkischen Migranten

Deutliche Integrationsdefizite gibt es auch bei der großen Gruppe der türkischen Migranten, die bei der Schulbildung schlecht abschneiden. Dies ist teilweise auf die extrem schlechten Werte der türkischen Frauen der ersten Zuwanderergeneration zurückzuführen. In Deutschland geborene Muslime (die sogenannte zweite Generation) sind insgesamt deutlich besser integriert als ihre Eltern, die häufig aus bildungsfernen Schichten stammen.

Viele Muslime sehen sich als gläubig

Die Mehrheit der Muslime bezeichnet sich selbst als gläubig. Ein gutes Drittel stuft sich als „stark gläubig“, die Hälfte als „eher gläubig“ ein. Knapp 14 Prozent gaben an, „eher nicht“ oder „gar nicht“ zu glauben. In religiösen Vereinigungen oder Gemeinden ist allerdings nur eine Minderheit aktiv.

Religiöse Veranstaltungen besucht nur ein gutes Drittel „häufig“, die Mehrheit „selten oder nie“, wobei Frauen häufiger als Männer fernbleiben. Der Wunsch nach einem islamischen Religionsunterricht ist indes stark. 76 Prozent sprechen sich dafür aus. Das in der Öffentlichkeit besonders umstrittene Kopftuch tragen 70 Prozent der muslimischen Frauen nie. Der Unterschied zwischen der ersten und zweiten Generation ist hier gering, wobei ein Viertel der zuerst zugewanderten Musliminnen immer ein Kopftuch umbindet.

Fast alle Muslime leben in den alten Ländern

Diese erste repräsentative Studie belegt in den Augen der Autoren die Vielfältigkeit des muslimischen Lebens in Deutschland. Es wurden 6004 Personen ab 16 Jahren aus 49 muslimisch geprägten Herkunftsländern zu Religion und Integration befragt. Mit den Angaben über Haushaltsmitglieder stützt sich die Auswertung auf fast 17.000 Personen. Fast alle Muslime (98 Prozent) leben in den alten Bundesländern einschließlich des Ostens Berlins.

[ARD-Tagesschau vom 23.06.2009 22:08 Uhr]

Ergänzend aus der Frankfurter Rundschau:

„Die gern mit Allgemeinvertretungsanspruch auftretenden muslimischen Dachverbände sprechen nur für knapp 25 Prozent der Muslime hierzulande.“ [FR vom 24.06.2009]

Volltext → http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1809326&

Von blog.de (21. 06. 2009) übernommen.

Islam / Islamismus / Faschismus

Wenn man den Faschismus / Nationalsozialismus auf die heutige Politik bezieht, muss man wissen, wovon man redet, d. h. man muss mit seiner Geschichte und Ideologie einigermaßen vertraut sein. Kaum bekannt ist z. B., dass so namhafte Araber wie Hadji Mohammed Amin el Hussein, der „Großmufti von Jerusalem“, und seine Anhänger Hitler verehrt und dem Naziregime gedient haben, dass Rommels Truppe in Nordafrika ihre Anfangserfolge nicht zuletzt arabischer Hilfe verdankt, dass es Muslime waren, die den Holocaust begrüßt haben. Dem Afrikakorps auf dem Fuße gefolgt sind – das wurde erst kürzlich bekannt – Gestapokommandos, die mit Wissen Rommels Jüdinnen und Juden aufgetrieben, zusammengetrieben und ermordet haben.

Ein anderer Artikel von mir befasst sich mit der Frage:

Müssen wir anderen Völkern helfen,
sich aus der islamistischen Zwangsjacke zu befreien?

Das Völkerrecht verbietet, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Völker einzumischen. Menschenrechte verlangen dies, wenn sie missachtet werden. Die Frage ist, welche Art der Einmischung wäre gerechtfertigt? Das sollte von der Völkergemeinschaft, von den Vereinten Nationen (UN), geklärt und von Fall zu Fall entschieden werden.
Der Islamismus und der islamistisch begründete Terrorismus sind nicht zuletzt Folge einer Identitätskrise in den islamischen Ländern, hervorgerufen durch neokolonialistische Globalisierung und Korrumpierung arabischer Ölmagnaten durch westliche Staaten und Konzerne, in erster Linie US-amerikanischer und britischer. Viele Moslems sehen sich durch den Westen gedemütigt und von ihren eigenen Herrschern verraten. Sie sehen ihre Kultur durch unsere modernistische Zivilisation bedroht und geraten in den Bann fanatischer Mullahs, die ihnen das Paradies versprechen. Das macht sie gewaltbereit und gewalttätig bis zur Selbstaufopferung.

Was können wir dagegen tun? Da gibt es viele Möglichkeiten, auf politischer Ebene wie auf privater. Auf jeden Fall sollten wir uns mit allen Muslimen, die sich von den alten patriarchalen, autoritären Strukturen des Islams befreit haben oder befreien wollen und Reformen anstreben, wie z. B. der marokkanische König und seine Frau, solidarisieren und sie, soweit möglich, unterstützen. Auch ist der Friedensnobelpreis 2003 an die iranische Bürgerrechtlerin Schirin Ebadi ein gutes Signal. Und wir müssen selber vorleben, was wir von anderen erwarten: demokratisches Verhalten, eine hoch entwickelte Kultur freier Diskussion und fairer Entscheidungen, gewaltfreien Umgang mit Konflikten und Toleranz.
[In: GEWALT/-FREIHEIT im ZEITFRAGENFORUM → http://www.dietrichstahlbaum.de ]

Von blog.de (20. 06. 2007) übernommen.

Das individuelle und das kollektive Gewaltpotential

Wir wissen nicht, ob unser Schiff, das auf den Eisberg zusteuert, von seinem Kurs abgebracht werden kann oder ob der Eisberg bis zum kritischen Moment weggeschmolzen sein wird. Dies oder das zu glauben, hilft da auch nicht weiter. Das Einzige, was wir wissen: Noch ist Zeit, die Kapitäne von der Kommandobrücke herunterzuholen (auf legale, auf demokratische Weise, versteht sich), die TITANIC zu stoppen und auszusteigen, umzusteigen in eine andere Lebensweise.

Uns prägen Kindheitserlebnisse und spätere Jugenderfahrungen. Sie bestimmen unser Weltbild, unser Lebensgefühl, unser Sensorium und damit die Art und Weise unserer Wahrnehmungen (der Plural ist gewollt). Gerade deshalb empfehle ich das Buch von Claude AnShin Thomas: Krieg beenden, Frieden leben. Ein Soldat überwindet Hass und Gewalt.
Er beschreibt – möglicherweise ist das in meiner Rezension * nicht deutlich genug formuliert -, wie ihn die Traumen seiner Kindheit veranlasst haben, selber gewalttätig zu werden und als Siebzehnjähriger (wie ich übrigens auch **) in den Krieg zu ziehen, um „sich zu beweisen„, wie er als Neunzehnjähriger mit einer Kriegspsychose heimkehrt und Jahre später, nach weiteren Versuchen, sich selber zu entfliehen, seine Traumata verarbeiten und sie schließlich loswerden kann. Er steht als Zeitzeuge für Generationen von Kriegsveteranen, von denen es einigen wenigen gelang, aus eigener Kraft – wie es der authentische Buddha selber praktiziert und gelehrt hat – sich von seinem Leiden, einem geistigen Elend, zu erlösen, sich zu – emanzipieren: ein freier Mensch zu werden. Mit Esoterik hat das nichts zu tun.

Es wird sich erweisen, ob die destruktiven Energien, die sich in der gesamten Menschheit aufgeladen haben, kulturell transformiert werden können oder ob eine Selbstzerstörung nicht mehr aufzuhalten ist. Selbstzerstörerisch sind ja nicht allein Selbstmordattentäter/innen. Diesem kollektiven und zugleich individuellen Gewaltpotential entsprechen die heutigen und künftigen Waffenarsenale.

Seit der Steinzeit hat der Mensch zwar seine Technik weiter entwickelt, nicht jedoch sich selber. Liegt es vielleicht daran, dass wir unsere intellektuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten überbewerten und unsere im Endeffekt destruktiven Eigenschaften unterschätzen, weil unsere emotionale Intelligenz (Daniel Coleman) völlig unterentwickelt ist? Bei Albert Einstein und Bertrand Russell waren intellektuelle und emotionale Intelligenz komplementäre Eigenschaften wie Yin und Yang. Deshalb scheuten sie sich auch nicht, dem Fortschrittsglauben entgegenzutreten und vor technokratischer, am Ende selbstzerstörerischer Hybris zu warnen.
—————-
* Die Rezension: → http://www.mx-action.de/dietrich/Einleitung_und_Themen/Pazifismus/pazifismus.html#Wunden
** Ich habe nach meiner Rückkehr aus Vietnam (1954) zehn, elf oder zwölf Jahre lang Nacht für Nacht, an die Wand gestellt, auf Gewehre gestarrt, habe manchmal Unverständliches geredet, auch herumkommandiert und sehr oft aufgeschrien. Als Pimpfe hatten wir noch gesungen: „Frischauf Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd, ins Feld, in die Freiheit gezogen! Im Felde, da ist er Mann noch was wert, da wird sein Herz erst gewogen…“ Unsere Großväter sangen dieses Lied noch nach 1918. Unsere Väter haben es nach 1945 nicht mehr gesungen.

Von blog.de (26. 11. 2009) übernommen.

Buddhistisches Regime in Sri Lanka unterdrückt Tamilen??? (Leserbrief)

…an das Medienhaus Bauer, Marl, zum Leserbrief „buddhistisches Regime hat Polizeistaat errichtet“ vom: 15. Januar 2010

Nicht ein „buddhistisches Regime“ verfolgt und unterdrückt die hinduistischen Tamilen in Sri Lanka, sondern es sind Menschen, die sich „Buddhisten“ nennen, aber die Lehren des Gotama Buddha missachten. In seinen Lehrreden und – gesprächen, die [, mündlich überliefert,] vor rd. 2200 Jahren [im heutigen Sri Lanka auf Palmblättern] aufgezeichnet worden sind und als authentisch gelten können, befindet sich nichts, was als Aufforderung zu Intoleranz, Hass und Gewalt verstanden oder missverstanden werden könnte. Die Absage an jegliche Gewalt ist eindeutig und klar in Buddhas Ethik verankert und psychologisch begründet.

Intoleranz, Hass und Gewalt sind nach seiner Erkenntnis Folgen von Ichsucht, Gier und Unwissenheit, den Ursachen des Leides, das man sich und anderen zufügt. Gotama Buddha hat uns vorgelebt, wie man sich von diesem Leid selber befreien kann.

Es gibt zahlreiche, sich „Buddhismus“ nennende Mischformen, die sich vom ursprünglichen Buddhismus entfernt und zum Teil seltsame Blüten getrieben haben. Ein Beispiel: In Japan sind ab 6.  Jh. buddhistische Elemente in den Shintoismus eingeschmolzen worden. So verkam die buddhistische Moral zu Ahnenkult, Patriotismus und Kampfsport. Damals entstand das japanische Zen. 1868 begann man sogar, Zen für militaristische Zwecke zu missbrauchen. Man benutzte die meditative Konzentrationspraxis, um junge Männer total zu entmündigen und aus ihnen [für den Tenno, den „Gott-Kaiser“,] gefügige, todesbereite, aufs Äußerste disziplinierte Soldaten zu machen. [Daher auch das große Interesse von SS-Führern an diesem „Buddhismus.“
Vor solchen Missverständnissen und Missbräuchen hat schon der Buddha gewarnt:
«Es ist gut, Zweifel zu haben. Glaubt nicht an etwas, weil die Menschen viel darüber reden, oder weil es schon immer so war, oder weil es so in den Schriften steht… Achtet darauf, ob es eurem Urteil widerspricht, ob es schädlich sein kann, ob es durch weise Menschen verurteilt wird, und vor alledem, ob es in der Praxis Zerstörung und Schmerz verursacht… Alles, was ihr als schön betrachtet, was mit eurem Urteil übereinstimmt, was durch weise Menschen anerkannt wird und was im praktischen Leben Freude und Glück bringt, könnt ihr akzeptieren und ausüben.»]
[Rede an die Kalamas in einer Übersetzung von Thich Nhat Hanh]

Am 21.01.2010 in den Zeitungen des Medienhauses Bauer erschienen. Weggekürztes in eckigen Klammern und [kursiv] markiert.

Von blog.dde (17. 01. 2010) übernommen.